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Frage von Volkhard E. •

Frage an Wolfgang Schäuble von Volkhard E. bezüglich Wirtschaft

Sehr geehrter Herr Bundesminister Dr.Schäuble,

hat die soziale Marktwirtschaft in D einen grundsätzlichen Systemfehler??

Mir ist aufgefallen, dass die soziale Marktwirtschaft in Deutschland einen grundsätzlichen Systemfehler aufweisen könnte. Nur deshalb erscheint es mir möglich, dass Staat und Unternehmen schon in ihrer Zielsetzung gegeneinander arbeiten. Niemand wird bestreiten, dass die Hauptzielsetzung der Unternehmen im Wettbewerb Effektivitätssteigerung ist und dass diese deshalb auch um ständige Kostensenkung und Absatzsteigerung bemüht sind, um ihren Gewinn zu steigern. Staatsgewinne, nämlich Einnahmen aus Steuern und Abgaben, entstehen in unserem System jedoch nicht hauptsächlich durch Unternehmensgewinne, sondern durch staatliche Aufschläge auf die ohnehin in Deutschland schon recht hohen Lohnkosten. Dadurch sind die Staatsabgaben (=Staatsgewinn) zu einem Hauptkostenfaktor der Unternehmen geworden. Wenn Unternehmen gemäß ihrer Zielsetzung hier Kosten verringern wollen, müssen sie die Lohnkosten senken, was ihnen natürlich auch gelingt durch:
-Ersatz von Humanarbeit durch Maschinen,
-Zeitarbeit,
-prekäre Scheinselbstständigkeit der Mitarbeiter,
-Lohndumping,
-Ersatz der Belegschaft durch Arbeitslose wegen der staatlichen Zuschüsse oder
-Verlegung der Arbeitsplätze ins Ausland.

Durch diesen Erfolg senken die Unternehmen gleichzeitig die Staatseinnahmen( weniger Beschäftigung) und erhöhen die Staatsausgaben ( z.B. für Arbeitslose). Wenn die Unternehmen also durch ihre Zielsetzung „Effektivitätssteigerung und Kostensenkung“ die Staatseinnahmen reduzieren können, ist das System kontraproduktiv.

Stmmem Sie diesem Systemfehler zu??

Mit freundlichen Grüßen

V. Ehlert

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr Ehlert,

Sie weisen zu Recht darauf hin, dass Lohnkosten, insofern sie nicht mit der Produktivitätsentwicklung im Einklang stehen, Unternehmen dazu veranlassen, nach Möglichkeiten zu suchen, ihre Arbeitskosten zu reduzieren bzw. den Faktor Arbeit durch den Faktor Kapital zu substituieren. Ihre Auffassung (insofern ich Sie richtig verstehe), dass Effektivitätssteigerung und Kostensenkungen der Unternehmen zwangsläufig mit hoher Arbeitslosigkeit und geringeren Staatseinnahmen einhergehen müssen, teile ich jedoch nicht. Ich finde sie auch durch die Entwicklung in den Jahren vor der Finanz- und Wirtschaftskrise nicht bestätigt.

Diese Entwicklung fand ihren Ausdruck in hohen Exportquoten und einem - trotz der zunehmenden Konkurrenz auf den Weltmärkten - mit fast 10 Prozent gleich bleibend hohem Welthandelsanteil deutscher Unternehmen. Diese Entwicklung war auch ein Ergebnis der Politik der letzten Jahre. Einer Standortpolitik, der es - aufgrund der Lohnzurückhaltung der Arbeitnehmer, der Abgabenmoderation des Staates sowie einer Flexibilisierung von Arbeits- und Gütermärkten - gelang, die Produktionskosten deutscher Unternehmen einzudämmen, Arbeitsplätze zu schaffen und die Staatseinnahmen zu konsolidieren. Nicht zufällig ging mit dieser Politik ein Rückgang der Arbeitslosigkeit von fast 5 Millionen in 2005 auf knapp 3,3 Millionen in 2008 sowie eine positive Entwicklung des Finanzierungssaldos des Gesamtstaates - auch aufgrund einer Konsolidierung der Einnahmenbasis - von minus 74 Milliarden in 2005 auf plus 1,1 Milliarden in 2008 einher.

Auch angesichts dieses empirischen Befundes bin ich der Auffassung, dass an der Produktivität orientierte Lohnabschlüsse, offene Arbeits- und Gütermärkte, sowie eine maßvolle Einnahmen- und Ausgabenpolitik des Staates, nachhaltiges Wachstum fördern, Arbeitsplätze schaffen und stabile Staatseinnahmen sicherstellen. Die mühsam erreichten Strukturreformen dürfen deshalb nicht grundlegend in Frage gestellt. Die bisherigen Strukturreformen sind jedoch allein eine notwendige, nicht jedoch eine hinreichende Bedingung um nachhaltiges Wachstum und Beschäftigung in Zukunft zu gewährleisten. Denn die Produktivität des Faktors Arbeit hängt ja nicht allein von den Kosten, sondern auch von der Leistungsfähigkeit der Arbeitnehmer ab. In Zukunft wird es deshalb noch viel stärker als in der Vergangenheit notwendig sein, diese Leistungsfähigkeit durch intelligente Investitionen in Forschung, Innovation und Entwicklung sowie Bildung und Weiterbildung zu fördern.

Die Soziale Marktwirtschaft hat sich gerade in der aktuellen Finanzkrise als ein sehr resilientes Modell erwiesen, auf das wir stolz sein sollten.

Mit freundlichen Grüßen
Dr. Wolfgang Schäuble