Frage an Wolfgang Gehrcke-Reymann von Tobias M. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrter Herr Gehrcke-Reymann,
als außenpolitischer Sprecher der Linke möchte ich Ihnen folgende Fragen stellen.
Avigdor Lieberman war Mitglied in der verbotenen Terrororganisation Kach und die liberale israelische Tageszeitung Haaretz sieht ein "faschistisches Bündnis zwischen den Anhängern Liebermans und den rechten Siedlern" als offensichtliche Gegebenheit an.
Trotzdem wird Herr Lieberman in Berlin empfangen.
Wie ist die Position der Linke in Bezug auf Avigdor Lieberman?
Sehen Sie das Ansehen Deutschlands durch den Empfang Avigdor Liebermans als beschädigt?
Mit freundlichen Grüßen,
Tobias Manthey
Quellenangaben mit Erläuterung:
1.) Artikel der liberalen isrealischen Tageszeitung Haaretz mit dem Titel "It´s not racism, it´s just patriotism"
"The fascist alliance between the settler-style right and the Lieberman-style right is, therefore, accepted as self-evident."
http://www.haaretz.com/hasen/spages/780596.html
2.) Artikel der liberalen isrealischen Tageszeitung Haaretz mit dem Titel "Avigdor Lieberman said to be ex-member of banned radical Kach movement"
http://www.haaretz.com/hasen/spages/1061172.html
3.) Beitrag aus den israelischen Nachrichtensenders IsraelNationalTV über die Mitgliedschaft Liebermans in der Kach.
http://www.youtube.com/watch?v=Mdm1C20BJfw
Sehr geehrter Herr Manthey,
vielen Dank für Ihre Fragen. Die Fakten über Liebermann sind bekannt, er war früher ein Mitglied der rechtsradikalen Kach-Partei von Meir Kahane. Weil diese Partei Rassenhass in extremer Weise propagierte, wurde sie in Israel verboten. Das will schon einiges heißen, denn rechte Parteien, die als rassistisch einzustufen sind, gibt es einige in Israel.
Auch Liebermann selber machte sich immer mit antiarabischen und rassistischen Sprüchen in der Öffentlichkeit bemerkbar. So forderte er z.B. die Überführung der Palästinenser, die seit der Staatsgründung Israels 1948 im Kernland Israels leben und laut israelischer Verfassung gleichberechtigte Staatbürger sind, in einen künftigen palästinensischen Staat. Von den 7,5 Millionen Einwohnern Israels sind immerhin 1,7 Millionen Palästinenser mit israelischer Staatsbürgerschaft. Es geht also um fast ein Viertel der Gesamtbevölkerung, die des Landes verwiesen werden soll.
Liebermann wird auch nachgesagt, er sei in dunkle Korruptionsgeschichten verwickelt und unterhalte Beziehungen zur russischen Mafia. Er gilt als gewalttätig und wurde, weil er einen 12-jährigen Jungen verprügelte, zu einer Geldstrafe verurteilt. All dies wären gute Gründe, Liebermann nicht zum Außenminister Israels zu ernennen. Dennoch ist Netanjahu eine Regierungskoalition mit Liebermann und seiner ultrarechten Partei eingegangen, weil er nur so erneut Israels Ministerpräsident werden konnte.
Wir als Deutsche kennen das sehr gut: Alte Nazis sind nach dem Krieg in hohe Staatsämter gehievt worden und ihre Gastgeber mussten gute Mine zu bösem Spiel machen, selbst Opfer des Faschismus. Das sind Probleme der Diplomatie. Insofern kann eine Fraktion, können Abgeordnete nicht genau so agieren und öffentlich bewerten wie eine Partei oder wie Bewegungen.
Die LINKE ist gegen die gemeinsamen Konsultationen der Bundesregierung mit der israelischen Regierung, die erst seit Angela Merkels Kanzlerschaft eingeführt wurden. Wenn man so etwas macht, handelt man sich Politiker wie Liebermann ein und kommt in Erklärungsnöte, warum man Liebermann als Gesprächspartner akzeptiert und hinter der Hamas in allen Fällen den Leibhaftigen vermutet.
Mit freundlichen Grüßen,
Wolfgang Gehrcke
Ergänzung/Nachtrag
Jeglicher Vergleich mit der Nazi-Herrschaft ist unangebracht und unakzeptabel. Es gibt nichts, was die Einmaligkeit des Menschheitsverbrechens des Holocaust relativieren kann und darf. Das schließt Avigdor Liebermann ein. Seine Politik wird dadurch nicht sympathischer oder vernünftiger.
Wolfgang Gehrcke