Frage an Wolfgang Brauer von Andreas K. bezüglich Wissenschaft, Forschung und Technologie
Sehr geehrter Herr Brauer,
2 Fragen an Sie
1.Im Berliner Senat kommt wissenschaftlicher Politikberatung im weitesten Sinne, Anbindung an die Sozialwissenschaft im engeren Sinne, in den letzten Jahren sehr wenig Bedeutung zu. Reicht das ihrer Meinung nach aus oder benötigt die Berliner Politik und ihre Vertreter mehr wissenschaftliche Unterstützung?
2. In Zeiten wachsender Imageberatung sinkt das Vertrauen der Bürger in die Politik und die Politiker noch rapider als vorher. Worin sehen sie die Gründe, sehen Sie darin eine Gefahr und wenn ja, wie wollen Sie das Vertrauen wieder gewinnen.
Beste Grüße
A. Kolbe
Sehr geehrter Herr Kolbe,
ich gebe es ehrlich zu - über Ihre Fragen mußte ich lange nachdenken. Ich wollte diese auch nicht mit allgemeinem Geschwafel beantworten (darin sehe ich übrigens einen der von Ihnen in Frage 2 erfragten Gründe schwindenden Vertrauens).
zu Frage 1: Ich kann das nicht beurteilen, die Senatsressorts sind äußerst differenziert zu betrachten, verhalten sich höchst unterschiedlich. Und mit Begriffen wie "die Sozialwissenschaft" vermag ich auch wenig anzufangen - da muß man wohl konkreter werden. Ich selbst lege bei der Vorbereitung meiner eigenen Entscheidungen allergrößten Wert auf den Rat "nichtparlamentarischer" Fachleute, bin für diesen immer dankbar gewesen und werde es auch künftig sein. So manche meiner Entscheidungen wurde durch solch "wissenschaftliche Politikberatung" stark beeinflußt.
Nur ist Politik einerseits das "Bohren dicker Bretter" (will sagen, braucht oft mehr Zeit, als wir alle in unserer täglichen Ungeduld oftmals zu Recht einzuräumen bereit sind) und andererseits sind sehr rasche "Tagesentscheidungen" zu treffen, für die einen Beratungsvorlauf zu organisieren sehr schwer fällt. Dennoch: Politik, die auf Beratung von externen Fachleuten verzichtet, ist zum Scheitern verurteilt. Wir suchen solche Beratung, sind gewillt, diese auch sehr ernst zu nehmen. Sicherlich gibt es da noch sehr viel ungenutztes Potential. Aber wie gesagt: Das ist immer etwas sehr Konkretes.
2. Sehr geehrter Herr Kolbe, ich möchte Imageberatern wirklich nicht zu nahe treten. Das sind wichtige und in der Regel honorige und bemühte Leute. Das Problem sind allerdings Politiker, die anstatt über die Inhalte ihrer Politik nachzudenken, zuallererst auf Image- und PR-Beratung setzen. Was dann rauskommt, darf man getrost "Politikverdrossenheit" nennen, obwohl das ein falscher Begriff ist. "Demokratieverdrossenheit" wäre richtiger. Diese Menschen wählen dann die extreme Rechte oder gehen gar nicht mehr zur Wahl (billigen aber oftmals dann die extremen Parolen). Ich habe die Erfahrung gemacht, daß die Menschen sehr genau wissen, ob ein Politiker ein einmal gegebenes Wort zumindest gewillt ist umzustzen. Er muß es wenigstens versuchen. Mitunter scheitert man auch, weil man immer Mehrheiten organisieren muß. Aber diese Ehrlichkeit ist es, die viele Menschen vermissen. Ich bemühe mich, diese zu bewahren - das kostet Kraft und Mut und nicht immer macht man sich damit Freunde, auch in der eigenen Partei nicht. Ehrlichkeit und Verläßlichkeit sind wohl das Wichtigste.
Zur Ehrlichkeit gehört auch die Bereitschaft, Politik so erklären zu wollen, daß alle Menschen sie verstehen - daran hapert es vollkommen. Die Sprache der deutschen Politik ist in den Augen vieler Menschen ziemlich verlogen geworden: Nehmen Sie nur das Wort "Reform". Eigentlich etwas Gutes. Nur hinter "Reform" steckt seit Jahren immer Sozialabbau, ohne daß die Gesamtsituation besser wird .... Oder - für die Berliner Landespolitik wichtig - das Wort "Sparen". Welch eine Lüge! Wir haben in den letzten Jahren kürzen und streichen müssen. Wenn schon "sparen", dann "einsparen" ... Gut, und dann muß man ohne Tabu erklären, warum das so ist. Das ist anstrengend, aber notwendig und sinnvoll. Wählerinnen und Wähler merken es sich, wenn sie für dumm verkauft werden. Sie verhalten sich dann vollkommen normal und gehen auf "Abstand".
Schlimm ist allerdings offenkundiges Lügen (ob bewußt oder unbewußt ist da nebensächlich). Ich habe das in der letzten Zeit auch im Berliner Wahlkampf, auch im eigenen Bezrik, leider immer wieder erleben müssen. Leider merken manche Menschen dies oftmals erst nach den Wahlen. Und solches rächt sich immer bitter. Und das ist schade. Ich bin in der DDR aufgewachsen und habe den Wert demokratischer Verhältnisse schätzen und lieben gelernt. Um so bitterer ist es erleben zu müssen, wenn diese um vordergründiger Machtspielchen wegen beschädigt werden. Am Ende steht dann immer die Gefahr diktatorischer Verhältnisse.
Die möchte ich mit verhindern helfen - auch deswegen stelle ich mich zur Wahl.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr Wolfgang Brauer