Frage an Wolfgang Schäuble von Christoph E. bezüglich Finanzen
Sehr geehrter Herr Dr. Schäuble,
ich bin Mitinhaber und Mit-Geschäftsführer an einer GmbH.
Die Wirtschaftskrise hat auch uns einen dramatischen Auftragseinbruch beschert.
Um keine Mitarbeiter entlassen zu müssen, haben wir Geschäftsführer und Mitinhaber unsere Gehälter garnicht oder nur zu einem geringen Umfang ausbezahlt. Dazu wurden ordnungsgemäß Gesellschafterbeschlüsse gefasst.
Die aus dieser Maßnahme gewonnene Flexibilität hat geholfen, dass wir bis heute nur einem einzigen Mitarbeiter kündigen mussten.
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Von Seiten des Finanzamtes droht uns nun eine Steuernachzahlung, weil dies eine verdeckte Gewinnausschüttung sei! Verstehen Sie das? Wir nicht! Wir verzichten auf Gehalt und sollen dafür bestraft werden.
Dies Nachzahlung kann uns im schlimmsten Fall soviel Liquidität kosten, dass wir die Firma schliessen und ALLE Mitarbeiter entlassen müssen!
Das betrifft ALLE Firmen, bei denen Inhaberschaft und Geschäftsführung in der gleichen Hand liegen und die sich durch Gehaltsverzicht bemühen, ihre Mitarbeiter nicht in die Arbeitslosigkeit zu schicken.
Meine Frage: Was werden Sie konkret und bis wann tun, um diesen Unsinn zu beenden?
Sehr geehrter Herr Eckard,
Sie nehmen Bezug auf die steuerrechtliche Behandlung von Gehältern als verdeckte Gewinnausschüttung, falls diese an Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft gezahlt werden. Da ich den genauen Sachverhalt nicht kenne und nach unserer Finanzverfassung die Landesfinanzbehörden für die steuerliche Behandlung von Einzelfällen zuständig sind, kann ich zu Ihrer Frage nur allgemein Stellung nehmen.
Bei der Vereinbarung von Gehaltszahlungen zwischen der Gesellschaft und dem Gesellschafter ist zu berücksichtigen, dass es einem Gesellschafter frei steht, für seine Kapitalgesellschaft unentgeltlich oder aber in einem Austauschverhältnis als Geschäftsführer tätig zu werden. Entscheiden sich die Parteien für eine schuldrechtliche Leistungsbeziehung, müssen sie das Vereinbarte auch - regelmäßig über die gesamte Vertragsdauer - tatsächlich durchführen. Ist dies nicht der Fall und wird die Auszahlung eines Gehalts von der jeweiligen wirtschaftlichen Situation der Kapitalgesellschaft abhängig gemacht, kann dies darauf hindeuten, dass dem Gesellschafter nicht ernsthaft an einer Entgeltlichkeit der Geschäftsführertätigkeit liegt, und er nur in Gewinnjahren ein Gehalt beziehen will. Es läge dann der klassische Fall einer gesellschaftsrechtlich veranlassten Vereinbarung vor, die zu einer verdeckten Gewinnausschüttung führt und den Gewinn der Kapitalgesellschaft nicht mindern darf. Diese allgemeinen Grundsätze beruhen u. a. auch auf einer langjährigen höchstrichterlichen Rechtsprechung.
Ich habe Verständnis, dass Sie die steuerlichen Folgen in der von Ihnen geschilderten wirtschaftlichen Lage als Härte empfinden. Ich möchte aber darauf hinweisen, dass das Steuerrecht unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit einräumt, eine Steuer niedriger festzusetzen oder einzelne Besteuerungsgrundlagen unberücksichtigt zu lassen, wenn die Festsetzung bzw. die Erhebung aus sachlichen oder persönlichen Gründen unbillig ist. Das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Billigkeitsmaßnahme hat für jeden Einzelfall die jeweils zuständige Landesfinanzbehörde zu prüfen. Auf diese Weise können Härtefälle vermieden werden.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Wolfgang Schäuble