Frage an Wolfgang Berns von Werner S. bezüglich Wirtschaft
Sehr geehrter Herr Berns,
der Durchschnittsbürger musste in den letzten Jahren laut vieler Studien reale Lohneinbußen hinnehmen. Die Vermögensverteilung hat sich dahingehend verändert, dass die vermögensärmsten Haushalte immer weniger Anteil am deutschen Vermögen haben, während die reichsten Haushalte immer mehr haben.
Sie zitieren ja in vorherigen Beiträgen Keynes. Die Einkommenshypothese von Keynes besagt, dass die einkommensstarken Haushalte einen höheren Anteil ihres Vermögens sparen. Demzufolge sind die ärmeren Haushalte gezwungen, einen höheren Anteil ihres Einkommens direkt auszugeben.
Wäre es also volkswirtschaftlich nicht sinnvoll, die unteren Einkommen zu stärken? Dies würde zwangsläufig die Binnennachfrage und somit die Wirtschaft stärken. Oder anders herum gesagt: Autos kaufen keine Autos. Einer der wichtigsten deutschen Industriezweige, der künstlich durch die Abwrackprämie belebt wurde, krankt ja auch daran, dass viele Menschen einfach kein Geld haben, sich ein neues Auto zu kaufen. Wenn ich mir die Politik der FDP aber ansehe, läuft diese darauf hinaus, dieses Ungleichgewicht eher zu verstärken.
Was genau soll man als Durchschnittsverdiener von dem Versprechen "Mehr brutto vom Netto" erwarten? Ich erwarte mir eine Stärkung der Unternehmerseite. Z.B. eine Senkung der Sozialversicherungsbeiträge, von der nur der Unternehmer profitiert, während der Arbeitnehmer zur teureren Privatvorsorge gezwungen wird, von der wiederum andere Unternehmen der Finanzwirtschaft profitieren. Andererseits fehlt dieses Geld für die Vorsorge aber den Haushalten wieder zum Ausgeben, was die Binnennachfrage schwächt. Ist Ihnen dies weniger wichtig, solange es noch genug reiche Mittelständler gibt, die sich ein Oberklasse-Auto kaufen können? Oder würden Sie eine andere Politik vertreten, wenn Sie z.B. Fiat-Verkäufer wären? Denn 90.000 Arbeitsplätze sind in der Autobranche bedroht, wie die FTD jüngst meldete.
Mit freundlichen Grüßen,
Werner Schmidt
Sehr geehrter Herr Schmidt,
vielen Dank für Ihre Frage, die ich gerne wie folgt beantworte: Das Steuermodell der FDP ist nicht nur einfacher, sondern auch gerechter, weil es alle Steuersondertatbestände streichen will. Werbungskosten werden pauschaliert und werden weiterhin angerechnet. Davon haben die niedrigeren Einkommen einen relativ höheren Nutzen. Sonderausgaben sollen ebenso weiterhin angerechnet werden können. Damit werden alle Einkommenshöhen in der Bemessungsgrundlage gleichbehandelt. Nur die Steuersätze steigen, je mehr jemand verdient. Jeder der berufstätig ist, erhält einen Grundfreibetrag in Höhe von € 8004. Erst Einkommen darüber hinaus, gleich aus welchen Quellen es sich speist, wie z.B. Miet- und Pachteinkünfte, werden bis € 20000 mit 10%, dann bis € 50000 mit 25% und darüber hinaus mit 35% versteuert. Dazu kommt immer der Soli mit 5,5%. Das wars. Damit wird die Lohn- und Einkommensteuer transparenter und die Steuerlast sinkt. Beispiel: Ein Facharbeiter, ledig, verdient € 2.500 brutto mtl. Macht im Jahr € 30.000 brutto ohne Weihnachtsgeld, Urlaubsgeld usw. Lassen wir Werbungskosten und Sonderausgaben (weil individuell) mal außen vor. € 30.000 ./. € 8.004 Freibetrag macht € 21.996 zu versteuerndes Einkommen. Auf € 20.000 werden (10%) € 2.000 gezahlt, auf die restlichen € 1.996 zahlt er € 499 Steuern (25%), macht zusammen € 2.499 Lohnsteuer p.a. Fertig.
Damit sinken die Steuern auf großer Breite, auch bei den niedrigeren Einkommen, wo sonst nur wenig steuerlich gestaltet werden kann. So entsteht mehr Gerechtigkeit und mehr Netto vom Brutto. Das mehr Netto sollen Sie nach gusto verwenden können und damit einen Beitrag zum erwünschten Wirtschaftswachstum als Effekt daraus leisten. Damit Deutschland wieder Wachstum in der Wirtschaft generiert, Arbeitsplätze produziert und die Staatseinnahmen wieder wachsen.
Herr Steinbrück, der ja jede wirtschafts- und finanzpolitische Hoffnung in scheinbarer Ehrlichkeit in Abrede stellt, geht ja offenbar von einem anhaltend statischen Zustand unserer Wirtschaft aus. Dass die Zeiten schlecht sind wissen wir alle, aber Wirtschaft ist nie statisch. Entscheidend ist die Richtung die sie nimmt und die Anstöße die man ihr dazu gibt. Dies stellt sich jeder Bundesregierung als Aufgabe. Die Bürger haben ein Recht darauf, dass eine jede Bundesregierung nach Wegen aus der Talsohle sucht. Dieser Pflicht kommt die FDP nach, mit einem neuen Steuermodell, das sich nicht mit weiteren Reparaturen am gegenwärtigen Modell aufhält, flankiert von einem sozialpolitischen Modell, dem liberalen "Bürgergeld", das ein bedingtes Mindesteinkommen durch Aufstockung des Arbeitslohnes vorsieht und dem, der arbeitet, mehr belassen will, als dem, der nicht arbeitet.
Mit freundlichen Grüßen
Wolfgang Berns