Frage an Wolfgang Schäuble von Andreas W. bezüglich Innere Sicherheit
Sehr geehrter Herr Dr. Schäuble,
ich bin ernsthaft dabei meine berufliche Karriere aufs Spiel zu setzen. Der Grund: Ich benötige berufsbedingt einen neuen Reisepass. Der Ausstellung eines neuen Reisepasses geht die erkennungsdienstliche Behandlung mittels biometrisch auswertbarem Foto und Abgabe von Fingerabdrücken voraus. Ich empfinde dieses als eine gravierende Verletzung meiner im Grundgesetz verankerten Grundrechte, zum Beispiel in Artikel 1 (Würde des Menschen) und Artikel 12 (freie Berufswahl). Sie argumentieren, wie bei vielen anderen Themen, mit dem "Schutz der Bürger vor Terrorismus" und "verbesserter Sicherheit". Ich sehe mich mit der erzwungenen Abgabe der Fingerabdrücke unter Generalverdacht gestellt. Sie können nicht gewährleisten, daß Fingerabdrücke, die an einem Tatort gefunden werden, tatsächlich von dem stammen, dem sie gehören. Sie können nicht gewährleisten, daß im Ausland ausgelesene Fingerabdrücke nicht gespeichert und anderweitig zum Nachteil für den Betroffenen verwendet werden. Sie können nicht gewährleisten, daß man aufgrund eines Fehlers der gespeicherten Daten oder deren Auswertung bei der Einreise, etwa in die USA, vom Immigration Officer auf unbestimmte Zeit festgehalten oder sogar verhaftet wird.
Für mich steht die Entscheidung an, den Beruf mit entsprechenden Geschäftsreisen außerhalb der EU fortzuführen oder meine Menschenwürde zu behalten.
Wie können Sie diese Bedenken ausräumen und wie ist Ihre Haltung zum Artikel 1 des Grundgesetzes?
Freundlichen Gruß,
Andreas Werner
Sehr geehrter Herr Werner,
die von Ihnen geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken hinsichtlich der Speicherung von biometrischen Daten im Chip des neuen Reisepasses kann ich nicht teilen.
Insbesondere vermag ich nicht zu erkennen, warum Sie dadurch unter Generalverdacht gestellt werden sollten. Die Kriminaltechnik ist in den meisten Fällen durchaus in der Lage, Fingerabdrücke, die an einem Tatort gefunden werden, im Rahmen der Spurenauswertung einer Person zuzuordnen, wenn dazu ein Referenzdatensatz besteht. Im Falle der Fingerabdruckdaten im Reisepass erfolgt hingegen kein Abgleich mit einer Datenbank, die Referenzdaten enthält. Deshalb steht die von Ihnen geäußerte Vermutung in keinem Zusammenhang mit der Erfassung von Fingerabdruckdaten im elektronischen Reisepass (ePass).
Vielmehr werden biometrische Verfahren inzwischen von zahlreichen Ländern weltweit für Sicherheitszwecke eingesetzt, d.h. auch zu Ihrer Sicherheit im Reiseverkehr. Die Mitgliedstaaten der Europäischen Union haben sich nach den Anschlägen des 11. September 2001 auf die Einführung der Biometrie bei Pässen, Visa und Aufenthaltstiteln verständigt.
In Deutschland wurde der ePass im November 2005 eingeführt und zunächst das Passfoto als biometrisches Merkmal im Chip gespeichert. Seit 1. November 2007 werden in elektronischen Pässen zusätzlich zwei Fingerabdrücke gespeichert. Die im Chip gespeicherten Daten dürfen gemäß Passgesetz nur zum Zwecke der Überprüfung der Echtheit des Dokuments oder der Identität des Passinhabers ausgelesen und verwendet werden. Wenn Sie an der Grenzkontrolle eines ausländischen Staates ihren ePass abgeben, können die Beamten auf die im Chip gespeicherten Textdaten und das Passfoto zugreifen, soweit sie über entsprechende Lesegeräte verfügen. Ohne Aushändigung des ePasses durch Sie ist der Zugriff auf die Daten im Chip nicht möglich.
Für das Auslesen der Fingerabdrücke benötigen ausländische Staaten darüber hinaus eine ausdrückliche Berechtigung. Deutschland entscheidet im Einzelfall, welches Land zum Auslesen der Fingerabdrücke aus dem deutschen Reisepass ermächtigt werden soll. Neben der rechtlichen Gewähr, dass ein unbefugter Zugriff auf die Daten im Chip ausgeschlossen wird, gibt es darüber hinaus auch technische Mechanismen für den Zugriffschutz auf die Daten im Chip. Diese sind EU-weit verbindlich festgelegt.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr
Dr. Wolfgang Schäuble