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Frage von Peter S. •

Frage an Wolfgang Schäuble von Peter S. bezüglich Recht

Sehr geehrter Dr. Schäuble,

ich bin über folgende Aussage von Ihnen an Herrn Schwarz gestolpert, als er sich besorgt über die zunehmenden Befugnisse unseres Staates gegenüber seinen Bürgern äußerte:
Zitat:
"Deshalb ist ein Denken, das in dem Staat die größte Bedrohung für den Bürger sieht und in allen möglichen staatlichen Maßnahmen eine Gängelung oder gar eine Verschwörung wittert, eine nicht zu rechtfertigende Diffamierung unseres bewährten demokratischen Rechtsstaats...."

Wir lernen alle in der Schule, wie wichtig es ist, die Geschichte wach zu halten. Zeigt nicht gerade die jüngste deutsche Geschichte in 2 Fällen, dass eine Bedrohung des Volkes durch den Staat auch tatsächlich stattfinden kann? Immerhin ist das 3. Reich größtenteils legitim nach rechtsstaatlichen Prinzipien entstanden, die sich schleichend veränderten und am Ende einen Willkürstaat ermöglichten.
So kann man heute Schritt für Schritt Befügnisse schaffen für zukünftige Regierungen, die wir heute noch nicht abschätzen und nicht mehr zurückholen können. Ich zumindet kann mir heute nicht vorstellen, welche Parteienlanschaft wir z.B. im Jahr 2040 haben werden, und welche Personen dann die Regierung stellen werden.
Wir haben in den USA z.B. unter G.W. Bush gesehen, dass auch ein demokratischer Rechtsstaat oft der Versuchung verfällt, mit Folter, Folterlagern, Entführungen und Abschaffung von Bürgerrechten gegen rechtstaatliche Prinzipien und internationale Bürgerrrechte zu verstoßen. Wenn sich das über mehrere Regierungsperioden verstärkt, dann vom ursprünglichen Ansatz u.U. nicht mehr viel übrig bleiben.

In der Schule wurden wir erzogen, die Geschichte wachzuhalten, damit sie sich nicht wiederholen kann, denn schließlich ist der Staat die Institution, die die größte Macht über den Bürger ausüben kann.
Ich lese aus dem obigen Zitat von Ihnen aber das genau das Gegenteil heraus, dass nämlich der Bürger nicht mehr hinterfragen soll.

Wie soll ich mir das erklären?

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Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr Steinbach,

die Wachsamkeit zur Bewahrung der Demokratie, die Sie - wie viele andere - in der Schule gelernt haben und für deren Bewahrung Sie eintreten, habe ich mitnichten in Frage gestellt. Sie ist von elementarer Bedeutung für unser Gemeinwesen, um sicherzustellen, dass sich eine Entwicklung wie zu Zeiten der Weimarer Republik mit der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten nie wiederholt. Gerade deshalb habe ich jüngst den Verein "Heimattreue Deutsche Jugend" verboten, damit nicht Rattenfänger unsere Kinder mit rechtsextremistischem Gedankengut unter dem Deckmantel netter Freizeitbeschäftigungen vergiften.

Wir leben in einer wachsamen Demokratie und haben mit dem Grundgesetz seit nunmehr 60 Jahren eine Verfassung auf die wir stolz sein können. Sie stellt die Menschenwürde und Grundrechten allem voran und setzt dem Staat klare Grenzen in seiner Gewaltausübung. Ein Eingriff in diese Grundrechte bedingt immer ein Gesetz und jeder kann sich vor einem unabhängigen Gericht gegen jeden Hoheitsakt zur Wehr setzen, durch den er sich in seinen Rechten verletzt sieht.

Für die Wahrung dieser Verfassungsordnung des Grundgesetzes setze ich mich - wie die der allergrößte Teil der Repräsentanten unseres Staates - jeden Tag ein, weil wir aus der Geschichte gelernt haben. Wir leben in einem Rechtsstaat und einer gefestigten Demokratie. Deshalb können wir diesem Staat und seinen Organen vertrauen.

Die oft wiederholte Behauptung, man wolle einen Überwachungsstaat errichten, geht völlig an der Wirklichkeit vorbei. Die Aufgeregtheit mit der beispielsweise die Möglichkeit der Durchführung einer Onlinedurchsuchung durch das Bundeskriminalamt ausschließlich zur Terrorismusbekämpfung oder andere notwendige Anpassungen der gesetzlichen Grundlagen im Sicherheitsbereich in letzter Zeit diskutiert wurde, hat mich teilweise betrübt. Die tatsächliche Bedrohung für die innere Sicherheit geht von Kriminellen, Extremisten und Terroristen und nicht vom Staat aus. Alles andere stellt die Dinge doch auf den Kopf.

Damit ist nicht gesagt, dass wir als mündige Bürger Feinden unserer freiheitlich demokratischen Grundordnung nicht weiterhin wachsam entgegentreten müssen. Im Jahr 2009 die Feinde innerhalb dieses Staates zu suchen, bleibt jedoch absurd.

Mit freundlichen Grüßen
Dr. Wolfgang Schäuble