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Frage von Gregor N. •

Frage an Wolfgang Schäuble von Gregor N. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Zitat aus http://www.tagesschau.de/inland/vertragvonlissabon100.html:

"Tatsächlich erhöhte Innenminister Schäuble bereits den Druck auf die Richter. Ende Januar pochte er in Karlsruhe auf die Zuständigkeit des mehrheitlich gewählten Parlaments für die Gesetzgebung."

Ich schließe daraus, dass Sie mit aller Gewalt eine Entkräftigung des Grundgesetzes zu Gunsten des Vetrags von Lissabon erzielen wollen.
Wie können Sie mit gutem Gewissen ihr Amt als "demokratisch" gewählter Politiker verwenden, um eine verfassungsfeindliche Handlung absegnen zu wollen?

Ein gesunder Menschenverstand kann eine Verfassung nur dann für gut heißen, wenn Sie vom Volk ausgeht. Dass das "europäische Volk" diese Verfassung nicht möchte, haben die Niederlande, Frankreich, Irland usw. schon bewiesen. (Schlimm genug, dass das deutsche Volk nicht wählen durfte).

Mit welcher Argumentation legitimieren sie sich selbst diese fragwürdige Handlung?

Was erhoffen sie sich von einer europäischen Verfassung?

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Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr Noller,

ich habe vor dem Bundesverfassungsgericht für die Bundesregierung den Vertrag von Lissabon verteidigt, weil ich ihn für gut und wichtig halte, sowohl für Deutschland als auch für Europa.

Der Vertrag von Lissabon ist keine Verfassung im rechtlichen Sinn, ebenso wenig wie die Europäische Union ein Staat ist. Die EU bleibt auch nach dem Vertrag von Lissabon ein Verbund souveräner Staaten, die begrenzte Befugnisse auf die Union übertragen haben und diese auch wieder zurückholen können. Das bedeutet, dass das Grundgesetz durch den Vertrag von Lissabon nichts von seiner Wirkung verliert. Es bleibt im Gegenteil der Maßstab dafür, bis zu welcher Grenze Befugnisse auf die Europäische Union übertragen werden können, und welchen Einfluss die gewählten Vertreter des deutschen Volkes hierauf haben müssen. Dies ist nicht verfassungsfeindlich, sondern bereits in der Präambel unseres Grundgesetzes so angelegt, die die Bundesrepublik Deutschland "als gleichberechtigtes Glied in einem vereinten Europa" sieht. Von Anfang an ist in Artikel 24 des Grundgesetzes die Übertragung von Hoheitsrechten auf zwischenstaatliche Organisationen vorgesehen.

Die demokratische Legitimation der Entscheidungen auf EU-Ebene wird durch den Vertrag von Lissabon auf jeden Fall gewährleistet. Auch auf der europäischen Ebene ist jede Entscheidung auf den Wahlakt des Bürgers zurückzuführen, sei es vermittelt durch die Regierungen der Mitgliedstaaten im Rat, sei es durch die Mitentscheidung der direkt gewählten Abgeordneten des Europäischen Parlaments. Hinzu kommen die direkten Mitwirkungsmöglichkeiten der nationalen Parlamente. Demokratische Legitimation von Entscheidungen auf EU-Ebene speist sich somit aus mehreren Quellen zugleich, wobei mal der eine, mal der andere Legitimationsstrang stärker vertreten ist. Dies mag komplex sein, aber es ist zweifellos demokratisch und verfassungsgemäß.

Mit freundlichen Grüßen
Dr. Wolfgang Schäuble