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Frage von Christian W. •

Frage an Wolfgang Wodarg von Christian W. bezüglich Arbeit und Beschäftigung

Sehr geehrter Herr Wodarg,
zugegeben - initiiert aus Verärgerung über den letzten Einkommenssteuerbescheid - meine Frage: Wie erklärt sich das eklatante Mißverhältnis zwischen steuerlichem und unterhaltsrechlichem Existenzminimum für Kinder?
Meine Situation als Trennungsvater: ich zahle für zwei Kinder > 14 Jahre nach Düsseldorfer Tabelle Stufe 6 Kindesunterhalt i.H. v. 9432 .- Euro jährlich und stelle damit deren Existenzminimum sicher, dies übrigens gerne, bei einem Nettoeinkommen von 35000.- Euro jährlich. Meine geschiedene Frau bekommt zudem deren hälftigen Kindergeldanteil ( 1848.- Euro) bzw. den halben Kinderfreibetrag (5808.- Euro), da Bar- und Betreuungsunterhalt gleichwertig sein sollen.Nur am Rande: ich wende ca. 3000 .- Euro im Jahr dafür auf, meine Kinder regelmäßig zu sehen (Fahrkosten, Verpflegung etc.) und decke so 20% der Betreuung der Kinder ab - ohne Möglichkeit, dies steuerrechtlich oder unterhaltsrechtlich geltend zu machen, da ich dafür den hälftigen Kinderfreibetrag von 5808.- Euro bzw. hälftiges Kindergeld von 1848.- Euro bekomme, welches ich aber für das Barexistenzminimum einzusetzen habe ... was ja an die Mutter geht.
Jetzt wirds aber kompliziert, ich seh`s ein.
Vereinfacht: dem unterhaltsrechtlichen Existenzminimum von 9432.- Euro (für zwei Kinder) für den Barunterhalt, welches ich als Trennungsvater alleine aufzubringen habe, steht ein steuerlicher Kinderfreibetrag von 5808.- Euro gegenüber,mit dem ich die Zusatzkosten zum Barunterhalt zur Erfüllung der Umgangspflicht auch noch finanzieren soll. Die Mutter verfügt so über das 1 1/2 fache des Existenzminimums, ich kann nur den halben Satz steuerlich geltend machen.
Wieso?
MfG
Wasser

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Antwort von
dieBasis

Sehr geehrter Herr Wasser,

in der Tat sind die von Ihnen dargestellten Zusammenhänge zwischen unterhaltsrechtlichem Existenzminimum und steuerlich geltend zu machendem Kinderfreibetrag intuitiv schwer nachvollziehbar. Ich will für meine Antwort vorausschicken, dass ich kein Steuerexperte bin. Auf die Fachinformationen meiner Kollegen muss ich also zurückgreifen.

Ihren Unmut teile ich, insofern die bestehende Regelung auf jeden Fall ein Gerechtigkeitsdefizit aufweist: Je höher das Einkommen, desto günstiger wirkt sich die Steuerersparnis aus. Bezogen auf niedrigere Steuerersparnis durch Kinderfreibetrag ist dies allerdings eine Konsequenz der progressiven Besteuerung, denn sowohl bei einem Steuersatz von 20% wie auch bei 40% wird jeweils (nur) das Existenzminimum des Kindes freigestellt. Bezogen auf das als Steuervergütung gezahlte Kindergeld bleibt die Schieflage aber bestehen. Dass Unterhalt für Kinder nicht abgesetzt werden kann (abgesehen von bestimmtem Sonderbedarf), beruht darauf, dass durch die Kinderfreibeträge und das Kindergeld eine vorrangige Sonderregelung geschaffen worden ist. Unterhaltsleistungen mindern die Leistungsfähigkeit und können von daher nicht ohne Weiteres vom Steuerabzug ausgenommen werden. Ein Abzug der tatsächlichen Unterhaltsaufwendungen an Stelle von Kindergeld bzw. Kinderfreibeträgen wäre vielfach günstiger. Durch die Kinderfreibeträge und das Kindergeld wird faktisch eine Pauschalisierung der Aufwendungen am unteren Rand des tatsächlichen Bedarfs vorgenommen. Bezüglich des Kindergeldes kann dies auch eine positive Bilanz erzeugen: Bei einem Steuersatz von 20% beträgt die Freistellung durch Freibeträge 1.161,60 €. Das jährliche Kindergeld beträgt 1.848 € und übersteigt die verfassungsrechtlich gebotene Entlastung um 686,40 €. Insoweit handelt es sich um eine Leistung der Familienförderung, die von Verfassungswegen nicht geboten ist. Ab einem Grenzsteuersatz von ca. 31,8% sind die Freibeträge im Ergebnis günstiger als das Kindergeld. Konkret bedeutet das: Ab einem zu versteuernden Einkommen für Ledige ab 32.827 € jährlich ist die Steuererstattung aufgrund des Kinderfreibetrages (und des Freibetrages für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf) höher als das als Steuervergütung gezahlte Kindergeld.

Das Problem der "Pauschalisierung am Rand des tatsächlichen Bedarfs" markiert auch bei Hartz IV das grundsätzliche Problem unserer Sozialversicherung, die ja daran krankt, dass sich das Verhältnis zwischen denen, die einzahlen und denen, die Leistungen in Anspruch nehmen aufgrund der Arbeitsmarktlage immer negativer entwickelt hat. Eine Lösung für dieses Problem ist noch nicht in Sicht. Wenigstens hat sich in den letzten zwei Jahren aber unter Politkern EU-weit wenigstens das Problembewußtsein verbessert.

Jenseits der Zahlen ist ihre konkrete Situation als Trennungsvater naturgemäß nicht einfach. Ich kann Sie nur ermutigen, es ihre Kinder nicht spüren zu lassen, dass sie mit der Lastenverteilung bezüglich ihrer ehemaligen Partnerin hadern. Diese Dinge sollte man getrennt halten. Richtig ungerecht wird das Szenario erst dann, wenn eine neue Partnerschaft ihrer Frau zusätzliche finanzielle Unterstützung verschafft, für Sie aber keine Entlastung daraus resultiert. Unter anderm deshalb wird gegenwärtig das Unterhaltsrecht grundlegend novelliert. Das erste Anliegen des Staates und wie ich glaube auch Ihres muss aber sein, dass Ihre Kinder aufgrund von Scheidung oder Trennung möglichst wenig Schaden nehmen. Ihren Formulierungen entnehme ich, dass Sie das im Prinzip auch so sehen.

Mit freundlichen Grüßen
Dr. Wolfgang Wodarg, MdB (SPD)