Frage an Wolfgang Schäuble von Bernd K. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Schäuble,
gerade mit der jetzt umsich greifenden Empörung der Abgeordneten im Zuge der Datenschutzverletzungen frage ich mich:
In wie weit ist diese Empörung echt, gerade wenn man sieht wie weit bereits von staatlicher Stelle der Datenschutz eingeschränkt wurde. Ich spreche hier im besonderen von den mittlerweile fast nicht mehr existierenden Grund- und Menschenrechten wie Post- und Telekommunikationsgeheimnis.
Wie erklären sich diese zwei Maße? Und die wichtigste Frage ... Wer überwacht die Überwacher? Nachdem zur Überwachung des einfachen Bürgers mittlerweile nicht mal mehr ein Gerichtsbeschluß notwendig ist?
Sehr geehrter Herr Kasperidus,
über die jüngst bekanntgewordenen Fälle des Missbrauchs von Daten durch Private bin ich besorgt. Ich hatte daher die zuständigen Ministerien und Aufsichtsbehörden des Bundes und der Länder zu einer Besprechung am 4. September 2008 eingeladen. Dort haben wir erörtert, wie das gemeinsame Interesse der Bundesregierung, der Datenschutzaufsichtsbehörden und der Länder, an einem hohen Datenschutzniveau im privaten, so genannten nichtöffentlichen Bereich verwirklicht werden kann. Wir haben eine ganze Reihe von Vorschlägen gemacht, über die in den Medien ausführlich berichtet wurde.
Der bekannt gewordene Missbrauch im nichtöffentlichen Bereich beim Handel mit personenbezogenen Daten hat verdeutlicht, dass die bislang geführte Datenschutzdiskussion über staatliche Befugnisse zur Bekämpfung des Terrorismus offenbar etwas an der eigentlichen Gefahr für das Recht der Bürgerinnen und Bürger auf informationelle Selbstbestimmung vorbeigeht. Denn die von Ihnen angesprochenen Eingriffe in das Post- und Fernmeldegeheimnis durch staatliche Stellen sind regelmäßig nur unter sehr engen Voraussetzungen und strenger Kontrolle möglich.
So hat mein Haus den Entwurf eines Gesetzes zur Abwehr von Gefahren des internationalen Terrorismus durch das Bundeskriminalamt erarbeitet, der am 4. Juni 2008 vom Bundeskabinett verabschiedet wurde und sich zur Zeit in der parlamentarischen Beratung befindet. Die darin für das Bundeskriminalamt enthaltene Befugnis zur Überwachung der Telekommunikation darf nur bei Vorliegen einer schweren Gefahr für hochrangige Rechtsgüter zum Einsatz kommen und muss, dies betone ich, durch ein Gericht angeordnet werden. Die in dem Gesetzentwurf enthaltenen Pflichten zur Benachrichtigung nach Beendigung der Maßnahme stellt zudem sicher, dass der jeweils Betroffene diese Maßnahme gerichtlich überprüfen kann. Ähnlich verhält es sich mit anderen eingriffsintensiven Maßnahmen. Auch diese sind regelmäßig durch ein Gericht anzuordnen und kommen nur in ganz bestimmten Fällen zum Einsatz. In derartigen Fällen, das heißt, wenn eine Gefährdung hochrangiger Rechtsgüter durch den internationalen Terrorismus besteht, sind diese Maßnahmen aber auch erforderlich, um den Schutz der Menschen vor solchen Gefahren sicherzustellen.
Wir haben also zwei Datenschutzdiskussionen, die wenig miteinander zu tun haben. Einmal die im öffentlichen Bereich, wo es um staatliche Befugnisse geht und Daten aufgrund von Gesetzen unter strengen Voraussetzungen durch staatliche Stellen erhoben und in einigen, zu begründenden Fällen abgerufen werden dürfen, wobei regelmäßig richterliche Kontrolle zu gewährleisten ist. Darüber hinaus haben wir die Diskussion im nicht-öffentlichen Bereich, wo augenscheinlich ohne Wissen der Betroffenen sorglos und gesetzwidrig mit tausenden persönlichen Angaben Handel und Mißbrauch getrieben wird.
Ich bin immer auch gerne bereit, über den Datenschutz im öffentlichen Bereich zu sprechen, der sich in den meisten Fällen auf zumindest Tatverdächtige bezieht. Allerdings schätze ich die Gefahr eines Mißbrauchs von Daten von vielen unbescholtenen Menschen durch Private wesentlich größer ein.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr
Dr. Wolfgang Schäuble