Frage an Wolfgang Schäuble von Gundi A. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Schäuble,
unter welchen Gesichtspunkten gilt eine Organisation als "terroristisch",
und gibt es staatlichen "Terrorismus"?
Ich frag so naive, weil vor knapp einem Jahr galt der
Friedensnobelpreisträger Nelson Mandela in den USA noch als Terrorist.
Die US-Regierung hatte den ANC in den 80er-Jahren auf die Liste der
terroristischen Organisationen gesetzt.
Quelle:
http://www.bild.de/BILD/news/politik/2008/07/02/mandela-von-terrorliste/der-usa-gestrichen.html
Ex-Terrorist und Friedensnobelpreisträger Jassir Arafat hatte auch mal
das Vergnügen, und wurde auf Terror-Listen geführt.
Wie wirkürlich sind nun diese „Terrorlisten“, und warum fallen oft
Minderheiten diesen Listen zum Opfer? So z.B. die palästinensische PLO,
die kurdische PKK, der südafrikanische ANC und zahlreiche andere
Organisationen?
Was sagen diese Terror-Listen konkret aus und ist es nicht zu plump
Konflikte unserer Zeit so undifferenziert, mit solchen Begrifflichkeiten
zu
belegen? Welche Konflikte kann man Lösen wenn man Organisationen unter
Terrorverdacht stellt und sie verbietet?
In wie fern glauben Sie persönliche der kurdischen Gesellschaft gerecht
worden zu sein, indem Sie Roj TV verboten haben? Sie wissen ja, dass die
kurdische Muttersprache in der Türkei ca. 8o Jahre lang verboten war.
Glauben sie dass diese türkische Strategie weiter zu empfehlen ist?
Mit freundlichen Grüßen
Azad Gundi
Sehr geehrter Herr Azad,
es gibt eine von den Vereinten Nationen aufgestellte Al Qaida/Taliban-Liste sowie eine von der EU aufgestellte Liste "sonstiger" terroristischer Organisationen bzw. Personen. Diese beiden, für Deutschland verbindliche Listen werden durch die EU - im Rahmen ihrer Zuständigkeit - unmittelbar umgesetzt und gelten demnach in allen EU-Mitgliedstaaten.
Sie bewirken beispielsweise, dass die Gelder der betroffenen Organisationen oder Personen eingefroren werden und ihnen keine wirtschaftlichen Ressourcen zur Verfügung gestellt werden dürfen. Diese Listen sind damit ein wichtiges Hilfsmittel bei der Bekämpfung der Finanzierung des Terrorismus. Gegen die Aufnahme in eine dieser beiden Listen kann vor den europäischen Gerichten Klage erhoben werden. Sie werden darüber hinaus regelmäßig geprüft und aktualisiert. Eine eigene, nationale "Terrorliste" wie die von Ihnen zitierte Liste der USA existiert in Deutschland nicht. Ein aus dem Jahr 2002 stammender Rahmenbeschluss der Europäischen Union definiert den Begriff des Terrorismus ausführlich. Diesen entsprechenden Beschluss finden Sie unter http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=CELEX:32002F0475:DE:HTML
Das Verbot des Fernsehsenders "Roj TV" richtet sich ausdrücklich nicht gegen Kurden und kurdische Kultur. Das Verbot ist ausgesprochen worden, da der Sender der verbotenen und auf der EU-Terrorliste geführten PKK als Sprachrohr dient und sich Zweck und Tätigkeit von "Roj TV" insbesondere gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Wolfgang Schäuble