Frage an Wolfgang Schäuble von Jan W. bezüglich Jugend
Sehr geehrter Herr Dr. Schäuble,
was genau sind "Killerspiele"? Gibt es eine klare Definition dazu oder ist der Begriff "Killerspiel" ein politischer, dessen Bedeutung je nach Belieben verengt oder erweitert werden kann? Sind "Killerspiele" jene, die Gewalt besonders realistisch und explizit darstellen? Wenn solche sehr realen Gewaltdarstellung zu verurteilen sind, weil sie die soziale Kompetenz unserer Jugend einschränken, warum ist es für Sie und Ihre
christliche Partei dann völlig legitim, wenn deutsche Soldaten etwa bei Natoeinsätzen ähnliche Methoden real anwenden, um die Interessen unseres Landes durchzusetzen? Die zivilen Opfer solcher Einsätze werden ja bekanntlich nicht mehr Menschen genannt, sondern Kollateralschäden. Es gibt zum Beispiel auch durchaus westliche Streitmächte, die Egoshooter verwenden, um neue Rekruten anzuwerben. Dafür sind "Killerspiele" dann wieder nützlich.
Was werden Sie machen, wenn "Killerspiele" verboten worden sind und trotzdem Amokläufer deutsche Schulen unsicher machen?
Was wird dann als nächstes verboten? Heavy Metal-Musik? Horrorfilme? Mit Erschrecken wird aktuell auch festgestellt, dass deutsche Jugendliche wieder vermehrt zum Faschismus tendieren.
Seltsam, das habe ich schon vor mindestens 10 Jahren gemerkt.
Rein zufällig hatte ich in Rostock Lichtenhagen zu tun, ca. 10 Tage, bevor dort während des Anzündens von Asylantenheimen Würstchen verkauft wurden. Man muß sich auch heute z.B. nur mal in einer schleswigholsteinischen Kleinstadt oder einem Dorf in die dortige Kneipe oder, sofern vorhanden, das Jugenszentrum begeben, und schon ist man sehr dankbar, dass man weder lange Haare hat noch dunkle Haut. Könnte es eventuell möglich sein, dass die zunehmende Gewalt in unserer Gesellschaft ein Symptom einer grundsätzlichen Schieflage aktueller gesellschaftl. Wertorientierung ist? Einer Gesellschaft, in der Leistung über Solidarität gestellt wird, Macht, Profit und Durchsetzungsfähigkeit über Nächstenliebe?
Mit freundlichen Grüßen,
Jan Wulf
Sehr geehrter Herr Wulf,
der Begriff "Killerspiele" ist kein Rechtsbegriff, sondern eher die umgangssprachliche Beschreibung für Video- und Computerspiele mit gewalthaltigen und -verherrlichenden Inhalten. Weder im Jugendschutzgesetz, im Jugendmedienschutz-Staatsvertrag noch im Strafgesetzbuch wird der Begriff "Killerspiele" verwendet.
Das Strafgesetzbuch sieht in § 131 StGB ein absolutes Verbot von bestimmten Verbreitungshandlungen Gewalt verherrlichender Medien vor. Danach stehen die Herstellung und die Verbreitung von Gewalt verherrlichenden Schriften, worunter auch Computerspiele fallen, unter Strafe. Gemeint sind Schriften, bzw. Darstellungen die grausame oder sonst unmenschliche Gewalttätigkeiten gegen Menschen oder Menschen ähnliche Wesen in einer Art schildern, die eine Verherrlichung oder Verharmlosung solcher Gewalttätigkeiten ausdrücken oder das grausame oder unmenschliche des Vorgangs in einer die Menschenwürde verletzenden Weise darstellen. Erfasst sind auch Darstellungen von Gewalttätigkeiten gegen Menschen ähnliche Wesen sowie gezeichnete oder in Form elektronischer Spezialeffekte dargestellte Menschen. Für die Frage der Strafbarkeit im Einzelfall bedarf es der Feststellung der genannten Merkmale.
Wenngleich von Gewalthandeln bestimmte Video- und Computerspiele nicht generell und bei jedem die Gewaltbereitschaft im realen Leben fördert, gibt es dennoch eine Reihe sehr ernst zunehmender Studien, die je nach Persönlichkeit oder Umfeldbedingungen klare Risiken nachweisen. Bei aller notwendigen Differenziertheit in der Diskussion um so genannte "Killerspiele" machen zudem nur wenige Sequenzen vieler solcher Spiele deutlich, dass beispielsweise Empathie oder Toleranz durch derartige Angebote jedenfalls nicht gefördert werden. Die öffentliche Thematisierung ist darüber hinaus unverzichtbar, weil Eltern bzw. Erziehungsverantwortliche wissen sollten, was ihre Kinder und Jugendliche mit dem Computer spielen.
Dass alleine mit einem Verbot von so genannten "Killerspielen" Gewaltexzesse nicht zu verhindern ist, steht außer Frage. Gerade deshalb habe ich im Nachgang zu dem schrecklichen Geschehen in Winnenden immer wieder die gesellschaftlichen Ursachen für eine derartige Verirrung eines jungen Menschen hinterfragt. Politikfelder sind betroffen, die weit über das der Innenpolitik hinausgreifen und Fragen im Bereich frühkindlicher Entwicklung ebenso, wie bildungs- und arbeitsmarktpolitische Aspekte, soziale wie sozialräumliche Bedingungen aber auch Opfererfahrungen in unterschiedlichsten Kontexten betreffen.
Handlungserfordernisse in all diesen Politikfeldern habe ich mit meiner Kollegin, Frau Ministerin von der Leyen, im Blick, wenn wir gemeinsam sehr intensiv der Frage nachgehen, was unsere Gesellschaft zusammenhält. Uns interessieren die bindenden und bedingenden Faktoren, die ein sozialverträgliches, von Toleranz und Bereitschaft zur Verantwortungsübernahme bestimmtes gesellschaftliches Miteinander ausmachen bzw. fördern. Dabei geht es um mehr als nur ereignisveranlasste Reaktionen und Präventionsprojekte, sondern um Initiativen und Angebote, die auf Nachhaltigkeit ausgerichtet sind. Dies schließt selbstverständlich eine eingehende Auseinandersetzung mit Werten und sozialen Kompetenzen ein.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Wolfgang Schäuble