Frage an Wolfgang Schäuble von Fabian R. bezüglich Finanzen
Sehr geehrter Herr Minister,
als Angestellter mit einer zu erwartenden Altersrente von € 1200 bin ich überrascht/empört über die Rentenansprüche von Beamten und deren Berechnung: bereits nach wenigen Jahren hat ein Beamter den gleichen Anspruch, den ich nach einem ganzen Arbeitsleben habe; die Höhe der Rente bemisst sich nach den letzten paar Berufsjahren, in denen der Beamte am besten verdient, wohingegen meine Rente das gesamte Berufsleben einbezieht; die Höhe von über 70% des letzten Nettogehaltes ist im Vergleich zu meinem Rentenniveau sehr großzügig bemessen ...). Was spricht gegen eine mittelfristige Angleichung des Rentenniveaus zwischen Rentnern und Pensionären? Es war doch auch möglich, das Rentenniveau radikal zu senken. Ich bin mir bewußt, daß die Finanzierung der Rente bei beiden Berufsgruppen unterschiedlich erfolgt, aber wenn ein Beamter weiß, daß er 20, 30 oder 40 Jahre Zeit hat, neben einer geringeren Pension privat vorzusorgen, dann steht es ihm ja frei, daß zu tun. Wir Angestellte haben ja auch keine andere Wahl und da Beamte nicht in die Sozialversicherung einbezahlen, haben Sie (trotz durchschnittlich geringerem Bruttoentgelt) netto mehr übrig als Angestellte.
In Erwartung Ihrer Meinung hierzu verbleibe ich
Mit freundlichen Grüssen
Fabian Roolf
Sehr geehrter Herr Roolf,
bei der gesetzlichen Rentenversicherung und der Beamtenversorgung handelt es sich um Alterssicherungssysteme, die historisch gewachsen sind und in ihren Anspruchsvoraussetzungen und ihrer Ausgestaltung deutliche Unterschiede aufweisen. Beide Alterssicherungssysteme sind daher – auch in ihren Zielsetzungen - nur bedingt miteinander vergleichbar. Während die gesetzliche Rente die Funktion einer Regelsicherung erfüllt, die bei den Tarifbeschäftigten im öffentlichen Dienst sowie bei einem Großteil der in der privaten Wirtschaft Beschäftigten von einer betrieblichen Altersrente als Zusatzsicherung ergänzt wird, erfüllt die Beamtenversorgung die Funktion einer Regel- und Zusatzsicherung. Bereits aus diesem Grund ist die Beamtenversorgung hinsichtlich der Höhe der Leistungen nicht mit dem System der gesetzlichen Rentenversicherung vergleichbar.
Die Beamtenversorgung folgt auch verfassungsrechtlich einem anderen Prinzip als das System der gesetzlichen Rentenversicherung. Sowohl die Besoldung der aktiven Beamtinnen und Beamten als auch deren Versorgung sind in dem grundsätzlich auf Lebenszeit angelegten Beamtenverhältnis begründet und stellen die Gegenleistung des Dienstherrn für die von den Beamtinnen und Beamten im Rahmen ihres besonderen öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnisses zu leistenden Dienste dar. Der Dienstherr ist danach verpflichtet, den Beamtinnen und Beamten eine amtsangemessene Lebenshaltung für die Zeit nach dem Ausscheiden aus dem aktiven Dienst entsprechend dem zuletzt innegehabten Amt zu garantieren. Der Höchstruhegehaltssatz von (demnächst) 71,75 % der ruhegehaltfähigen Dienstbezüge – nicht der letzten Nettobezüge – wird nach 40 ruhegehaltfähigen Dienstjahren erreicht.
Das Bundesverfassungsgericht hat mehrfach entschieden, dass diese Regelungssystematik eine zwingende Folge von Artikel 33 Abs. 5 des Grundgesetzes ist. Eine Bemessung der Beamtenversorgung nach den in der gesetzlichen Rentenversicherung geltenden Grundsätzen wäre danach verfassungsrechtlich unzulässig.
Unabhängig von den Unterschieden zwischen beiden Alterssicherungssystemen zeigen die Versorgungsberichte der Bundesregierung, dass die Beamtenversorgung ebenso wie die gesetzliche Rentenversicherung von den Auswirkungen des demographischen Wandels in unserer Gesellschaft tiefgreifend betroffen ist. In beiden Alterssicherungssystemen ist die Finanzierung der Altersversorgung auf eine langfristig sichere Grundlage zu stellen, damit sich die Menschen auf einen gesicherten Lebensunterhalt im Alter einstellen können. Bereits seit Anfang der 1990er Jahre werden daher die Reformen der Alterssicherungssysteme stets im Gleichklang vorgenommen. Maßnahmen der gesetzlichen Rentenversicherung wurden wirkungsgleich auf die Beamtenversorgung übertragen, soweit nicht grundlegende Unterschiede zwischen beiden Alterssicherungssystemen dem entgegenstehen. Insgesamt sind dabei bereits umfassende Maßnahmen zur Kostendämpfung getroffen worden, die zu einer erheblichen Entlastung der öffentlichen Haushalte geführt haben. Die Reformmaßnahmen der Beamtenversorgung haben notgedrungen – wie in der Rente – zu Absenkungen des Versorgungsniveaus geführt.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Wolfgang Schäuble