Frage an Wolfgang Gehrcke-Reymann von Daniela D. bezüglich Soziale Sicherung
Sehr geehrter Herr Gehrke,
mir ist aufgefallen, das "die Linke" vor allem in Vierteln mit hohem Migranten und Hartz4 Empfänger- Anteilen mit sozialen Verbesserungen wirbt z.B. dem Sozialticket. Sind sie auf Wählerfang? Die Anzahl der Armen vermehrt sich, unter anderem durch großzügige Alimente fürs Nichtstun. Wer soll ihrer Meinung nach die zukünftigen Armenghettos weiter finanzieren, wenn die Intelligenz abwandert und in Deutschland die Pisa-Versager an den Schulen dominieren?
Ich unterstütze sehr viele Standpunkte der Linken, vor allem in Fragen zur Außenpolitik. Aber wie ihr Sozialstaaat funktionieren soll, wenn ausschließlich das Nichtstun gefördert werden soll, ist mir schleierhaft.
Die Ausländerpolitik der DDR war in meinen Augen beispielhaft. Was halten Sie von der ungezügelten Massenzuwanderung in deutsche Sozialsysteme, wie sie in der BRD praktiziert wird? Die Gastarbeiter aus den 70er Jahren und deren Nachkommen sind nicht das Problem. Warum bemüht sie sich " die Linke" ausgerechnet um Migranten und Harz4ler? Weil das die einzigen sind, die auf Ihre Versprechen reinfallen und eine immer größer werdende Wählerschicht darstellen? Aber das sind nicht diejenigen die für ihre Diäten aufkommen!!!
mit freundlichen Grüßen
Daniela Doberstein
Liebe Frau Doberstein,
vorweg vielen Dank für die Unterstützung unserer Außenpolitik, das ist ja mein Betätigungsfeld.
Ich möchte Ihnen etwas provokant antworten: auch ich bin dagegen, dass bei uns mit Steuergeldern und der Arbeit der Beschäftigten das Nichtstun in einem unglaublichen Umfang gefördert wird. Aber im Unterschied zu Ihnen meine ich ein ganz anderes Nichtstun. 60% des produzierten Reichtums geht in die Säcke der Reichen in diesem Land, Oskar Lafontaine nennt das zu Recht "Faulenzereinkommen, Einkommen ohne Leistung". Die Kapitalbesitzer, die Eigentümer eignen sich diesen Reichtum ohne eigene Arbeit, nur kraft Eigentumstiteln und politischer Macht als quasi natürliches Recht an. Sie benutzten dieses Geld, diesen Reichtum um jene gigantische Finanzblase zu produzieren, deren Platzen uns in eine wirtschaftliche Katastrophe führen kann. Das ist der eigentliche Skandal in diesem Land. Und es sind dieselben Leute, die Arbeitsplätze vernichten. Dazu werden sie von diesem kapitalistischen System gezwungen, das nur die überleben lässt, die ihr Profitstreben am hemmungslosesten ausleben. Wir produzieren immer mehr Waren mit immer weniger Arbeit. Ein Großteil davon ist Überproduktion und fliegt gleich auf den Müll, der andere meist nach kurzem Gebrauch. Dieses System produziert Nichtstuer am laufenden Band. Das Arbeitsplatzangebot sinkt seit Jahrzehnten auch ohne Krise. Die Nichtstuer sind so wenig freiwillig faul wie die Überstundenplotzer freiwillig fleißig sind. Die Arbeit gleichmäßiger verteilt, würde uns allen mehr Freizeit und Freiheit bringen, weniger Herzinfarkte und ein glücklicheres Leben. Aber dem steht dieses System entgegen, das wird nicht zugelassen.
Ganz infam finde ich es dann, wenn Ärmsten in diesem Land die Schuld an dieser Situation zugewiesen wird, die meisten davon sind alleinerziehend oder chronisch krank oder schon älter oder ohne Ausbildung. Sehen Sie sich die Statistiken der Bundesagentur für Arbeit ruhig mal an! (Im übrigen waren Ende 2008 waren über eine halbe Million Hartz-IV-EmpfängerInnen sog. Aufstocker, das heißt, sie können von ihrem Arbeitseinkommen nicht leben. Jetzt dürfte die Zahl schon deutlich höher sein.) Aber die Nummer mit dem Sündenbock funktioniert halt immer noch. Solange die Wut der Leute auf die noch Ärmeren, die Resignierten, die Verlierer, die Ausländer gelenkt werden kann, bleiben die wirklich gefährlichen „Faulenzer“ unbehelligt. Demnächst wird es gegen die Rentner gehen, gegen die Älteren, die den Jüngeren die Arbeitsplätze wegnehmen, oder gegen die Frauen, die den Männern.... Ich wette mit Ihnen, wenn wir dem nicht Einhalt gebieten, sind Sie auch irgendwann dabei. Und ich vielleicht auch.
Im Gegensatz zu Ihnen finde ich die Ausländerpolitik der DDR nicht beispielhaft. Im Prinzip folgte diese Politik einem einfachen Grundsatz: Wir lassen keinen rein! Diese Politik ist in den letzten Jahren der DDR, als der Mangel an Arbeitskräften nicht mehr zu überbrücken war, mit der Anwerbung von Vertragsarbeitenden gelockert worden. Viele der Lebens- und Arbeitsbedingungen von Vertragsarbeitenden waren aus meiner Sicht nicht akzeptabel. Großzügiger war die DDR hingegen in der Aufnahme politischer Flüchtlinge.
Ich habe den Eindruck, dass es zwischen Ihrer und meiner Auffassung prinzipielle Unterschiede gibt, das will ich nicht verhehlen.
Mit freundlichen Grüßen
Wolfgang Gehrcke