Frage an Wolfgang Brauer von Sabine B. bezüglich Soziale Sicherung
Warum zerschlägt der rot-rote Senat die Genossenschaft Eigentum 2000 und was tun Sie gegen die Ausplünderung gutgläubiger Genossenschaftler?
Sehr geehrte Frau Behrens,
dass der Senat die Marzahner Wohnungsbaugenossenschaft „Eigentum 2000“ zerschlägt, ist eine Behauptung des Vorstandes der Genossenschaft und wider besseren Wissens der CDU.
Die Genossenschaft befindet sich in der Insolvenzverwaltung – ist also auf gut deutsch gesagt pleite, sie kann ihre Schulden nicht bezahlen. Wie ist es dazu gekommen, was ist der Anteil der Landespolitik an dieser Situation?
Die Ursachen liegen einige Jahre zurück: Der Wohnungsbestand von „Eigentum 2000“ gehörte in der 90er Jahren der landeseigenen WBG Marzahn. Diese geriet damals als größter Vermieter im Bezirk in eine schwierige Situation. Das hatte etwas mit enormen Leerstandszahlen und sicherlich auch umstrittenen Geschäftsentscheidungen zu tun. Für die städtischen Wohnungsbaugesellschaften spielten aber auch die so genannten „Altschulden“ aus DDR-Zeiten (die genau genommen keine waren, aber das ist ein anderes, sehr böses Thema) und ein wahrer Ausplünderungsfeldzug des Diepgen-Senates durch das Vermögen dieser Gesellschaften eine Rolle. Lange Rede kurzer Sinn: Die WBG Marzahn wurde zu Beginn dieses Jahrzehntes gezwungen Wohnungen zu verkaufen, um ihren Bankrott zu verhindern. Zu diesem Zwecke bediente sich der Stadtentwicklungssenator Peter Strieder (SPD) u.a. der Genossenschaft „Eigentum 2000“. Diese wurde veranlasst, rund 1200 unsanierte Wohnungen im Marzahner Norden zu einem offensichtlich überhöhten Preis der WBG abzukaufen. Kauf und geplante Sanierung sollten komplett aus Krediten finanziert werden. Für diese bürgte das Land/der rot-grüne Übergangssenat mit einer Landesbürgschaft in zweistelliger Millionenhöhe. Übrigens ein ähnlicher Vorgang wie beim Tempodrom-Skandal (für den Strieder zwar den Hut nehmen musste, das Land aber bezahlen durfte). Da die Genossenschaft zum Zeitpunkt des Beginns ihrer Arbeit über so gut wie keine Mitglieder verfügte, hatte sie auch kein nennenswertes Eigenkapital. Liquide Mittel (die jeder private Häuslebauer nachweisen muß, sonst kriegt er keine Kredite!) waren offensichtlich nicht vorhanden. Man lebte fast gänzlich auf Pump. Das konnte nicht lange gut gehen. Im Sommer 2004 stellte sich heraus, dass „Eigentum 2000“ die Kredite nicht mehr bedienen konnte. Neue Kredite gibt keine Bank einem überschuldeten Unternehmen. Also klopfte man beim Senat an – und die Vorstellungen über die notwendigen Summen, die die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung (Frau Senatorin Junge-Reyer/SPD) uns Abgeordneten präsentierte, verdreifachten sich binnen weniger Tage auf eine zweistellige Millionenhöhe plus einer unbekannten „Summe x“.
Sie werden verstehen, dass sich keine Partei im Abgeordnetenhaus (selbst die CDU nicht!) angesichts der Bankenkrise und einer katastrophalen Verschuldung des Landes Berlin darauf einlassen wollte und konnte. Viele Menschen – auch aus unserem Wahlkreis – haben 2001 z.B. der PDS und mir ihre Stimme gegeben, damit wir mit solcher Misswirtschaft Schluß machen und nicht weiter Millionen in Pleiteunternehmen schaufeln.
Da kein zusätzliches Geld kam, meldete der Vorstand der Genossenschaft im Januar 2005 Insolvenz an. Seitdem wird die Genossenschaft von einem Insolvenzverwalter geführt – und der trifft alle wichtigen Entscheidungen. Auch die über die Zukunft der Genossenschaft. Insolvenzverwalter, Vorstand und (wohl am wichtigsten!) die Mitarbeiter der Genossenschaft brachten den Geschäftsbetrieb in Ordnung, der Leerstand wurde auf eine beachtlich niedrige Quote gesenkt. Die Wohnungen sind topsaniert und es ist ein gutes Gefühl, durch den dortigen Kiez zu gehen. Aber am Grundübel, der Unmöglichkeit die Kredite zurückzahlen zu können, konnte auch das beste Sanierungskonzept nichts ändern.
Der Hauptkreditgeber, eine landeseigenen Bank, ist an das Kreditwesengesetz gebunden. Bei auftretenden Verlusten dieser Bank zahlt das Land – also bitteschön: der Steuerzahler -, die schon erwähnte Landesbürgschaft hat einen beträchtlichen Umfang. Die Genossenschaft befindet sich in einem Teufelskreis, der ihrer irrsinnigen Gründungskonstruktion geschuldet ist. Ihr Todeskeim wurde ihr in die Wiege gelegt.
Am Verkauf führt daher offensichtlich kein Weg vorbei. Das Land Berlin macht dabei überhaupt keinen Gewinn, es verkauft auch nicht. Die Genossenschaft ist ein privates Unternehmen, das Sagen hat die Insolvenzverwaltung und der darf niemand Vorschriften machen. Die Unternehmensleitung (der Vorstand) hat im Januar 2005 die bedingungslose Kapitulation erklärt. Nichts anderes ist ein Insolvenzantrag. Durch den Verkauf wird allenfalls die Höhe des Schadens für das Land (die Bürgschaft!) verringert und – jetzt kommt der zweite Teil Ihrer Frage – dieser ist die einzige Möglichkeit, den Mitgliedern ihre Anteile zu erhalten.
Es klingt paradox, aber es ist so. Kommt ein sinnvoller Verkauf zu ordentlichen Konditionen nicht zustande, droht in solchen Fällen die Zwangsversteigerung. Dann sind die Genossenschaftsanteile der Mitglieder weg. Ersatzlos. Jedes Genossenschaftsmitglied haftet mit seinen persönlichen Anteilen für die Geschicke seines Unternehmens. Das ist wie bei der Pleite der Konsum-Genossenschaft. Die Anteile waren weg, obwohl die Immobilien natürlich noch da waren. Das kann und darf dann das Land auch nicht ersetzen.
Nun gibt es bei der Genossenschaft „Eigentum 2000“ eine Besonderheit: Sie ist seinerzeit auf Druck des Senates gegründet worden. Die Mitglieder und Mieter vertrauten auf das Wort der Politik. Auch wenn die PDS damals nicht in der Regierung war: Wenn man erbt, erbt man auch die Schulden – und wir empfinden Verantwortung für das ganz private Vermögen der Menschen, die hier an die Zusagen der Politik glaubten.
Deshalb haben wir unserem Koalitionspartner, der SPD vorgeschlagen, den Genossenschafts-mitgliedern ihre eingezahlten Anteile aus dem Landeshaushalt im Falle eines wenn auch nur teilweisen Verlustes durch den Verkauf aus Landesmitteln zu erstatten. Die SPD teilt diese Position der PDS. Dies ist eine feste Vereinbarung zwischen beiden Parteien. Unsere Position wird von den Grünen und der FDP unterstützt. Wir werden noch vor dem Zusammentreten des neuen Abgeordnetenhauses (das geschieht erst am 26. Oktober) die notwendigen Beschlüsse auf einer Sondersitzung des Hauptausschusses fassen. Bis jetzt ist das noch nicht möglich gewesen, da dazu erst der Kaufvertrag abgeschlossen sein muß.
Sehr geehrte Frau Behrens, kein Genossenschaftsmitglied muß um seine Anteile fürchten, das Land Berlin wird für diese einstehen. Kein Mieter wird vertrieben werden. Kein Haus wird abgerissen werden. Und für die Weiterbeschäftigung der Mitarbeiter werden wir uns einsetzen. Jede andere „Lösung“ würde nur den endgültigen Bankrott und Zusammenbruch provozieren. Das wollen wir verhindern. Und natürlich müssen aus der Geschichte der Genossenschaft „Eigentum 2000“ die notwendigen Lehren gezogen werden. Nicht alles, wo „Genossenschaft“ draufsteht, ist auch wirklich eine gute Sache.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr Wolfgang Brauer