Wolfgang Schnabel
FDP
Zum Profil
Frage stellen
Die Frage-Funktion ist deaktiviert, weil Wolfgang Schnabel zur Zeit keine aktive Kandidatur hat.
Frage von Marko N. •

Frage an Wolfgang Schnabel von Marko N. bezüglich Öffentliche Finanzen, Steuern und Abgaben

Sehr geehrter Herr Schnabel,

tagtäglich liest, hört u. sieht man in den Medien, dass der Sozialstaat umgebaut werden müsse. Doch alles, was bisher geschah u. leider auch das, was man den Parteiprogrammen von CDU u. FDP entnehmen kann, bedeutet nicht etwa Umbau, sondern Abbau u. zwar auch dann, wenn man es mit so schönen Worten wie Eigenverantwortung umschreibt. "Man könne nicht mehr aus dem Vollen schöpfen und stets nur das ausgeben, was man auch einnimmt". Das klingt auch für die dümmsten Wähler logisch (mit Ausnahme der über allen schwebenden, schlauen Bayern).

Ihre Partei u. damit auch Sie, verfechten die neoliberale Angebotsökonomie. Das kann man dem Parteiprogramm u. zum Teil auch Ihren hier veröffentlichten Aussagen entnehmen. Zu dieser Ideologie hat der frühere Arbeitsminister Herbert Ehrenberg für den Zeitraum 1992 - 1997 wie folgt Bilanz gezogen. Bei einem Wachstum des Bruttoinlandprodukts um (nominal) 17,7% waren folgende Anstiege zu verzeichnen: Lohn- u. Gehaltssumme brutto um 7,5 u. netto um 3,2%, Einkommen aus Unternehmertätigkeit u. Vermögen brutto um 31,1 u. netto um 42,0% (nicht etwa umgekehrt!) u. privates Geldvermögen um 48,1%. Zur gleichen Zeit ging die Zahl der beschäftigten Arbeitnehmer um 6,5% zurück. Die Zahl der gemeldeten Arbeitslosen erhöhte sich um 1,4 Millionen. Dabei gingen 1,1 Millionen Arbeitnehmer wegen Arbeitslosigkeit vorzeitig in Rente.

In den ersten Monaten der rot-grünen Regierung versuchte diese (mit Oskar Lafontaine) ihre Wahlversprechen zu halten. Der Anstieg der Reallöhne, die Wiedereinführung der Lohnfortzahlung u. des vollen Krankengeldes stärkten die Kaufkraft. Aktive Arbeitsmarktpolitik wurde forciert, die öffentlichen Investitionen erhöhten sich um 4,2%. Dabei ging die Arbeitslosenzahl auf 3,9 Millionen zurück.

Dieser kurze Versuch der kombinierten Angebots- u. Nachfrageökonomie wurde dann unter Eichel zugunsten einer (auch von der FDP vertretenen) reinen Angebotsökonomie abgebrochen. Die Steuern für Unternehmen wurden weiter gesenkt. Die Steuereinnahmen brachen weg, Eichel sparte u. der Staat konnte nur noch wenige Investitionen tätigen. Das verschärfte die stagnierende Tendenz der Wirtschaft. Mit diesen Maßnahmen sank das Wirtschaftswachstum im Jahr 2000 auf 2,9%, im Jahr 2001 auf 0,6%, im Jahr 2002 auf 0,2% u. 0,3% im Jahr 2003.

Die vorgenannten Zahlen sind kein Hirngespinnst meines "Sozialhirns". Es sind Fakten, die Sie beim Bundesamt für Statistik bestätigt finden werden. Insgesamt ein miserables Ergebnis einer neuerlichen Hinwendung zum neoliberalen Glaubensbekenntnis.

Nun meine Frage, Herr Schnabel: Was um alles in der Welt bringt die FDP dazu, bei diesen Fakten daran zu glauben, dass eine weitere Steigerung der neoliberalen Dosis, ein weiteres Mehr an hire and fire, ein weiteres Mehr an Niedriglöhnen, ein weiteres Plus an Eigenverantwortung u. damit Minus an Sozialstaat u. Mehrausgaben für Arbeitnehmer, eine weitere Befreiung der Märkte u. damit Beschneidung der Arbeitnehmerrechte und Bruttoeinkommen, Deutschland noch zum Erfolg führen könnte?

Versuchen Sie doch einmal, mich von dem neoliberalen Weg mit Fakten zu überzeugen (anders als es das FDP-Programm vermag).

Mit freundlichen Grüßen
Marko Neuwirth

Antwort von
FDP

Sehr geehrter Herr Neuwirth,

Mit großem Interesse habe ich Ihre Begleitinformationen zu der Frage gelesen. Dem Tenor Ihres Schreibens entnehme ich, daß Sie ein wohl gebundener - zumindest sehr überzeugter -Anhänger einer "sozialen" Partei oder auch einer Gewerkschaft sind. Ich schätze es, wenn Bürgerinnen und Bürger sich so interessieren bzw. engagieren. Ich werde mich also nicht darauf konzentrieren, Sie zu "überzeugen". Denn die Vorschläge der FDP sind Ihnen ja von vornherein ein Graus.

Einige sachliche Hinweise meinerseits: Von "aktiver Arbeitsmarktpolitik" halte ich - mit sehr vielen Fachleuten in allen Parteien - überhaupt nichts. Sie führt zu Strohfeuer, das schnell wieder ausgeht, und v.a. zu einer weiter zunehmenden Verschuldung. Die jetzige ist schon ohne Beispiel. Es wäre schäbig, sich auf Kosten der nächsten Generation vor notwendigen Strukturreformen, die auch die abgetretene Regierung nach langem stop and go eingeschlagen hat, zu drücken. So wie Sie, könnte ich ja auch auf historische Beispiele verweisen -z. B. die ausgesprochen neoliberale Politik eines Ludwig Erhard, die ja ohne Zweifel ihren Verifikationstest bestanden hat, was man bisher noch von keinem "sozialistischen" Modell behaupten kann - ,aber wir leben heute und müssen die Folgen eines ungeahnt schwerwiegenden Einflusses der Globalisierung aufarbeiten. Da Sie ja offensichtlich auf meiner homepage nachgelesen haben: ja, ich bin fest davon überzeugt, daß wir unseren Standard in allen Lebensbereichen nur werden halten können, wenn wir uns zu drastischen Reformen entschließen, die Chinesen und Inder werden nicht warten, bis wir die für uns offensichtlich wichtigste Frage, die der sozialen Gerechtigkeit - von besserer Wettbewerbsfähigkeit redet keiner mehr -, gelöst haben. Es sollte Ihnen zu denken geben, daß Deutschland überall letzte Plätze einnimmt hinter europäische Staaten, die genau Reformen,in dem Sinne durchgeführt haben, den Sie beklagen. Die Iren sind ein schlagendes Beispiel. Eine Erhöhung der Steuern (Mehrwert) wäre kontraproduktiv, sie schadete dem lange geforderten Binnenkonsum und auch gerade den Schwächsten, die ihr Geld für Konsum ausgeben müssen. Bitte machen Sie mich nicht verantwortlich für eine schlechte Unternehmensbesteuerungspolitik der abgetretenen Regierung, sie wurde ja auch z.T. korrigiert.

Ich bin zudem für eine Steuerpolitik, die allen Menschen mehr Geld im Portmonnaie läßt, damit sie sich ohne staatliche Bevormundung - betrachten Sie einmal die Tatsache, daß nach einem langen Arbeitsleben der Staat über Höhe bzw. Zuwachs der Alterseinkünfte entscheidet - ihre Sicherungen selbst "einkaufen" können, in eigener Risikoabwägung, bei einer Verpflichtung allerdings zu einer Mindestabsicherung.
Ich bin für eine Stärkung der Arbeitnehmerrechte, weil ich einer Tarifpolitik, die den Problemen vor Ort den Vorrang gibt - also den örtlichen Betriebsräten -, sie stärkt die Unternehmen, die so schneller auf den Markt reagieren können.

Dies sollen nur einige Anmerkungen zu Ihrem Schreiben sein. Eine weitläufige Diskussion aller Ihrer Hinweise kann nur in einer eventuellen Gesprächsrunde stattfinden, nicht aber über dieses Medium. So sehr ich ich mich über Ihr Interesse gefreut habe, ich muß auch noch anderen Interessierten auf diesem Wege antworten.

Mit freundlichem Gruß,
Ihr Wolfgang Schnabel