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Frage von Dagmar F. •

Frage an Wolfgang Schäuble von Dagmar F. bezüglich Recht

Sehr geehrter Dr. Schäuble,

in München kam es letzte Woche zu einer brutalen Gewalttat mit Todesfolge durch Jugendliche. Offensichtlich geschahen in den S- und U-Bahnen schon des öfteren solche Gewalttaten. Mit Entsetzen habe ich im Internet über einen Mann, namens Peter Meding, gelesen, der aufgrund seines couragierten Helfens selbst Opfer wurde und nun aufgrund der Verletzungen seine Arbeit verloren hat und nun auch selbst noch ins Gefängnis soll, weil er seine Gerichtskosten nicht bezahlen kann. Das kann doch nicht wahr sein, dass man für seine Hilfeleistung hinterher noch bestraft wird!! Wenn man möchte, dass Bürger Zivilcourage zeigen, muss man sie auch hinterher unterstützen, wenn sie selbst zu Schaden kommen. Ansonsten darf man sich nicht wundern, wenn die Leute lieber wegschauen oder weglaufen.
Ich glaube nicht, dass die Jugendlichen durch höhere Strafen abgeschreckt werden. Man muss gleich bei der ersten Straffälligkeit konsequent reagieren.
Was wollen Sie tun, um solche Gewalttaten zu verhindern? Und wie wollen Sie Zivilcourage fördern?

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Antwort von
CDU

Sehr geehrte Frau Fuchs,

gerade vor dem Hintergrund der schrecklichen Gewalttat in München müssen wir Menschen, die Zivilcourage beweisen, besser unterstützen und auch sichtbarer wertschätzen. Zivilcourage muss stärker in den Familien, im Alltag, in Schulen und in Freizeiträumen von Kindern und Jugendlichen vorgelebt, vermittelt und geachtet werden.

Es wird keine Patentlösung geben, um solche Gewalttaten zu verhindern. Wir müssen hierfür auf verschiedenen Ebenen Anstrengungen unternehmen. Dazu gehört zum einen sicher das Bemühen, die Polizeipräsenz auf Bahnhöfen, in Zügen usw. zu erhöhen. Das habe ich angeordnet, aber wir stoßen hier an Grenzen, denn wir können jeden Polizisten nur einmal einsetzen. Auch kann eine verstärkte Videoüberwachung - wie das jetzt auch der deutsche Richterbund fordert - eine gewisse abschreckende Wirkung haben.

Eine andere Frage ist, wie wir langfristig solchen Prozessen von Verrohung und Brutalisierung entgegenwirken können. Darüber müssen wir alle zusammen nachdenken. Wie können Jugendhilfe-Maßnahmen verstärkt werden, wie können wir Eltern bei der Erziehung unterstützen, wie können wir Erzieherinnen und Erzieher, Lehrerinnen und Lehrer so qualifizieren, dass alle jungen Menschen auf dem Weg in ein friedliches Leben befähigt und begleitet werden können? Was brauchen Kinder und Jugendliche in unserer Gesellschaft, um sich anerkannt und gewollt zu fühlen? Das sind die Fragen, denen wir uns jetzt stellen und die wir gemeinsam beantworten müssen. Wir müssen gemeinsam den gesellschaftlichen Zusammenhalt stärken und dabei alle Kinder und Jugendliche so früh wie möglich erreichen. Ich glaube nicht, dass eine Erhöhung des Strafrahmens auf Täter, die in ihrer Biographie selbst Brutalisierung und Gewalt erlebt haben, eine wirklich abschreckende Wirkung hat. Wir haben ein System von Strafmaßnahmen, die allerdings konsequent und umgehend nach der Tat angewandt werden müssen.

Wovon wir mehr brauchen, ist die generelle Einstellung zur Notwendigkeit von Erziehung zu Verantwortung. Es gibt sehr gute Maßnahmen, wie z.B. ein Boxcamp in Nordhessen oder das "violence prevention network" in mehreren Bundesländern, die ich mir angeschaut habe. Beide dieser gesellschaftlichen Initiativen arbeiten mit straffällig gewordenen Jugendlichen. Durch eine Verbindung von Erziehung, Aufarbeitung der Straftaten, Disziplin, aber auch Anerkennung, Hilfestellungen und Lebensperspektiven, auch persönlichem Interesse, kann es gelingen, diese Jugendlichen wieder in die Gesellschaft zu integrieren, sie dazu zu bringen, wieder Verantwortung für ihr Handeln zu übernehmen. Verantwortung scheint mir ein Schlüsselbegriff zu sein. All diese Jugendlichen, die sich so gewalttätig verhalten, haben irgendwann einen Vater oder eine Mutter oder andere wichtige Personen erlebt, die ihre Verantwortung nicht richtig wahrgenommen haben. Wir müssen zu mehr verantwortlichem Denken und Handeln befähigen, in Familien, in Kindergärten und Schulen, in der Ausbildung und der Freizeit und auch dafür werben, dass die Medien, die Werbung und die Wirtschaft verantwortlich im Sinne des Gemeinwohls handeln.

Mit freundlichen Grüßen
Dr. Wolfgang Schäuble