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Frage von Winfried W. •

Frage an Wolfgang Schäuble von Winfried W. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Schäuble,

Sie haben heute im TV Ihr BKA-Gesetz vorgestellt und sich dabei über die Ihrer Meinung nach unsachliche, öffentliche Debatte beschwert. Sie sagen, der redliche Bürger habe nichts zu befürchten. Erstens stimmt das nicht weil jeder durch irgendwelche Umstände in Verdacht geraten kann und zweitens geht es darum auch gar nicht. Es geht nicht darum, ob H.Mustermann (HM) tatsächlich heimlich beobachtet oder durchsucht wird, sondern es geht darum, dass er aufgrund Ihrer Sicherheitsgesetze jederzeit damit rechnen muss, Betroffener zu sein. Und weil sich HM ebenso wie Sie anders verhält, wenn er damit rechnen muß, gerade beobachtet zu werden, findet die Einschränkung seiner Freiheitsrechte bereits mit dem Erlass der Gesetze statt, die es den Behörden erlauben, immer tiefer in seine Privatsphäre einzudringen. Also: Sobald es das Gesetz gibt, welches dem BKA erlaubt, heimlich Festplatten zu durchsuchen, verändert sich auch das Verhalten der Bürger im Umgang mit dem PC. Man vertraut ihm keine sensiblen Daten mehr an oder man verschlüsselt sie. Darum geht es, Herr Schäuble! Der Grundrechtseingriff findet also nicht erst satt, wenn Sie im Einzelfall tatsächlich einen PC durchsuchen, sondern er findet millionenfach bereits dadurch statt, dass sich die Menschen aufgrund der Sicherheitsgesetze selbt in Ihrer Freiheit einschränken, um Ihre Privatsphäre zu schützen. Lassen Sie es mich an einem Beispiel erklären. Würden Sie noch nackt duschen, wenn Sie aufgrund entsprechender Überwachungsgesetze jederzeit damit rechnen müßten, dass sich eine versteckte Kamera in Ihrem Bad befindet?

Sie sagen, intime Daten würden einem Richter zum Aussortieren vorgelegt. Was Sie dabei vergessen: Auch der Richter repräsentiert in dem Moment den Staat und bekommt bei dieser Arbeit freien Einblick in meine Intimsphäre. Damit ist der von der Verfassung eigentlich verbotene Grundrechtseingriff bereits vollzogen. Sind Sie sicher, dass Ihr Gesetz vor dem BVerfG Bestand haben wird?

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Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr Wacker,

die Bundesregierung hat am 4. Juni 2008 den "Entwurf eines Gesetzes zur Abwehr von Gefahren des internationalen Terrorismus durch das Bundeskriminalamt" beschlossen. Der Gesetzentwurf entspricht allen verfassungsrechtlichen Vorgaben. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf die jüngsten Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zur Wohnraumüberwachung, zur präventiven Telekommunikationsüberwachung, zur Online-Durchsuchung und die einstweilige Anordnung zur Vorratsdatenspeicherung. So sind im Entwurf neben spezifisch ausgestalteten Regelungen zum Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung insbesondere Regelungen zum Schutz zeugnisverweigerungsberechtigter Personen und Benachrichtigungspflichten Betroffener enthalten.

Die Vornahme der dort vorgesehenen Befugnisse ist an jeweils klar geregelte Voraussetzungen geknüpft. Für Maßnahmen, die intensiver in die Grundrechte Betroffener eingreifen können, sind dabei hohe Hürden vorgesehen.

Dies gilt auch hinsichtlich der von Ihnen genannten Regelung zur sogenannten "Online-Durchsuchung". Diese ist nur zum Schutz überragender Rechtsgüter, wie etwa zum Schutz des Lebens einer Person, sowie beim Vorliegen einer konkreten terroristischen Gefahr zulässig. Zudem darf sie sich nur gegen die für die Gefahr Verantwortlichen richten. Bereits durch diese materiellen Voraussetzungen ist sichergestellt, dass eine solche Maßnahme nur in wenigen, aber sehr gewichtigen Fällen zum Einsatz kommen kann. Eine solche Maßnahme darf zudem grundsätzlich nur durch den Richter angeordnet werden. Durch die richterliche Kontrolle sowie die Pflicht zur nachträglichen Benachrichtigung des Betroffenen wird ein effektiver Grundrechtsschutz gewährleistet.

Bestehen im Anschluss an die Durchführung einer sogenannten Online-Durchsuchung Zweifel, ob erhobene Daten dem Kernbereich der persönlichen Lebensgestaltung zuzurechnen und damit zu löschen sind, sind diese dem anordnenden Gericht vorzulegen. Auch in diesem Fall gewährleistet Artikel 97 Abs. 1 des Grundgesetzes die erforderliche Unabhängigkeit der richterlichen Entscheidung.

Aus all diesen Gründen bin ich der festen Überzeugung, dass der Gesetzentwurf vollumfänglich mit unserer Verfassung im Einklang steht.

Mit freundlichen Grüßen
Ihr
Dr. Wolfgang Schäuble