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Frage von Karin H. •

Frage an Wolfgang Schäuble von Karin H. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Wieso haben Sie am 11. März 2008 ein Abkommen mit den USA unterzeichnet, in dem Sie vereinbaren, Gewerkschafterdaten und Daten über die politische Einstellung der Bundesbürger im Austausch an den US-Geheimdienst weiterzureichen?

Ich halte dies für einen groben Rechtsbruch. Dies ist meiner Meinung nach sogar eine Straftat. Sie verstoßen hier eindeutig gegen das Grundgesetz unserer Republik und den Datenschutz!

Stufen Sie inzwischen Gewerkschafter als Terroristen ein?

Ihr Verhalten gegen diese demokratischen Personen ist skandalös!

Ich denke, dass Sie hier mit einer reichlichen Zahl von Strafanträgen gegen dieses Abkommen rechnen müssen!

Mit diesem Hinweis und der Bitte nach einer sofortigen Beantwortung meiner Fragen verbleibe ich,

Karin Hujer

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Antwort von
CDU

Sehr geehrte Frau Hujer,

das am 11. März 2008 paraphierte Abkommen über die Vertiefung der Zusammenarbeit bei der Bekämpfung schwerwiegender Kriminalität, das demnächst noch unterzeichnet werden wird, zielt mitnichten auf den Austausch von Daten zur Gewerkschaftszugehörigkeit o.ä. ab. Es dient auch nicht im Entferntesten dazu, Gewerkschaftsmitglieder als Terroristen abzustempeln oder sie auch nur in die Nähe des Terrorismus zu rücken. Es ist im höchsten Maße bedauerlich, dass manche Medienberichterstattung - trotz wiederholter Gegendarstellung durch die Bundesregierung - gleichwohl diesen Anschein erweckt.

Gestatten Sie mir bitte, kurz darzustellen, worum es geht. Das Abkommen enthält insbesondere drei Kernelemente:
- den automatisierten Austausch von Fingerabdruckdaten zu Strafverfolgungs- und Gefahrenabwehrzwecken,
- den automatisierten Austausch von DNA-Daten nur zu Strafverfolgungszwecken und
- den Spontanaustausch, d.h. Austausch ohne vorheriges Ersuchen, von Informationen zu Personen, die im Verdacht stehen, künftig terroristische Straftaten zu begehen (sog. terroristische Gefährder).

Der automatisierte Austausch von Fingerabdruck- und DNS-Daten erfolgt im so genannten "Hit/No-Hit"-Verfahren. Die Vertragsstaaten gewähren sich künftig gegenseitig Zugriff auf die so genannten "Fundstellendatensätze" ihrer nationalen DNS- und Fingerabdruckdatenbanken mit dem Recht, diese für einen automatisierten Abgleich von DNS-Profilen und Fingerabdrücken zu nutzen. Fundstellendatensätze sind anonymisierte Datensätze, die lediglich das DNS-Profil bzw. den Fingerabdruck und eine Kennung enthalten, jedoch keine den Betroffenen unmittelbar identifizierenden Informationen (also z.B. auch keine Angaben zu einer Gewerkschaftszugehörigkeit). Mit anderen Worten: der anfragende Staat enthält nur die Mitteilung, dass Information vorliegen. Im Trefferfall kann der anfragende Staat bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen - wie bisher auch schon - weitere Informationen erhalten.

Hinsichtlich des Spontanaustauschs zur Verhinderung terroristischer Straftaten sieht das Abkommen vor, dass nach Maßgabe des jeweils geltenden innerstaatlichen Rechts im Einzelfall auch ohne Ersuchen personenbezogene Daten übermittelt werden können, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass die betroffenen Personen terroristische Straftaten oder Straftaten, die hiermit in Zusammenhang stehen, begehen werden oder eine Ausbildung zur Begehung von terroristischen Straftaten durchlaufen oder durchlaufen haben. Übermittelt werden Daten zur Identifizierung der Person (z.B. Name, Geburtsdatum, Staatsangehörigkeit oder Fingerabdruckdaten) und Informationen zu den den Terrorismusverdacht begründenden Umständen. Insbesondere bei einem Verdacht auf politisch motivierten Terrorismus kann es erforderlich werden, dass dabei auch vorliegende Informationen zu politischen Anschauungen des Betroffenen übermittelt werden.

In seltenen Ausnahmefällen ist nicht vollständig auszuschließen, dass auch die Gewerkschaftszugehörigkeit einer Person einmal für die Bewertung relevant ist. Wenn beispielsweise Anschlagsplanungen gegen eine oder von einer Person bekannt geworden sind, zu deren Identität nur vereinzelte Anhaltspunkte vorliegen, wie z. B. eine bestimmte Gewerkschaftsfunktion, kann das unter Umständen wichtig sein. Für diesen Ausnahmefall sieht das Abkommen eine besondere Schutzvorschrift vor. Wenn also im Zusammenhang mit dem Datenaustausch die Gewerkschaftszugehörigkeit ausnahmsweise einmal eine Rolle spielen sollte, so muss die übermittelnde Behörde zuvor die erhöhte Schwelle der besonderen Relevanz für Terrorismusbekämpfungszwecke bejahen. Die kritisierte Vorschrift soll also gerade einschränkend wirken und keine irgendwie ausufernde Ermächtigung begründen.

Mit freundlichen Grüßen
Ihr
Dr. Wolfgang Schäuble