Frage an Wolfgang Wiehle von Dr. Arnd T. . bezüglich Gesundheit
Im Zusammenhang mit der SARS-CoV-2 Pandemie wurde eine Überlastung des Gesundheitswesens durch mehr behandlungsbedürftige Personen mit COVID-19 befürchtet als bei allen Anstrengungen Behandlungskapazitäten zur Verfügung standen. Aktuell steht eine solche Überlastung des Gesundheitswesens kurzfristig nicht bevor.
Wie aber soll bei einer zukünftigen Überlastung des Gesundheitswesens entschieden werden? Nach welchen Kriterien soll zwischen Patientinnen und Patienten ausgewählt werden, wenn nicht für alle behandlungsbedürftigen Personen Behandlungskapazitäten zur Verfügung stehen?
Die DIVI (23.04.2020) und auch der Deutsche Ethikrat (27.03.2020) haben dazu das Konzept der ex-ante-Triage und als Verschärfung die Anwendung der ex-post-Triage vorgeschlagen.
Welche Meinung vertreten Sie zur ex-ante und ex-post-Triage?
Nach welchen Kriterien sollt über knappe und damit nicht ausreichende Behandlungskapazitäten im Gesundheitswesen entschieden werden?
Sehr geehrter Herr Dr. May,
vielen Dank für Ihre Anfrage vom 04. Juni 2020.
Der Begriff der Triage entstand ursprünglich in der Militärmedizin und bezeichnet ein Verfahren, nach dem medizinische Hilfeleistungen priorisiert werden, wenn die Anzahl der Hilfebedürftigen die vorhandenen personellen oder materiellen Ressourcen übersteigt.
Ex-Ante-Triage beschreibt dabei die Situation, wenn mehr Patienten eintreffen als Behandlungsmöglichkeiten bestehen und somit auszuwählen, wer behandelt wird.
Im Gegenzug dazu wird mit dem Begriff der Ex-Post-Triage der Behandlungsabbruch zugunsten neu ankommender Patienten bezeichnet, bei denen die Erfolgsaussichten der Behandlung wahrscheinlicher sind.
Die Situation der Triage ist eine Entscheidung, die kein Mensch - weder Arzt noch Jurist oder Politiker - hofft, jemals treffen zu müssen. Wer kann und darf über die Abwertung eines Lebens zugunsten eines anderen Lebens entscheiden? Letztendlich ist es eine einsame medizinische Entscheidung, deren Verantwortung beim Handelnden liegt und von keinem anderen übernommen werden kann.
Unser Gesundheitssystem ist und muss weiterhin so aufgebaut sein, dass es jederzeit in der Lage ist, alle behandlungsbedürftigen Menschen zu versorgen. Dazu müssen Reserven an Medikamenten, Schutzausrüstungen und Medizintechnik vorgehalten werden, um für den Ernstfall gerüstet zu sein. Wichtig dabei ist auch, dass sich der Staat bei der Herstellung medizinischer Produkte nicht von anderen Staaten abhängig macht, so wie wir es jetzt erlebt haben. Problematisch in diesem Zusammenhang ist, dass geplante Operationen und Behandlungen abgesagt wurden und viele Menschen nach wie vor Arztpraxen und Krankenhäuser trotz Beschwerden nicht aufsuchen. Das kann auch als eine Form der Auswahl angesehen werden, was aber zukünftig vermieden werden muss.
Die Corona-Pandemie kann als „Übung“ für den Ernstfall betrachtet werden, aus der wir viel zu lernen haben. Rückblickend wird es notwendig werden, alle getroffenen Maßnahmen auf ihre Notwendigkeit und Angemessenheit zu bewerten, um für weitere Erkrankungen gerüstet zu sein, die sich weltweit ausbreiten werden.
Mit freundlichen Grüßen
Silva Bieser
Sekretariat
Wolfgang Wiehle, MdB