Frage an Wolfgang Schäuble von Edgar H. bezüglich Finanzen
Sehr geehrter Herr Bundesminister Dr. Schäuble.
Die Aufregung über Herrn Dr. Ramsauers durchaus berechtigten Vorschlag, den “Aufbau West“ voranzubringen, ist mir unverständlich, zumal ein Denken in diese Richtung nicht neu ist, wie die nachfolgenden Äußerungen belegen:
"Ich bin optimistisch, dass der Freistaat Sachsen früher oder später zu den Geberländern zählen wird und auch etwas zurückgeben wird. Wir brauchen nur noch ein bisschen."
Barbara Ludwig (SPD), Oberbürgermeisterin in Chemnitz
Quelle: MDR FERNSEHEN, 20.03.2007: “Sanierter Osten, kaputter Westen?“ ( http://www.mdr.de/umschau/4261346.html )
Thüringens Ministerpräsident Dieter Althaus (CDU) kann sich für den Fall eines schwarz-gelben Wahlsiegs bei der Bundestagswahl die Abschaffung des Solidaritätszuschlags vorstellen. ( ... )
Duisburgs Oberbürgermeister Adolf Sauerland (CDU) begrüßte im Gespräch mit DerWesten Althaus’ Vorschlag als „Schritt in die richtige Richtung“. Seine Stadt habe seit dem Jahr 1993 über 500 Millionen gen Osten überwiesen, Geld, das das hoch verschuldete Duisburg selbst dringend benötige und laut Sauerland „über Kredite“ aufbringen musste.
Quelle: WAZ – Der Westen v. 14.08.2009 “Althaus stellt Solidaritätszuschlag zur Disposition“ ( http://www.derwesten.de/nachrichten/nachrichten/2009/8/14/news-129123014/detail.html )
Der Sprecher der hochverschuldeten Stadt Oberhausen, Rainer Suhr, sieht denn auch dringenden Handlungsbedarf: „Von den 230 Millionen Euro, die Oberhausen für den Aufbau Ost bisher gab, ist jeder Cent über Kredit finanziert. Wir bezahlen so Projekte im Osten, die uns die Kommunalaufsicht hier angesichts unserer Verschuldung nie genehmigen würde.”
Quelle: WAZ – Der Westen v. 15.08.2009 “Das Revier stöhnt über den Aufbau Ost“ ( http://www.derwesten.de/nachrichten/nachrichten/2009/8/15/news-129284627/detail.html )
Was ist Ihre Meinung hierzu?
Für eine Antwort sowie Ihr Verständnis bedanke ich mich bestens im Voraus und verbleibe
mit freundlichen Grüßen
Edgar Haas
Sehr geehrter Herr Haas,
die von Ihnen angesprochenen Aspekte fallen nur zum Teil in meine Zuständigkeit als Bundesfinanzminister. Für Fragen bzgl. der Verteilung von Finanzmitteln und der Bedarfsanalyse können Sie sich gern an das Bundesinnenministerium wenden.
In den angeführten Zitaten wird auf den Solidaritätszuschlag Bezug genommen, der eine Ergänzungsabgabe im Sinne des Artikels 106 Absatz 1 Nummer 6 Grundgesetz darstellt und als Zuschlag zur Einkommen- und Körperschaftsteuer erhoben wird. Der zurzeit bestehende unbefristete Solidaritätszuschlag wurde durch das Gesetz zur Umsetzung des Föderalen Konsolidierungsprogramms vom 23. Juni 1993 (Bundesgesetzblatt Teil I 93 S. 944) mit Wirkung vom Veranlagungszeitraum 1995 an eingeführt. Das Gesetz dient der Anpassung von Staat und Wirtschaft an die veränderten Bedingungen und Aufgaben nach der Herstellung der Deutschen Einheit. Dabei wurde zur Finanzierung der Vollendung der deutschen Einheit ein solidarisches finanzielles Opfer aller Bevölkerungsgruppen unausweichlich. Unter dem Gesichtspunkt der Steuergerechtigkeit erschien hierzu ein mittelfristig zu überprüfender Steuerzuschlag als richtiger Lösungsweg, da damit alle Steuerpflichtigen entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit belastet werden (Bundestags-Drucksache 12/4401).
Zur Finanzierung des Gesamtvolumens der seitens des Bundes in vorher nicht gekannten Dimensionen unternommenen Aufbauanstrengungen hat der Solidaritätszuschlag zu keinem Zeitpunkt auch nur annähernd ausgereicht. Die Finanzlage des Bundes ist weiterhin - nicht zuletzt infolge der immer noch bestehenden Vereinigungslasten - angespannt, so dass auf die Finanzmittel aus dem Solidaritätszuschlag nicht verzichtet werden kann.
Damit ist die Zukunft des Solidaritätszuschlags politisch zwar eng mit den durch den Bund zu tragenden Sonderlasten der Wiedervereinigung verknüpft, auch wenn die Einnahmen aus dem Solidaritätszuschlag nur einen Bruchteil der Gesamtbelastung ausmachen. Das Aufkommen dient rechtlich allerdings ebenso wie das Aufkommen anderer Steuern nach dem Grundsatz der Gesamtdeckung der Finanzierung aller Bundesausgaben. Eine normierte Zweckbindung der Einnahmen aus dem Solidaritätszuschlag zu bestimmten Haushaltspositionen wäre verfassungsrechtlich nicht zulässig, da das Recht des Parlaments beschränkt würde, über die Verwendung der Staatseinnahmen bei der jährlichen Aufstellung des Bundeshaushalts zu entscheiden.
Gleichwohl ist der Solidaritätszuschlag keine Abgabe für die Ewigkeit und muss zu gegebener Zeit auf den Prüfstand gestellt werden.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Wolfgang Schäuble