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Frage von Ulrich P. •

Frage an Wolfgang Schäuble von Ulrich P. bezüglich Recht

Sehr geehrter Herr Minister,

am 27.09.08 wurden auf dem Flugplatz Köln aus einer Maschine 2 Männer festgenommen. Laut LKA Düsseldorf, Verfassungsschutz und Staatsanwaltschaft Bonn bestand der dringende Tatverdacht, dass diese Männer einen terroristischen Anschlag (Ermittler wussten wohl auch nichts konkretes) geplant haben. Alle Medien stürzten sich mehrere Tage auf diese neue Gefährdungslage. Jetzt lese ich, dass der Haftbefehl aufgehoben wurde wegen "zu geringer Beweise für eine Anschlagsplanung". Im Juli 2007 wurden 3 schlimme Terroristen verhaftet. Es wurde der Öffentlichkeit erzählt, dass mehrere Hundert Einsatzkräfte diese Leute 6 Monate beschattet haben und ein ganzes Arsenal von Sprengstoffen usw. beschlagnahmt wurden. Bis heute wurde noch keine Anklage erhoben. Ist auch in diesem Fall kein Nachweis für einen Anschlag zu erbringen? Es ist auffallend, dass alle paar Monate Terroristen mit viel Tamtam verhaftet werden und wenige Wochen später still und heimlich wieder entlassen werden.

Warum werden Leute verhaftet, wenn nicht genügend Beweise für eine Anklage vorliegen?
Warum werden durch solche Aktionen die Öffentlichkeit in Angst und Schrecken versetzt?
Leidet nicht die Glaubwürdigkeit der Strafverfolgungsbehörden, wenn der Öffentlichkeit vorgeführte Verbrecher wieder entlassen werden müssen?

Soll durch das aufgebaute Schreckensinszenario das Erfordernis von schärferen Gesetzen plausibel gemacht werden, welche Bürgerrechte einschränken?
Wieviel Terroristen wurden in den letzten Jahren rechtskräftig verurteilt? Damit keine Missverständnis aufkommen kann. Verbrecher (Ter- roristen sind verabscheuungswürdige Verbrecher) müssen scharf verurteilt werden. Am Besten natürlich, bevor das Verbrechen überhaupt durchgeführt wird. Prävention ist immer der beste Weg. Nur sollten solche "Erfolge" erst der Öffentlichkeit präsentiert werden, wen stichhaltige Beweise vorliegen.

Mit freundlichen Grüßen
Ulrich Parth

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr Parth,

bei dem von Ihnen geschilderten Sachverhalt der Verhaftung zweier Personen am 26. September 2008 auf dem Flughafen Köln/Bonn und der Aufhebung der Haftbefehle am 7. Oktober handelte sich um Maßnahmen des Landes Nordrhein-Westfalen. Bitte haben Sie Verständnis, dass ich in unserem föderalen Staatsaufbau zu einzelnen Exekutiv- und Strafverfolgungsmaßnahmen, die in der Zuständigkeit von Landesbehörden durchgeführt werden (hier der Staatsanwaltschaft Bonn und des Landeskriminalamtes Nordrhein-Westfalen), keine Stellung nehmen kann.

Was die Berichterstattung der Medien und die Wirkung polizeilicher Maßnahmen auf die Öffentlichkeit anlangt, möchte ich anmerken, dass sich das Verhalten der Sicherheitsbehörden nach dem jeweiligen Einzelfall richtet und auch nur danach beurteilt wird. Die Gefahrenabwehr und die Verhinderung von Anschlägen haben Priorität. In diesem Zusammenhang veranlasste Maßnahmen der Polizei, wie Verhaftungen von Verdächtigen, stehen dabei natürlich auch im Fokus von Presse und Öffentlichkeit. Entsprechende Presseresonanz beruht auf dem Bedürfnis der Öffentlichkeit auf Information - sie ist weder direkt noch indirekt der Grund polizeilichen Handelns.

Unabhängig von einzelnen Sachverhalten oder Verfahrensentscheidungen müssen wir feststellen: Deutschland steht im Fadenkreuz des islamistischen Terrorismus. Auch hier sind jihadistische Gruppierungen aktiv und rekrutieren Mitglieder für terroristische Aktionen. Deutschland ist nicht nur Rückzugs-, sondern auch Operationsgebiet terroristischer Gruppierungen. Das zeigt schon die Zahl von mindestens sieben Fällen in Deutschland verhinderter bzw. gescheiterter Anschläge. Zudem werden in der Bundesrepublik rund 230 Ermittlungsverfahren mit islamistisch-terroristischem Hintergrund geführt, und es wurden seit dem 11. September 2001 zwölf bedeutende Ermittlungs- und Strafverfahren im Bereich des islamistischen Terrorismus mit einer Verurteilung abgeschlossen. Die Warnung vor Anschlägen oder Selbstmordattentaten auch von Personen mit Deutschland-Bezug sind daher keine künstlichen "Schreckensszenarien". Das hat auch der Fall des in Süddeutschland geborenen Mannes Cüneyt Ciftci gezeigt, der dieses Frühjahr in Khost, Afghanistan, einen Suizidanschlag auf die Koalitionsstreitkräfte verübte.

Mit freundlichen Grüßen
Dr. Wolfgang Schäuble