Frage an Wolfgang Schäuble von Christoph K. bezüglich Innere Sicherheit
Sehr geehrter Herr Dr. Schäuble,
ich habe eine Frage zur Einstufung von Informationen als Verschlusssache. Mir geht es dabei vornehmlich um die Frage der Transparenz des Entscheidungsprozesses (d.h. welche Akteure daran beteiligt sind) und der Kontrollmöglichkeit dieser Entscheidungen. Da der betroffene Bereich hochsensibel ist, befinden wir uns in einem Spannungsverhältnis zwischen Rechenschaftspflicht, die nicht zuletzt seit der Einführung des Informationsfreiheitsgesetzes auch juristisch untermauert ist, und der Nationalen Sicherheit.
Zunächst: Welche staatliche Instanz klassifiziert die Informationen und gibt es eine Instanz, die diese bei Bedenken seitens der Öffentlichkeit kontrolliert, um politische Einflussnahmen zu vermeiden?
Trotz möglichst objektiver Kriterien unterliegt jede Entscheidung einem gewissen Ermessensspielraum, der zu Fehlern führen kann oder aber auch missbraucht werden kann. Wie kann ein deutscher Bürger sicher sein, dass wirklich nur diese Informationen als Verschlusssache eingestuft werden, die diesen Status erfordern und es nicht dazu kommt, dass Informationen aufgrund von politischer Einflussnahme vorenthalten werden, die sonst vielleicht Verletzungen gegen unseren Rechtsstaat offenlegen würden?
Als Beispiel würde ich gerne den Fall des britischen Rüstungskonzerns BAE-Systems in Großbritannien heranziehen. Dabei wurden Korruptionsuntersuchungen gegen das saudische Königshaus mit der Begründung eingestellt, die Nationale Sicherheit sei dadurch gefährdet. Ich nehme an, dass Sie mit dem Fall vertraut sind.
Daraus ergeben sich für mich folgende weitere Fragen: Welche Rechtswege stehen einem Bürger in Deutschland offen, wenn er eine Einstufung als Verschlusssache in Zweifel zieht? Gibt es auf nationaler, europäischer oder internationaler Ebene eine rechtsgültige Definition von Nationaler Sicherheit, die den Einstieg für einen solchen Rechtsweg ermöglicht?
Mit freundlichen Grüßen
Christoph Kowalewski
Sehr geehrter Herr Kowalewski,
Verschlusssachen (VS) sind im öffentlichen Interesse geheimhaltungsbedürftige Tatsachen, Gegenstände oder Erkenntnisse unabhängig von ihrer Darstellungsform (z.B. Schriftstücke, Zeichnungen, Karten, Fotokopien, Lichtbildmaterial, elektronische Dateien und Datenträger oder das gesprochene Wort). Sie werden entsprechend ihrer Schutzbedürftigkeit von einer amtlichen Stelle oder auf deren Veranlassung in Geheimhaltungsgrade eingestuft.
Der Umgang mit Verschlusssachen wird in einer Verwaltungsvorschrift, der Verschlusssachenanweisung (VSA), geregelt. Bund und Länder haben jeweils eigene VSA. Die VSA des Bundes richtet sich an Bundesbehörden und bundesunmittelbare öffentlich-rechtliche Einrichtungen, die mit VS arbeiten und damit Vorkehrungen zu deren Schutz zu treffen haben. Die VSA sieht vor, dass der konkrete Einstufungsgrad einer Verschlusssache abschließend durch den zuständigen Bearbeiter oder Herausgeber der VS festgelegt wird. Maßgeblich ist hierbei allein die inhaltliche Bewertung eines Sachverhalts.
Die VSA gibt dabei auslegbare Definitionen für die unterschiedlichen Geheimhaltungsgrade vor. VS-NfD (Nur für den Dienstgebrauch): wenn die Kenntnisnahme durch Unbefugte für die Interessen der Bundesrepublik oder eines ihrer Länder nachteilig sein kann.
VS-VERTRAULICH: wenn die Kenntnisnahme durch Unbefugte für die Interessen der Bundesrepublik oder eines ihrer Länder schädlich sein kann, GEHEIM: wenn die Kenntnisnahme durch Unbefugte die Sicherheit der Bundesrepublik oder eines ihrer Länder gefährden oder ihren Interessen schweren Schaden zufügen kann, STRENG GEHEIM: wenn die Kenntnisnahme durch Unbefugte den Bestand oder lebenswichtige Interessen der Bundesrepublik oder eines ihrer Länder gefährden kann.
Eine allgemeine, auch international rechtsgültige Definition des Begriffs "Nationale Sicherheit" gibt es nicht. Die Geheimschutzbeauftragten der jeweiligen Dienststellen beraten die Facheinheiten im Umgang mit VS und führen auch stichprobenartige Kontrollen durch, ob Einstufungen zutreffend vorgenommen wurden. Die Geheimschutzbeauftragten arbeiten hierbei unabhängig und sind nur den Vorschriften der VSA verpflichtet.
Da die VSA eine rein verwaltungsinterne Vorschrift ist, die sich ausschließlich an amtliche Stellen und dort tätige Personen richtet, fehlt es rechtlich an einer Außenwirkung und damit an der persönlichen Betroffenheit einzelner Bürger. Eine Kenntnisnahme und Beurteilung des Inhalts von VS durch außerhalb der Verwaltung stehende Personen kann daher nicht stattfinden. Auch nach dem Informationsfreiheitsgesetz (IFG) sind VS grundsätzlich vom Informationszugang ausgenommen.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Wolfgang Schäuble