Frage an Wolfgang Schäuble von Sebastian G. bezüglich Finanzen
Sehr geehrter Herr Dr. Schäuble,
ich musste erfahren, das private Erträge aus Kapitaleinkünften mit einer pauschalen Abgeltungssteuer von 25% besteuert werden. Gleichzeitig werden für Einkünfte aus unselbstständiger Arbeit Steuersätze von 42 bzw. 45 % veranschlagt. Dies stellt eine grobe Schieflage und Ungerechtigkeit dar! Mich würde interessieren, wann sich an dieser Situation etwas ändern soll?
Desweiteren zahlen mittlerweile Facharbeiter in der Industrie in unserem Land den Spitzensteuersatz. Auch hier sollte schnellstmöglich eine gerechtere Lösung gefunden werden.
Mit freundlichen Grüßen
Sebastian Gaß
Sehr geehrter Herr Gaß,
vielen Dank für Ihre Anfrage vom 10. September 2016 an Herrn Dr. Wolfgang Schäuble in seiner Eigenschaft als Bundesminister der Finanzen. Ihm gehen Anliegen in sehr großer Anzahl zu. Deshalb bitte ich um Ihr Verständnis, dass der Minister nicht selbst die Beantwortung übernehmen kann, sondern mir diese Aufgabe übertragen wurde.
Bundesfinanzminister Schäuble hat sich immer wieder für die Abschaffung der Abgeltungsteuer ausgesprochen, diese aber in den Kontext der Einführung des automatischen Informationsaustauschs ab 2017 gestellt. Wenn die Informationen zu den Kapitalerträgen ab 2017 weltweit zwischen den Staaten ausgetauscht werden, entfällt das Argument der Kapitalflucht, das damals maßgeblich für die Einführung der Abgeltungsteuer ab dem Jahr 2009 vorgebracht wurde.
Hierzu hat sich Minister Schäuble in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung vom 1. Mai 2016 wie folgt zum Thema geäußert:
„FAS: Auf Arbeitseinkommen sind bis zu 45 Prozent Einkommensteuer fällig, Kapitaleinkünfte werden nur mit 25 Prozent Abgeltungssteuer belastet. Ist das gerecht?
Ich war nie ein Freund der Abgeltungsteuer. Aber mein Vorgänger Peer Steinbrück hatte recht, als er sie mit dem schönen Satz begründete: Besser 25 Prozent von x als 45 Prozent von nix. Bei der Besteuerung von Kapitaleinkommen stoßen wir in Zeiten der Globalisierung nun mal an Grenzen.
FAS: Sie haben Steuer-CDs gekauft und wollen gegen Offshore-Geschäfte in Panama vorgehen. Sind da noch so viele Löcher offen?
Bevor wir an den Steuersätzen etwas ändern, muss der automatische Informationsaustausch mit allen Ländern funktionieren. Wir müssen auch wissen, wer hinter anonymen Stiftungen oder Briefkastenfirmen steht. Das ist technisch alles gar nicht so einfach. Aber wir sind auf gutem Wege.
FAS: Wenn die Voraussetzungen erfüllt sind, schaffen Sie die Abgeltungsteuer ab?
So habe ich das vorgeschlagen. Dann könnten wir in der nächsten Wahlperiode sogar einmal überlegen, den allgemeinen Einkommensteuersatz zu senken.“
Bei der Abschaffung der Abgeltungsteuer geht es um steuersystematische Gründe. Nach dem Konzept der „synthetischen Einkommensteuer“ sind alle Einkunftsarten gleich zu behandeln. Die Abgeltungsteuer ist eine Abweichung von dieser Regel, da sie Kapitalerträge anders als die übrigen Einkunftsarten, etwa Arbeitseinkommen, behandelt.
Zu bedenken ist, dass eine Abschaffung der Abgeltungsteuer auf Zinsen, Veräußerungsgewinne und Dividenden nicht nur Auswirkungen auf die privaten Haushalte, sondern auch auf den Unternehmensbereich hätte. Ob und ggf. in welchem Umfang es zu Mehreinnahmen käme, hängt insbesondere davon ab, welche Modifikationen im Unternehmenssteuerbereich im Zusammenhang mit der Abschaffung der Abgeltungsteuer vorgenommen würden. Die Besteuerung von Dividenden muss sich dabei in das Gesamtsystem der Unternehmensbesteuerung einfügen (Körperschaft- und Gewerbesteuer bei Körperschaften (AG, GmbH), Einkommensteuer bei Personengesellschaften). Um eine Mehrfachbesteuerung auf Unternehmens- und Anlegerebene bei Körperschaften zu vermeiden, müsste über die Rückkehr zu einem Anrechnungs- oder Teileinkünfteverfahren nachgedacht werden. Andernfalls läge die Steuerbelastung von ausgeschütteten Unternehmensgewinnen von Körperschaften bei fast 60 Prozent und damit erheblich höher als bei Personengesellschaften, die mit dem Spitzensteuersatz von max. 45 Prozent zzgl. Solidaritätszuschlag belastet werden.
Eine Übersicht über die bisherige und erwartete Entwicklung der Einnahmen aus der Abgeltungsteuer füge ich an. Die Abgeltungsteuer auf Kapitalerträge teilt sich kassentechnisch auf zwei Steuerarten auf: die „Abgeltungsteuer auf Zins- und Veräußerungserträge“ und die „nicht veranlagten Steuern vom Ertrag“ (Steuern auf Dividenden). In der Position „Abgeltungsteuer auf Zins- und Veräußerungserträge“ werden zudem auch die Einnahmen aus der Besteuerung von Veräußerungserträgen von Wertpapieren erfasst. In der Position "Nicht veranlagte Steuern vom Ertrag" werden neben den Erträgen aus der Dividendenbesteuerung auch noch die Erträge aus der Besteuerung von Vergütungen von Aufsichtsratsmitgliedern sowie die Quellensteuer für in Deutschland auftretende ausländische Künstler, Sportler, Artisten, aber auch die Vergütungen für die Nutzung beweglicher Sachen oder für die Überlassung der Nutzung oder des Rechts auf Nutzung von Urheberrechten, gewerblichen Schutzrechten oder des sog. Know-how erfasst.
Jahr
Einnahmen in Mio. Euro
Abgeltungsteuer auf Zins- und Veräußerungserträge
nicht veranlagte Steuern vom Ertrag*
Abgeltungsteuer insgesamt
Ist
2009
12.442
12.474
24.916
2010
8.709
12.982
21.692
2011
8.020
18.136
26.155
2012
8.234
20.060
28.294
2013
8.664
17.259
25.923
2014
7.812
17.423
25.236
2015
8.259
17.945
26.204
AK Mai 2016
2016
6.450
17.250
23.700
2017
6.193
18.035
24.228
2018
6.294
19.910
26.204
2019
6.394
20.695
27.089
2020
6.495
21.425
27.920
* enthält zum überwiegenden Teil die Einnahmen aus der Besteuerung von Dividendenerträgen
Gern nutzen Sie daneben die Informationen auf unserer Internetseite (Suchbegriff "Steuersenkung"), so auch die Reden, Interviews und Namensartikel des Bundesfinanzministers zum Thema:
http://www.bundesfinanzministerium.de/Web/DE/Presse/RedenUndInterviews/redenUndInterviews.html , http://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Interviews/2016/2016-06-07-hamburger-abendblatt.html
Freundliche Grüße
Im Auftrag
Susann Helten