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Frage von Ronny F. •

Frage an Wolfgang Schäuble von Ronny F. bezüglich Finanzen

Herr Schäuble,

in der "Welt-Online" vom 19.März ist ein Artikel mit dem Namen "Neuer Rettungsfonds kostet den Bund Milliarden". http://www.welt.de/wirtschaft/article12886335/Neuer-Rettungsfonds-kostet-den-Bund-Milliarden.html
Darin wird dargelegt, dass auch weiterhin Deutschland für den "Europäischen Stabilitätsmechanismus" zahlen muss / wird. Hier geht es wieder um Milliarden und Abermilliarden.

In den seitenweisen(!) Kommentaren, weclhe die Leser zu dem Artikel geschrieben haben, kommt meiner Ansicht nach die Meinung und der Wille des Volkes zum Ausdruck: Der überwältigende(!) Teil der Kommentare verurteilt diese, Ihre Politik des "Geld-ans-Ausland-Überweisens" rigeros und es fällt auch schon mal (in meinen Augen zu Recht) das Wort Hochverrat am deutschen Volk.

Ich habe vier Fragen dazu:

1. Welche Instanz verhindert, dass die Politiker und Abgeordneten hunderte Milliarden Euro deutschen Volksvermögens ins Ausland oder an Banken überweisen, oder diese als Sicherheiten bieten, bzw. welche Instanz wird diesen Ausverkauf jemals stoppen?

2. Welches Gesetz legitimiert duetsche Politiker deutsches Volksvermögen ans Ausland oder an Privatbanken zu geben, ob als Sicherheit oder Bailout?

3. Haben Sie angesichts des ungeheurem Geldverschleuderns ein schlechtes Gewissen?

4. Glauben Sie, dass Sie jemals wegen Hochverrat angezeigt oder verurteilt werden können?

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr Franz,

beim Europäischen Rat am 24./25. März haben die Staats- und Regierungschefs ein umfassendes Maßnahmenpaket verabschiedet, das einen Rahmen schafft, durch den die wirtschaftspolitische Überwachung der Europäischen Union gestärkt und die dauerhafte Stabilität des Euro-Währungsgebiets insgesamt gewährleistet wird. Wir machen damit den Euro zukunftsfähig und schließen gleichzeitig die Lücken in der Konstruktion der Wirtschafts- und Währungsunion. Anders ausgedrückt: Das Maßnahmepaket verhindert, dass die Menschen das Gefühl haben, wir stolpern von einer Krise in die nächste.

Davon profitiert Deutschland, denn gerade wir Deutsche haben ein vitales Eigeninteresse an einer funktionierenden Wirtschafts- und Währungsunion und einem nachhaltig stabilen Euro. Ein starker Euro sorgt bei uns für Wachstum und Arbeitsplätze. Die stark exportabhängige deutsche Wirtschaft profitiert davon, dass es innerhalb der Eurozone keine Wechselkursschwankungen mehr gibt. Und schließlich hat der Euro zu einer Vertiefung des europäischen Binnenmarkts mit inzwischen mehr als 500 Mio. Verbrauchern geführt, die 60 Prozent aller deutschen Exporte abnehmen.

Deutschland ist aus den zurückliegenden Krisen wirtschaftlich gut herausgewachsen und kann deshalb von den beschriebenen Vorteilen des starken Euro auch weiterhin profitieren. Gerade die Staatsschuldenkrise in Griechenland hat aber gezeigt, dass das Vertrauen der Finanzmärkte nicht teilbar ist und die Märkte den Euro immer als Ganzes betrachten. Deshalb haben wir Griechenland geholfen und einen Schutzschirm für einen stabilen Euro insgesamt geschaffen. Der Schutzschirm wird nun ab 2013 durch den Europäische Stabilitätsmechanismus (ESM) abgelöst. Der ESM würde aber nur dann zum Einsatz kommen müssen, wenn weitere Staatsschuldenkrisen eintreten sollten. Niemand kann vorhersagen, ob und wann das der Fall sein wird. Wenn es aber noch einmal passieren sollte, ist Europa vorbereitet.

Es ist mir wichtig, darauf hinzuweisen, dass es bei den Verhandlungen zum ESM gelungen ist, zentrale deutsche Anliegen umzusetzen: Der Mechanismus kann nur einstimmig und nur dann aktiviert werden, wenn es unabdingbar ist, um die Stabilität des Euro als Ganzes zu gewährleisten ("ultima ratio"). Ausgangspunkt für alle weiteren Schritte ist eine von der Europäischen Kommission, dem IWF und der EZB durchgeführte Untersuchung der Schuldentragfähigkeit des Antragstellers. Des Weiteren gilt das Prinzip: Solidarität nur gegen entsprechende Eigenanstrengungen des betroffenen Landes, d.h. Unterstützung wird nur unter strengen Auflagen im Rahmen eines wirtschaftlichen Reform- und Anpassungsprogramms gewährt, das dem betroffenen Land (wie heute Griechenland und Irland) weit reichende Reformen abverlangt. Nur dann erhält das betroffene Land Kredite, die selbstverständlich verzinst zurückzuzahlen sind. Außerdem wurde erreicht, dass bei Überschuldung eines Staates die Beteiligung privater Gläubiger verpflichtend ist. Das ist nicht nur ein fiskalisches Gebot, sondern ein Gebot der Gerechtigkeit, das außerdem dem für die Marktwirtschaft zentralen Prinzip des Zusammenhangs von Risiko und Haftung Geltung verschafft.

Ich bin deshalb der Auffassung, dass wir Deutsche mit diesem Ergebnis unserer europäischen Verantwortung gerecht geworden sind und gleichzeitig deutsche Interessen gewahrt haben. Im Übrigen sollten wir auch im Auge behalten, dass der Euro das bislang stärkste Bekenntnis zur Idee des vereinten Europa ist - einer Idee, die nicht nur den Frieden in Europa sichert sondern eine zentrale Voraussetzung für den wirtschaftlichen Wiederaufstieg Deutschlands und die Wiedervereinigung war.

Mit freundlichen Grüßen
Dr. Wolfgang Schäuble