Frage an Wolfgang Kubicki von Carlo E. P. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Kubicki,
mich interessiert, ob Sie als Fraktionsvorsitzender der lieberalen Partei im Landtag, sich im Falle eines Wahlsieges, bezw. einer Koalition mit der cdu, für die Aufhebung der Zwangsmitgliedschaft der Unternehmen in der IHK oder Handwerkskammer einsetzen werden.
Mit freundlichen Grüßen
Carlo E. Posselt
Sehr geehrte Damen und Herren,
hier die Antwort von Wolfgang Kubicki auf die Frage von Herrn Posselt.
"Ich denke, in keiner anderen Partei wird dieses Thema so häufig und so offen diskutiert, wie in der FDP. Grundsätzlich ist einem liberalen Politiker jeglicher Vereinigungszwang ein Dorn im Auge, insbesondere wenn es die unternehmerische Selbstbestimmung einschränkt.
Auf der anderen Seite erfüllen die Kammern eine Reihe von sinnvollen Aufgaben und bieten eine Reihe von Dienstleistungen für die Mitgliedsbetriebe, wie z.B. die Betreuung von Auszubildenden, die Durchführung von Zwischen- und Abschlussprüfungen, oder Sachverständigenleistungen. Natürlich darf man sich darüber streiten, ob dies nicht auch in einem freiwilligen Zusammenschluss der Gewerbetreibenden funktionieren kann. Genau das tut die FDP seit Jahren.
Im Europäischen Ausland gibt es die Pflichtmitgliedschaft in vielen Ländern nicht. In Österreich wurde die Pflichtmitgliedschaft mit überwältigender Mehrheit der Mitglieder in einer Befragung gestützt.
Die einschlägigen Gerichtsurteile zu diesem Thema sagen allerdings, dass die Pflichtmitgliedschaft juristisch nicht anfechtbar ist. Es gibt Urteile, die sagen, dass die Pflichtmitgliedschaft und die damit verbundene Beitragspflicht mit EU-Recht vereinbar ist (z.B. Verwaltungsgericht Darmstadt Az: 9 E 793/05). Es gibt andere Urteile, die die Pflichtmitgliedschaft mit dem Deutschen Grundgesetz für vereinbar halten (z.B. BVerfG, 1 BvR 1806/98 vom 7.12.2001).
Unabhängig davon hat die Schleswig-Holsteinische FDP auf einem Landesparteitag im Jahr 2005 beschlossen, die Selbstverwaltung der privaten Wirtschaft auf den Prüfstand zu stellen und zu erneuern.
Aus unserer Sicht sollten in einem Minimalkonsens auf jeden Fall Kleinstfirmen, die keinen originär gewerblichen Charakter haben und nicht ausbilden können, auf Dauer von Beiträgen befreit werden. Zudem ist es dringend geboten, dass die Kammern für mehr Transparenz in ihrer Rechnungslegung, Geschäftsführung und Qualität sorgen. Dazu könnten entsprechende Leistungskennzahlen herangezogen werden, wie sie auch im unternehmerischen Controlling üblich sind.
Die FDP in Regierungsverantwortung wird sich für eine Prüfung einsetzen, ob Zwänge zu Mitgliedschaften insbesondere in berufsständischen oder anderen staatlich beliehenen Organisationen zu begrenzen oder aufzuheben sind."
Mit freundlichen Grüßen aus Kiel aus der FDP-Fraktion
i.A. von Herrn Kubicki
Christian Albrecht, Pressesprecher, v.i.S.d.P., FDP Fraktion im Schleswig-Holsteinischen