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Frage von Kurt F. •

Frage an Wolfgang Schäuble von Kurt F. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Werter Herr Schäuble,

gerade lese ich die Frage des Herrn Euler, der sich nicht mehr traut, bestimmte Informationen im Internet abzurufen. Auch mir geht es inzwischen so, zumal hinlänglich bekannt ist, daß die Ermittlungsbehörden ziemlich schnell und oft sogar wegen Bagetellangelegenheiten Hausdurchsuchungen vornehmen. So wurden beispielsweise bei Aquarianern Hausdurchsuchungen durchgeführt, weil sie im Internet Chemikalien bestellt hatten.

http://www.heise.de/tp/r4/artikel/28/28448/1.html

Aufgrund der Vorratsdatenspeicherung vermeide ich auch jede elektronische Kommuikation die den Behörden in irgendeiner Weise verdächtig erscheinen könnte. Überhaupt verhalte ich mich aufgrund der ständigen Überwachung möglichst unauffällig, was zuweilen sehr anstrengend ist, weil ich einfach nicht mehr ich selbst bin.

Die Frage des Herrn Euler zeigt Ihnen überdeutlich, daß die Einschränkung der Freiheit nicht erst durch die konkrete Anwendung Ihrer Sicherheits- und Überwachungsgesetze erfolgt, sondern schon durch die bloße Existenz derselben. Beispielsweise muß bei mir nicht wirklich eine Online-Durchsuchung stattfinden. Alleine die Tatsache, daß sich der Staat grundsätzlich das Recht herausnimmt, heimlich meinen Computer zu durchsuchen, ändert schon mein Verhalten im Umgang mit dem Rechner, weil mein Vertrauen dahin ist.

Finden Sie es in Ordnung, daß durch die ständig zunehmende Überwachung die Menschen derart eingeschüchtert werden, daß Sie sich nicht mehr normal verhalten? Oder ist gerade diese Einschüchterung das eigentliche Ziel Ihrer Politik? Geht es Ihnen wirklich nur um den Terrorsimus? Und welchen Terrorismus meinen Sie eigentlich, so dringend bekämpfen zu müssen, daß Ihnen die massenhafte Einschüchterung der gesamten Bevölkerung verhältnismäßig erscheint? Haben Sie sich schon mal überlegt, wieviele Menschen durch Ihre Überwachungsgesetze in Ihrer Freiheit eingeschränkt werden (82 Mio) und wieviele Terroropfer (0) dem gegenüberstehen?

Kurt Felgendreher

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr Felgendreher,

insgesamt erscheint mir die öffentliche Darstellung bestimmter Maßnahmen - insbesondere im Bereich der Terrorismusbekämpfung - und zuweilen auch deren Wahrnehmung völlig verzerrt. So geben Sie an, Sie fühlten sich durch die Möglichkeit der Onlinedurchsuchung bereits persönlich betroffen. Abgesehen davon, dass auf Bundesebene diese Möglichkeit erst mit der Änderung des BKA-Gesetzes gesetzlich geschaffen werden soll, erscheint das doch verwunderlich. Das BKA geht davon aus, dass zur Abwehr des islamistischen Terrorismus - und nur zu diesem Zweck wäre dies zulässig - bundesweit etwa mit fünf bis zehn Onlinedurchsuchungen im Jahr gerechnet werden muss. Durch diese gesetzliche Möglichkeit werden doch nicht über 80% der deutschen Haushalte, in denen ein Computer steht, unter Generalverdacht gestellt. Hier geht es doch nur um eine Anpassung der polizeilichen Mittel an die moderne Kommunikationstechnologie für einen Eingriff im Einzelfall.

Hausdurchsuchungen, Observationen oder Telefonüberwachungen gehören schon seit jeher zum normalen polizeilichen Repertoire. Auch diese Maßnahmen können nur nach strengen gesetzlichen Voraussetzungen bei einem konkreten Verdachtsfall ergriffen werden und unterliegen immer der richterlichen Kontrolle. Ich hoffe, dass Sie sich dadurch in der Vergangenheit nicht in Ihrem alltäglichen Leben haben beeinflussen lassen.

Weder vor noch nach dem Inkrafttreten des BKA-Gesetzes besteht irgendeine Veranlassung, an einer freiheitlichen Lebensführung in unserem demokratischen Rechtsstaat irgendetwas zu verändern.

Mit freundlichen Grüßen
Dr. Wolfgang Schäuble