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Frage von Jan R. •

Frage an Wolfgang Wodarg von Jan R. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Dr. Wodarg,

zum Thema "Gesetzentwurf zur Bekämpfung der Kinderpornografie wird überarbeitet":

Ich begrüße es, dass zumindestens die (Form-) Mängel bzgl. Rechtsstaatlichkeit bei dem Gesetzesentwurf von Ihrer Fraktion erkannt wurden.

ABER:

wie kann es sein, dass die Mehrheit der (geladenen) Sachverständigen meint, dass die Sperrung unter bestimmten Voraussetzungen eine sinnvolle Maßnahme sein kann?

Ein jeder "Dau", der ein perverses Interesse an derartigen Bildern hat, ist in der Lage die Sperre in Minuten zu umgehen und wird - kaum das diese eingeführt sind - dies auch tun (die Video-Anleitung dazu dauert 27 Sekunden). Soviel ein mal vorab zum Thema "Wirksamkeit".

Was ich jedoch erheblich schlimmer finde und was die gesamte Thematik "Kampf gegen Kinderpornografie" droht ins absolut Lächerliche zu ziehen, ist die Tatsache, dass hier offensichtlich die Befürworter dieser Sperren das Thema als populistisches Wahlkampfmittel pervertieren und darüber hinaus anscheinend überhaupt kein Interesse an einer wirksamen Beseitigung der bestehenden KiPo-Seiten haben!

Wie sonst ist es erklärbar, dass Alvar Freude es mit einem Minimum an Arbeitsaufwand erreichte, über 60 bestehende KiPo Angebote innerhalb von 12 Stunden aus dem Netz zu nehmen (Quelle: http://ak-zensur.de/2009/05/loeschen-funktioniert.html )?

Ich sehe darin die niederschmetternde Erkenntnis, dass sowohl das BKA als auch die Befürworter dieses Gesetzesentwurfs lediglich mit billigen, hohlen Parolen eine wichtiges Thema mißbrauchen, um eine Zensurinfrastruktur zu schaffen, anstatt zu versuchen wirksam gegen KiPo vorzugehen!

Als Administrator aber auch als Vater empfinde ich diese Vorgehensweise als unzumutbare, dilletantische, absolut inkompetente und polemische Wahlkampffarce.

Kann man damit rechnen, dass die SPD nun diese imho sinnlosen Sperren bei Beseitigung der Formfehler (Rechtsstaatlichkeit) mitträgt oder wird es beizeiten auch einen sinnvollen und vor allem wirksamen Lösungsvorschlag der SPD geben?

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Antwort von
dieBasis

Sehr geehrter Herr Rüther,

vielen Dank für Ihre Frage. Bevor ich im Einzelnen auf die von Ihnen genannten Punkte eingehe, eine kurze Bemerkung vorab. Mir persönlich wäre es am liebsten gewesen, wenn die Sperrung von Internetseiten mit einem Stoppschild gar nicht gekommen wäre. (Vgl. dazu auch meine Antwort vom 26.05.2009) Deshalb habe ich bei der Abstimmung auch gegen den Gesetzentwurf gestimmt. Allerdings hat sich diese Meinung weder in der Koalition noch in meiner Fraktion durchsetzen können, was ich bedaure.

Trotzdem hat die SPD einige wichtige Aspekte bei der gesetzlichen Neuregelung durchgesetzt, die vor allem die Informationsfreiheit und die Datensicherheit betreffen.

Zunächst zur ersten Ihrer Fragen, warum die Sperrung von Internetseiten mit kinderpornographischen Inhalten in bestimmten Fällen auch sinnvoll sein kann: Bisher war die Praxis der Ermittler, betroffene Seiten entweder zu löschen, oder sie eine Weile zu beobachten, um Erkenntnisse über die Nutzer zu erhalten und sie dann, nach Verwertung der Informationen zu löschen. Dies geht jedoch nicht, wenn Seiten mit kinderpornographischen Inhalten auf Servern im Ausland gespeichert sind. Dann bleibt die Möglichkeit über Interpol einen entsprechenden Hinweis an das betreffende Land zu geben, was jedoch häufig langwierig und schwierig ist. Die andere Möglichkeit ist, die Seite in Deutschland zu sperren, was mit Hilfe des Stoppschildes geschieht. Diese Sperrung sehe ich, wie ich bereits betont habe, nicht ohne Bauchschmerzen, da ich es für schwierig halte, in Zukunft parlamentarisch zu kontrollieren, ob die Sperrungen wirklich auf den Zweck der Verhinderung von Kinderpornographie beschränkt bleiben. (Alles andere wäre allerdings rechtswidrig!)

Ihre zweite Frage zielte auf die Wirksamkeit: Es ist völlig klar, dass ein Computerspezialist und vielleicht auch viele weniger versierte Nutzer, eine Sperre umgehen können. Das Ziel der Koalition war jedoch die Barrieren für den Zugang zu Kinderpornographie weiter anzuheben und dies gelingt wohl auch mit Hilfe von Sperren und entsprechenden Hinweisen.

Zu Ihrem Vorschlag statt zu Sperren das Löschen vorzuziehen: Wie oben bereits angedeutet ist das Löschen bereits gängige Praxis und wird auch in Zukunft ein Mittel bleiben. Allerdings greift dies ins Leere, wenn die Seiten im Ausland gespeichert sind. Es werden also in Zukunft beide Mittel möglich sein, Sperren und Löschen.

Zu Ihrer letzen Frage: Die SPD hat viele Korrekturen an der ursprünglichen Variante der Gesetzesänderung durchgesetzt. So zum Beispiel, dass die IP-Adressen der Nutzer, die auf Stopp-Seiten geleitet werden in keiner Weise verwendet werden dürfen, vor allem nicht für die strafrechtliche Verfolgung. Die Daten fallen automatisch an, sie erst gar nicht zu erheben ist nicht möglich.

Letztere Tatsache, und das damit verbundene Unbehagen, derartige Daten irgendwo (auch wenn’s beim BKA ist) aggregiert herumliegen zu wissen, haben zu meinem „NEIN“ zum Gesetz im Bundestag geführt.

Ich hoffe Ihnen die Beweggründe meiner Partei ebenso nähergebracht zu haben wie meine persönliche Überzeugung und verbleibe

mit freundlichen Grüßen,

Dr. Wolfgang Wodarg, MdB