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Frage von Jens B. •

Frage an Wolfgang Schäuble von Jens B. bezüglich Wirtschaft

Sehr geehrter Herr Dr. Schäuble,

vor über 2 Monaten habe ich bereits eine Frage zum Thema Wirtschaftspolitik gestellt, die leider unbeantwortet blieb.
Kurzgefasst bat ich um eine kurze Erklärung der wirtschaftspolitischen Strategien, die die amtierende Koalition gegen die Rezession entwickelt hat. Grundlage war mein Unverständnis darüber, dass wir in den letzten Jahren eine stark sinkende Lohnquote bei stark steigender Gewinnquote der Unternehmen bei gleichzeitig rückläufigen Investitionen verzeichnen konnten.
Die Strangulierung der Binnennachfrage, die durch die SPD/Grünen mit der "Reform des Sozialstaates" eingeleitet wurde, war stets damit begründet, dass Zurückhaltung bei Löhnen und die Absenkung der Leistungen im sozialen Bereich nötig seien, um auf einem globalisierten Markt wettbewerbsfähig zu bleiben. Dieser Argumentation kann man allerdings nicht folgen, wenn die Gewinnquote der Unternehmen genauso steigt, wie die Lohnquote sinkt. Zu mehr Investitionen haben die wirtschaftspolitischen Entscheidungen seit 2000 nicht geführt.
Die Auswirkungen einer derartigen Politik: die Entstehung von Slums auf Campingplätzen in Deutschland, die Verarmung einer breiten Bevölkerungsschicht, weniger Chancengleichheit, immer mehr kranke Menschen durch staatliche Repression bei Arbeitnehmern u. Empfängern v. Leistungen nach d. SGBII etc. sind erschreckend.
Meine Frage ist durchaus berechtigt, da es schliesslich eines guten Grundes bedarf, wenn wir die schwächsten Glieder der Gesellschaft in das Abseits drängen, wenn wir aktzeptieren sollen, dass es eine breite Bevölkerungsschicht gibt, die kein Demokratiebewußtsein mehr entwickelt, wenn wir dabei zusehen müssen, wie die Auslandsbeziehungen immer schlechter werden und sich dort Angst vor den "Billiglöhnern" aus Deutschland entwickelt.
Nochmals die Frage: welche wirtschaftspolitischen Strategien haben Sie entwickelt, um die Rezession zu bekämpfen? Senken die Maßnahmen die Binnennachfrage weiter?

Mit freundlichen Grüßen

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Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr Bekersch,

der konjunkturellen Abwärtsbewegung hat die Bundesregierung mit drei Maßnahmepaketen mit einem Gesamtvolumen von rund 92 Mrd. € in den Jahren 2009 und 2010 entgegen gewirkt. Einen zusätzlichen Stabilisierungsbeitrag leisten der konjunkturelle Impuls der Pendlerpauschale (rd. 8½ Mrd. € in 2009 und 2010) und der Rentenerhöhung zum 1. Juli 2009 (Jahreswirkung rd. 5 Mrd. €).

Die Bundesregierung hat zahlreiche Maßnahmen umgesetzt, um die Binnenwirtschaft zu stärken.
So stabilisieren die Maßnahmen zur Entlastung der Haushalte und Unternehmen durch Steuer- und Beitragssatzsenkungen unmittelbar die Binnennachfrage. Die Entlastungen der Haushalte erhöhen das verfügbare Einkommen und begünstigen den privaten Konsum. Die Entlastungen im Bereich der Unternehmenssteuer und der Abgaben erleichtern den Unternehmen den Umgang mit der Finanz- und Wirtschaftskrise; sie verschaffen ihnen die notwendige Liquidität in wirtschaftlich schwierigen Zeiten.

Die arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen dürften angesichts der Schärfe des beobachteten konjunkturellen Einbruchs den Beschäftigungsrückgang sowie die Zunahme der Arbeitslosigkeit entschärft haben. Insbesondere die verbesserten Bedingungen für die Kurzarbeit haben unmittelbar zur Beschäftigungs- und Einkommenssicherung beigetragen.

Darüber hinaus hat die Umweltprämie kurzfristig wichtige positive Impulse für die gesamte Automobil­branche gesetzt und damit zur Sicherung von Arbeitsplätzen und Einkommen beigetragen.
Der Rückgang der privaten Investitionstätigkeit konnte durch die staatlichen Maßnahmen zwar nicht gestoppt, aber vermutlich gemildert werden. Die zusätzliche Investitionstätigkeit des Bundes und der Länder ermöglichen den Erhalt vieler Arbeitsplätze in der Bauwirtschaft sowie im lokalen Handwerk und sichert somit das Arbeitnehmereinkommen. Dabei setzen wir vor allem auf Investitionen, die die Zukunftsfähigkeit unseres Landes langfristig stärken. Daher fließt ein Großteil unserer Investitionen in energetische Sanierungsmaßnahmen und die Bildungsinfrastruktur. Damit werden langfristig positive umwelt- und bildungspolitische Impulse gesetzt. Darüber hinaus verbessert der Wirtschaftsfonds Deutschland mit seiner Kredit- und Bürgschaftssäule die Kreditversorgung der Unternehmen. Vordringliche Aufgabe bleibt es in diesem Jahr, die Krise weiter zu entschärfen und die wirtschaftliche Lage zu stabilisieren. Durch das Wachstumsbeschleunigungsgesetz werden vor allem Familien mit Kindern entlastet. Durch gezielte Änderungen im Unternehmenssteuerbereich werden außerdem Investitionen erleichtert und die Wettbewerbsfähigkeit erhöht. Insgesamt werden Bürger und Unternehmen damit ab Januar 2010 um rd. 24 Mrd. € steuerlich entlastet.

Die vorangegangenen Ausführungen verdeutlichen, dass die Bundesregierung ab Herbst 2008 schnell und konsequent auf die Finanz- und Wirtschaftskrise reagiert hat. Eine Befragung des Instituts für Demoskopie Allensbach bestätigt, dass die soziale Marktwirtschaft als Wirtschaftssystem in der jüngsten Vergangenheit bei den Bürgern an Akzeptanz gewonnen hat, da der Staat sich in der Krise als handlungsfähig erwiesen hat.

Um dieses gewonnene Vertrauen weiter zu stärken, ist ab 2011 die Sanierung der öffentlichen Haushalte die zentrale finanzpolitische Aufgabe, da die Bewältigung der Finanz- und Wirtschaftskrise in den öffentlichen Haushalten deutliche Spuren hinterlassen hat - sowohl durch das vollständige Wirken lassen der automatischen Stabilisatoren als auch durch die europaweit koordinierten Maßnahmen zur aktiven Stützung der Konjunktur. Nur im Rahmen einer glaubwürdigen und konsistenten finanz- und wirtschaftspolitischen Gesamtstrategie kann das Vertrauen von Konsumenten, Unterneh­men und Investoren in die langfristige Tragfähigkeit der Finanzpolitik gesichert werden. Dabei genießt die Einhaltung des Europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakts und der verfassungsrechtlichen Vorgaben der Schuldenbremse höchste Priorität. Der Koalitionsvertrag gibt hierzu ein klares Bekenntnis ab.

Ohne dauerhaft höheres Wachstum kann die strukturelle Konsolidierung der öffentlichen Haushalte jedoch nicht gelingen. Daher ist es von großer Bedeutung, dass zukünftige Vorhaben einen nachhaltigen Wachstumsbeitrag generieren und die Leistungsfähigkeit der gesamten Volkswirtschaft verbessern.

Ich hoffe Ihnen mit diesen Informationen weitergeholfen zu haben, Details über konjunkturpolitische und wachstumsstärkende Maßnahmen und aktuelle Informationen zur konjunkturellen Lage können Sie im diesjährigen Jahreswirtschaftsbericht der Bundesregierung und in den Monatsberichten des BMF nachlesen:
http://www.bmwi.de/BMWi/Redaktion/PDF/Publikationen/jahreswirtschaftsbericht-2010,property=pdf,bereich=bmwi,sprache=de,rwb=true.pdf

http://www.bundesfinanzministerium.de/nn_82/DE/BMF__Startseite/Aktuelles/Monatsbericht__des__BMF/node.html?__nnn=true"

Mit freundlichen Grüßen
Wolfgang Schäuble