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Frage von Ludwig M. •

Frage an Wolfgang Schäuble von Ludwig M. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Hr. Schäuble,
wie können Sie einen Vertrag wie den von Lissabon gut heißen, wenn dieser keine Gewaltenteilung vorsieht, was das Herzstück unserer Demokratie ist und vom Artikel 42 ganz zu schweigen.
Weiterhin sieht der Vertrag Privatisierung von öffentlichen Schulen/Schwimmbädern, Sparkassen, öffentlicher Nahverkehr, Energie und Wasser vor.Dieses ist aber öffentliches Gut.
Gottsei Dank hat die ÖDP Klage eingereicht zum Lissabonvertrag.Ich finde Sie werden immer mehr zur inneren Gefahr für die Demokratie.
Nehmen Sie bitte Stellung zum fragwürdigen Lissabonvertrag

Mit freundlichen Grüßen
Maier Ludwig

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Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr Maier,

über den Vertrag von Lissabon kann und muss man diskutieren. Manche Behauptungen, die in der Debatte kursieren, sind allerdings schlicht unzutreffend. Dazu gehört die Behauptung, der Vertrag sehe die "Privatisierung von öffentlichen Schulen/Schwimmbädern, Sparkassen, öffentlichem Nahverkehr, Energie und Wasser" vor. Eine solche Vorschrift existiert nicht. Im Gegenteil bestimmt das "Protokoll über Dienste von allgemeinem Interesse", das Bestandteil des Vertrages von Lissabon ist, dass "die Bestimmungen der Verträge in keiner Weise die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten berühren, nichtwirtschaftliche Dienste von allgemeinem Interesse zur Verfügung zu stellen, in Auftrag zu geben und zu organisieren."

Ebenso ist die Behauptung unwahr, es gebe keine Gewaltenteilung in der EU. Es gibt sehr wohl eine fein austarierte Gewaltenteilung zwischen dem Rat als Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten, dem von den Bürgern direkt gewählten Europäischen Parlament, der Kommission als Hüterin des Gemeinschaftsinteresses und dem Europäischen Gerichtshof. Das Modell der Gewaltenteilung in der EU sieht zwar etwas anders aus, als die bekannte klassische Dreiteilung aus Regierung, Parlament und Rechtsprechung. Dies ist aber durch den vom Nationalstaat verschiedenen Aufbau der EU bedingt. Die gleiche Funktion wie im innerstaatlichen Bereich, die gegenseitige Begrenzung der Macht der verschiedenen Organe, wird lediglich auf eine andere Weise wahrgenommen.

Ich würde mir sehr wünschen, dass über den Vertrag von Lissabon eine sachlichere Debatte stattfindet. Denn dieser Vertrag ist wichtig für die Zukunft Deutschlands und der Europäischen Union. Durch den Vertrag von Lissabon wird die EU

- bürgernäher, denn die Mitentscheidung des EP wird zum Regelverfahren, es gibt ein europäisches Bürgerbegehren, die nationalen Parlamente erhalten erstmals direkte Mitwirkungsrechte; die Grundrechtecharta stärkt die Grundrechte der Bürger;

- effizienter, denn bei 27 Mitgliedstaaten muss die Einstimmigkeit wichtigen Fragen vorbehalten bleiben, um nicht ständig Blockadesituationen zu haben;

- transparenter, denn die Zuständigkeiten der Union und der Mitgliedstaaten werden klarer abgegrenzt, die jetzt bestehende, schwer verständliche Säulenstruktur wird aufgehoben, der Europäische Rat bekommt einen festen Präsidenten für 18 Monate und wird so - ebenso wie der Hohe Repräsentant für die Außen- und Sicherheitspolitik - für die Öffentlichkeit und die Medien "sicht- und greifbarer".

Der Vertrag von Lissabon ist als juristisches Dokument zwar nicht leicht zu verstehen, aber bei weitem nicht so unleserlich, wie oft behauptet wird. Wenn Sie selbst einmal einen Blick hineinwerfen möchten, können Sie ihn unter http://www.bpb.de/publikationen/37IPJM,0,0,Vertrag_von_Lissabon.html bei der Bundeszentrale für politische Bildung bestellen oder unter http://www.auswaertiges-amt.de/diplo/de/Europa/LissabonVertrag/Reformvertrag.html aus dem Internet herunterladen. Auf diesen Seiten finden Sie auch viele weitere Informationen zu dem Vertrag.

Mit freundlichen Grüßen
Dr. Wolfgang Schäuble