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Frage von Gerhard R. •

Frage an Wolfgang Neškovic von Gerhard R. bezüglich Bildung und Erziehung

Sehr geehrter Herr Neskovic,

es geht um Jugendoffiziere der Bundeswehr im Schulunterricht.

Von Bekannten hörte ich, daß immer mehr Eltern ihr Kind gewaltfrei erziehen und insbesondere vor dem Hintergrund des Afghanistankrieges die Anwesenheit eines Jugendoffiziers im Klassenzimmer ablehnen.
Wenn diese Eltern bei der Schule die Befreiung von der Teilnahmepflicht am Unterricht mit einem Jugendoffizier beantragen:
Können sie sich dann - wie Kriegsdienstverweigerer - auf ihre Gewissensentscheidung berufen?
Müssen hier die erzieherischen Vorstellungen der Eltern Vorrang vor der Teilnahmepflicht am Unterricht haben?
Welche Artikel des Grundgesetzes sind hier maßgeblich und welche Rechtsprechung gibt es zu diesem Thema?

Mit freundlichen Grüßen
Gerhard Reth

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Sehr geehrter Herr Reth,

vielen Dank für Ihre Frage.

Abgeordneten des deutschen Bundestages ist es grundsätzlich verwehrt, in Einzelfällen Rechtsrat zu erteilen. Allgemein lassen sich jedoch folgende Aussagen treffen:

In der Bundwehr gibt es derzeit rund 90 hauptamtliche Jugendoffiziere, zu deren Aufgabenstellung u. a. die Vermittlung der diversen Aspekte der deutschen Sicherheits- und Verteidigungspolitik in den Schulen, die Betreuung von Lehrerinnen und Lehrern oder die Präsentation der Bundeswehr auf Fach- und Verbrauchermessen gehören.

Bei der Unterrichtserteilung zum Thema Sicherheits- und Verteidigungspolitik werden zwangsläufig nicht nur Fragen der rechtlichen und politischen, sondern auch der ethischen, religiösen und weltanschaulichen Beurteilung betroffen. Damit berührt ein solcher Unterricht sowohl die Grundrechte der Schülerinnen und Schüler aus Artikel 4 GG als auch das Erziehungsrecht der Eltern aus Artikel 6 Absatz 2 Satz 1 GG, das sich in Verbindung mit Artikel 4 GG auch auf die Erziehung der Eltern in weltanschaulicher und religiöser Hinsicht erstreckt.

Allerdings erteilt Art. 7 Absatz 1 GG dem Staat einen Erziehungsauftrag. Er hat nicht nur das Schulwesen zu organisieren und selbst Schulen zu errichten, sondern darf auch die Erziehungsziele und Ausbildungsgänge festlegen. Dabei ist er von den Eltern unabhängig.

Dieser Konflikt zwischen Elternrechten und dem staatlichen Erziehungsauftrag ist nach dem Grundsatz praktischer Konkordanz zu lösen, der fordert, dass nicht eine der widerstreitenden Rechtspositionen bevorzugt und maximal behauptet wird, sondern alle einen möglichst schonenden Ausgleich erfahren.

Maßgebend für die Planung und Durchführung der politischen Bildung an den Schulen sollte deshalb der sogenannte Beutelsbacher Konsens von 1976 sein, der drei Prinzipien für den Unterricht festgelegt hat: Überwältigungsverbot, Kontroversität und Schülerorientierung. Das Münchener Manifest von 1997 ergänzt dies um eine weitere wichtige Leitlinie: Politische Bildung im öffentlichen Auftrag soll pluralistisch, überparteilich und unabhängig erfolgen.

Die privilegierte Einflussnahme über Jugendoffiziere der Bundeswehr auf Schülerinnen und Schüler ist mit diesen Grundsätzen m.E. nicht zu vereinbaren. Die Bundeswehr ist weder unabhängig noch in der Lage, glaubwürdig die Vielfalt der unterschiedlichen Ansätze zur Wehrpflicht, zum Auftrag der Bundeswehr und zu den Zielen der Außen- und Sicherheitspolitik darzustellen.

Den Einsatz von Jugendoffizieren an Schulen ist nach Auffassung der LINKEN deshalb nur dann zu genehmigen, wenn im Rahmen von Diskussionsveranstaltungen die Pluralität durch die Teilnahme anderer gesellschaftlicher Verbände und Initiativen gewährleistet ist.

Rechtsprechung zu diesem Thema ist mir jedoch nicht bekannt.

Mit freundlichen Grüßen
Wolfgang Neskovic