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Frage von Frank N. •

Frage an Wolfgang Schäuble von Frank N. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Werter Herr Innenminister!

Mit bedauern habe ich heute den Kabinettsbeschluss gelesen, das es weiterhin privaten Personen erlaubt schussfähige waffen zu besitzen und im eigenen Haus aufzubewahren. Sind nicht schon genügend menschen ums Leben gekommen, weil der Zugriff zu den Waffen sehr leicht ist. Die Mehrheit der Bevölkerung wünscht das Verbot von Waffen in Privathaushalten. Warum wird der folgende Paragrapf des Grundgesetzes so häufig missachtet? Artikel 20

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

Zu einen anderen aber wichtigen Thema, habe ich eine frage, warum übt die Bundesregierung nicht macht auf die hessische Regierung aus, dass der folgende Paragraf des Grundgesetzes in der hessischen Verfassung auch seinen einzug findet?

Artikel 102 des Grundgesetzes
Die Todesstrafe ist abgeschafft.

Auszug aus der hessischen Verfassung
Im noch heute zu findenden Artikel 21 der Hessischen Verfassung vom 1. Dezember 1946 steht:

(1) Ist jemand einer strafbaren Handlung für schuldig befunden worden, so können ihm auf Grund der Strafgesetze durch richterliches Urteil die Freiheit und die bürgerlichen Ehrenrechte entzogen oder beschränkt werden. Bei besonders schweren Verbrechen kann er zum Tode verurteilt werden..

Werter Herr Innenminister. ich erwarte von Ihnen persönlich die Beantwortung meiner zwei Fragen.
Recht vielen Dank
Frank Neumann

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Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr Neumann,

nach dem von Ihnen zitierten Artikel 20 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes (GG) geht die Staatsgewalt vom Volk nicht unmittelbar aus, sondern wird durch gewählte Abgeordnete ausgeübt. Die Abgeordneten sind Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen (Artikel 38 Abs. 1 Satz 2 GG). Wenn die Mehrheit der Abgeordneten sich für eine bestimmte gesetzliche Regelung entscheidet, die möglicherweise mit einem mutmaßlich mehrheitlichen Meinungsbild der Bevölkerung nicht übereinstimmt, ist damit Artikel 20 Abs. 1 GG nicht verletzt.

In einem demokratischen Rechtsstaat müssen - im Rahmen der von der Verfassung gesetzten Grenzen - zuweilen auch unpopuläre Entscheidungen getroffen werden. Die Abgeordneten haben als Vertreter des ganzen Volkes bei ihrer Gewissensentscheidung das Für und Wider einer Regelung im Widerstreit der Interessen abzuwägen und dabei natürlich auch die öffentliche Meinung im Blick. So ist die schreckliche Tat von Winnenden erneut Anlass zur Überprüfung einer Verschärfung unseres schon nach dem Amoklauf von Erfurt novellierten Waffenrechts. Im parlamentarischen Raum findet hierzu eine sehr ernsthaft geführte Diskussion um mögliche Neuregelungen statt. Bei jeder Neuregelung müssen allerdings stets die verfassungsrechtlichen Grenzen beachtet werden. So folgt aus dem in Artikel 20 Abs. 3 GG verankerten Rechtsstaatsprinzip, dass jede die Freiheit des Einzelnen einschränkende Maßnahme verhältnismäßig sein muss. Dies bedeutet, dass alle Regelungen daraufhin überprüft werden müssen, ob sie zur Erreichung des angestrebten Ziels geeignet, erforderlich und auch im Verhältnis zwischen Zweck und Mittel angemessen sind. Es darf also insbesondere kein milderes Mittel zum gleichen Erfolg führen können. Vor einem generellen Verbot des privaten Waffenbesitzes sind daher schon aus verfassungsrechtlichen Gründen zahlreiche weitere Optionen zu erwägen, die sowohl den berechtigten Interessen der zahlreichen Jäger und Sportschützen gerecht werden als auch die öffentliche Sicherheit gewährleisten.

Auch in Hessen ist die Todesstrafe abgeschafft. Die hessische Verfassung von 1946 entfaltet keine Rechtswirkungen mehr, soweit sie entgegen Artikel 102 GG noch die Möglichkeit eines Ausspruchs der Todesstrafe vorsieht. Denn nach Artikel 123 Abs. 1 GG gilt Recht aus der Zeit vor dem Zusammentritt des ersten Bundestages nach dem Inkrafttreten des Grundgesetzes nur fort, soweit es dem Grundgesetz nicht widerspricht. Warum die hessische Verfassung in diesem häufig zu Missverständnissen und Nachfragen Anlass gebenden Punkt nicht der geltenden Rechtslage angepasst worden ist, müsste letztlich das Land Hessen beantworten. Der Hessische Landtag hat im Jahr 2003 eine Enquete Kommission zur Reform der Hessischen Verfassung eingesetzt. Die Kommission hat auch die Abschaffung der Todesstrafe in der Hessischen Verfasssung vorgeschlagen. Da die SPD aber mit anderen Vorschlägen der Kommission nicht einverstanden war, wurden die Vorschläge insgesamt nicht verwirklicht.

Mit freundlichen Grüßen
Dr. Wolfgang Schäuble