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Frage von Jörg P. •

Frage an Wolfgang Schäuble von Jörg P. bezüglich Innere Sicherheit

Sehr geehrter Herr Schäuble,

laut statistischem Bundesamt hatten wir in Deutschland 2006 folgende Todesursachen zu verzeichen:

- Tote durch Herz-Kreislauf-Krankheiten, überwiegend durch falsche Ernährung, mangelnde Bewegung und Rauchen: 358.953
Wird unsportlichkeit deswegen gesetzlich bekämpft?

- Tote durch Krebs, überwiegend durch Rauchen: 217.095
Wird Rauchen deswegen gesetzlich verboten?

- Tote durch Atemwegserkrankungen, überwiegend durch Rauchen und Feinstaub: 54.888
Werden Feinstaubfilter flächendeckend, auch für LKW und Hausfeuerungsanlagen vorgeschrieben?

- Tote durch Krankheiten des Verdauungssystems, überwiegend durch falsche Ernährung, Alkohol, Giftstoffe in der Nahrung: 42.973
Wird falsche Ernährung deswegen gesetzlich verboten?

- Tote durch Parasitäre Krankheiten, zu einem erheblichen Teil eingeschleppt durch den internationalen Flugverkehr: 12.354
Werden Interkontinentalflüge deswegen verboten?

- Tote im Straßenverkehr (2007): 4970
Wird Autofahren deswegen verboten?

...die Liste ließe sich beliebig fortsetzen.

- Tote durch Terroranschläge: 0.

Aber was wir am dringendsten brauchen ist die Überwachung des Bürgers auf Schritt und Tritt, damit wir (noch?) weniger Tote durch die bösen Terroristen haben.

Meine Frage: Wäre es nicht sinnvoller, erstmal die - nachgewiesen - stärksten Todesursachen zu bekämpfen, bevor man versucht, die Zahl der Terroropfer mit gigantischem finaziellen und personellen Aufwand auf unter Null zu bringen?

Wo bleibt das totale Alkoholverbot? Wo die flächendeckende Ächtung von Tabakwaren? Wo bleibt das totale Fahrverbot? Wo bleibt der staatlich zugeteilte Ernährungsberater, der Tag und Nacht überwacht, daß ich mich nicht mit einer Überdosis Pommes Frites umbringe?
Haben wir denn keine dringenderen Probleme?

Oder geht es am Ende doch nicht um den Terror, sondern darum, unliebsame Strömungen in der Bevölkerung rechtzeitig zu unterdrücken?

P.S.: Schweden hat sich das Ziel gesetzt, bis 2015 die Zahl der Verkehrstoten auf Null zu reduzieren. Das wär doch was.

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Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr Petermann,

auch wenn ich mich Überlegungen der Art nicht anschließen möchte, den Umfang staatlicher Präventionsmaßnahmen von der Mortalitätsrate abhängig zu machen und damit den einzelnen Todesfällen eine höhere oder mindere Bedeutung zuzumessen, bitte ich aber doch Folgendes zu bedenken: Wie uns die seit 2001 erfolgten terroristischen Anschläge in New York und Washington, Madrid und London in erschreckender Weise vor Augen geführt haben, muss mit einer großen Zahl von Todesopfern und verletzten Personen gerechnet werden, wenn sich die Gefahr eines Terroranschlags tatsächlich realisiert.

Ich bin daher außerordentlich dankbar, dass wir in jüngerer Geschichte hier in Deutschland bisher noch keine Opfer durch terroristische Anschläge zu beklagen hatten. Unter Berücksichtigung der in den Jahren 2006 ("Kofferbomber") und 2007 ("Sauerlandattentäter") nur knapp gescheiterten Sprengstoffanschläge in Deutschland stellt dieser Umstand keine Selbstverständlichkeit dar. Insbesondere die Ermittlungserfolge im Jahr 2007 sprechen dafür, dass die im Bereich der Terrorismusbekämpfung ergriffenen Maßnahmen richtig waren und der damit verbundene, von Bund und Ländern betriebene Aufwand auch gerechtfertigt ist. Wir werden auch zukünftig ins Fadenkreuz terroristischer Anschläge geraten. Falls wir aber weiter in unserer freiheitlich demokratischen Gesellschaftsordnung leben und uns den Zielen militanter Islamisten nicht unterordnen wollen, werden wir die Anstrengungen in der Terrorismusbekämpfung weiterhin aufrechterhalten müssen.

Erlauben Sie mir Ihren Überlegungen noch einen weiteren Aspekt gegenüberzustellen: Zwischen den von Ihnen angeführten vorzeitigen Todesfällen durch Rauchen, ungesunde Ernährung oder anderen mit der allgemeinen Lebensführung verbundenen Risiken und solchen durch terroristische Anschläge besteht ein grundlegender Unterschied. Obwohl innerhalb unseres Gemeinwesens auch von staatlicher Ebene sicher Anreize und Vorschläge für eine gesunde und sportliche Lebensführung des Einzelnen gesetzt werden können und werden, ist letztlich aber doch der Einzelne in seinem Verhalten frei und eigenverantwortlich. Den gravierenden Gefahren des Terrorismus hingegen kann der Einzelne nicht selbst begegnen; hier kann nur der Staat mit seinen Einrichtungen die Bevölkerung vor Schaden bewahren. Aufgrund der sich daraus ergebenden Schutzverantwortung hat der Staat auch die Pflicht, alle ihm möglichen Maßnahmen zu ergreifen, um die bestehenden Risiken soweit wie möglich zu minimieren.

Mit freundlichen Grüßen
Ihr
Dr. Wolfgang Schäuble