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Frage von Ludwig K. •

Frage an Wolfgang Schäuble von Ludwig K. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Dr. Schäuble,

in etlichen Antworten berufen Sie sich auf die Gewaltenteilung, wie sie im GG Artikel 20 Abs. 3 bestimmt wird.

Wie beurteilen Sie nun in der Praxis die Gewaltenteilung, wenn Minister gleichzeitig Abgeordnete sind? Hier wird Artikel 20 Abs.3 missachtet!! Niemand regt sich mehr darüber auf.

Es gibt aber auch noch den Artikel 66 des GG, der Ministern verbietet, ein besoldetes Amt, ein Gewerbe oder einen Beruf auszuüben. Auch dies wird missachtet!!

Was soll ich als Bürger davon halten, wenn unser Innenminister, der Hüter und Wächter der Gesetze selbst elementare Grundsätze des Grundgesetzes mit Füßen tritt?

Ich bin interessiert auf Ihre Antworten.

Mit freundlichen Grüßen,
Dr. Koller

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr Dr. Koller,

nach längerer Diskussion in der verfassungsrechtlichen Literatur ist heute anerkannt und es entspricht auch der üblichen Praxis, dass Mitglieder der Bundesregierung zugleich ein Bundestagsmandat innehaben können.

Der in Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG verankerte Gewaltenteilungsgrundsatz ist ein zentrales Organisations- und Funktionsprinzip unserer Verfassung. Die Bedeutung dieses Grundsatzes liegt in der politischen Machtverteilung, dem Ineinandergreifen der drei Gewalten und der daraus resultierenden Mäßigung der Staatsherrschaft. Keine Gewalt darf ein verfassungsrechtlich nicht vorgesehenes Übergewicht über die anderen erhalten, und keine Gewalt darf der für die Erfüllung ihrer Aufgaben notwendigen Zuständigkeiten beraubt werden. Gleichwohl steht Art. 20 Abs.2. S.2 GG nicht den zahlreichen Gewaltenverschränkungen und -balancierungen entgegen, die das Grundgesetz eben auch kennt.

Ebensowenig verbietet die von Ihnen angeführte Vorschrift des Art. 66 GG eine Verbindung von Regierungsamt und Bundestagsmandat. Zweck dieser Regelung ist die Gewährleistung einer unabhängigen Amtsführung der Regierungsmitglieder. Es soll sichergestellt werden, dass der Bundeskanzler und die Bundesminister ihre ganze Arbeitskraft dem entsprechenden Amt widmen. Dieses Tätigkeitsverbot dient der Vermeidung von Interessen- und Pflichtenkollisionen. Art. 66 GG beinhaltet nur das Verbot einer privaten Erwerbstätigkeit, um eine Trennung wirtschaftlicher Interessen von der Regierungstätigkeit sicherzustellen. Das in dieser Vorschrift erwähnte "besoldete Amt" bezieht sich auf öffentliche Ämter, d.h. Ämter bei einer juristischen Person des öffentlichen Rechts, z.B. Beamte, Richter, Soldaten. Verfassungsämter im Bund und in den Ländern werden hiervon allerdings nicht erfasst, so dass Art. 66 GG nicht die Tätigkeit als Bundestagsabgeordneter betrifft.

Auch der Grundsatz der Gewaltenteilung gebietet keine Trennung von Regierungsamt und Bundestagsmandat. Insoweit ist - wie bereits ausgeführt - zu beachten, dass das Grundgesetz kein ausdrückliches Gebot der Gewaltentrennung enthält, sondern jede einzelne Gewalt in ihrem Kernbereich vor Übergriffen durch eine andere schützt. Im parteienstaatlichen Charakter unserer demokratischen Ordnung bezieht sich eine funktional verstandene Gewaltenteilung primär auf das Verhältnis zwischen Regierungsmehrheit und Opposition und weniger auf Parlament und Regierung. Die Regierung übt ihre Funktion gemeinsam mit den sie tragenden Fraktionen aus. Die Regierungsmitglieder bedürfen daher regelmäßig eines politischen Rückhalts, den sie in ihrer entsprechenden Bundestagsfraktion finden.

Mit freundlichen Grüßen
Dr. Wolfgang Schäuble, MdB