Frage an Winfried Nachtwei von Simeon H. bezüglich Innere Sicherheit
Sehr geehrter Herr Nachtwei,
im Rahmen des Deutschen Einsatzes gegen Piraterie vor der Küste Somalias kursiert derzeit der Vorschlag, deutsche Soldaten an Bord von Schiffen deutscher Reeder zur Sicherung mitfahren zu lassen.
Da aber die Flagge eines Schiffes besagt unter welcher Jurisdiktion sich das Schiff befindet, sollten nur auf Schiffen mit _deutscher Flagge_ Soldaten eingeschifft werden - unabhängig davon, zu welcher Reederei sie gehören.
Schliesslich wird für Schiffe mit deutscher Flagge auch eine Steuer an Deutschland gezahlt - wenn Steuern an ein Land mit "Billigflagge" gezahlt werden, sollte sich der (u.U. deutsche) Reeder auch an jenes Land wenden um seine Schiffe zu schützen.
Wie stehen Sie dazu und wie werden Sie dies als Mitglied des Verteidigungsausschusses einbringen?
Vielen Dank,
Simeon Hiertz
Sehr geehrter Herr Hiertz,
vielen Dank für die Anfrage. Auch wir Abgeordneten haben erst aus der Presse erfahren, dass die Bundesregierung beabsichtigt, in offensichtlich beachtlichem Umfang Soldaten als Wachpersonal an Bord von Schiffen zu stationieren. Da in der Politik der Bundesregierung am Horn von Afrika tagtäglich ein anderer Kurs zu erkennen ist, gehen wir nicht davon aus, dass dies das letzte Wort ist. Allerdings: Die Zeit drängt und das Herumlavieren muss ein Ende haben. Die Bundesregierung muss endlich klare Antworten auf die zahlreichen noch offenen Fragen, geben. Wir haben hierzu z.B. eine umfangreiche Kleine Anfrage an die Bundesregierung gerichtet.
Auch Ihre Frage ist berechtigt und verweist auf das Dilemma, wer wen beschützt und wen nicht. Grundsätzlich haben sie natürlich Recht, dass es nahe liegt, Schiffe, die unter deutscher Flagge fahren, bevorzugt zu beschützen. Aber auch und vor allem Schiffe, die für das Welternährungsprogramm unterwegs sind, haben einen Schutzanspruch. Deren Schutz ist auch explizit im Mandat der Vereinten Nationen erwähnt. Da es eine EU-Mission ist, könnte man den Flaggenstaatschutz z.B. auch auf alle EU-Staaten ausweiten. Schutzbedürftigkeit ist natürlich aber nicht nur eine Frage der Nationalität oder wo ich Steuern zahle. Im übrigen hatte die tageszeitung (taz) vor einigen Tagen zu Recht auch darauf hingewiesen, dass die Bundesregierung, wenn sie ein Schiff bewacht oder eskortiert, sicher stellen muss, dass die Ladung nicht zu beanstanden ist.
Allerdings ist aus meiner Sicht die Bereitstellung von Soldaten für Wachaufgaben an Bord von herkömmlichen Handelsschiffen grundsätzlich zu hinterfragen. Das kann kein neues Aufgabenfeld für die Bundeswehr sein. Die Bundeswehr ist kein bewaffneter Werkschutz für Reeder oder Speditionen. Diese haben in erster Linie selbst dafür zu sorgen, dass ihre Schiffe und die Besatzung so ausgerüstet und ausgebildet sind, dass dies Piratenübergriffe zumindest abschreckt und erschwert. Nun kann man lange darüber streiten, ob die Reedereien bewaffnete Mitarbeiter privater Sicherheitsfirmen an Bord nehmen sollten. Sie tun dies bislang nicht, weil sie zu Recht befürchten, dass dies zu einer Eskalation der Gewalt führen könnte. An dieser Eskalationsgefahr ändert sich aber auch nichts, wenn Soldaten oder Polizisten an Bord sind. Wenn diese an Bord eines Schiffes sind, das aus 500 m Entfernung von Piraten mit einer Panzerfaust bedroht wird, die dicken Stahl durchschlagen kann, sind die Möglichkeiten zur Abschreckung begrenzt.
Nicht nachvollziehbar ist für uns bislang auch die Absicht, Soldaten statt Polizisten an Bord zu stationieren. Die Bekämpfung der Piraterie ist nach deutscher Rechtsauffassung eine polizeiliche Aufgabe, für die die Bundespolizei See zuständig ist. Bislang sagte man, dass diese aber nicht über die entsprechenden Schiffe verfüge, weshalb man auf die Bundeswehr angewiesen sei. Das ist bei einer Stationierung an Bord von Handelsschiffen natürlich nicht das Problem. Mag sein, dass die Bundesregierung begründen kann, warum diese Aufgabe militärische Fähigkeiten erfordern, die Polizisten nicht mitbringen. Bislang haben wir hierfür von der Bundesregierung aber noch keine plausible Begründung gehört.
Wer die diversen Berichte der vergangenen Wochen zum Thema Piraterie am Horn von Afrika zur Kenntnis genommen hat, der weiß, dass mit 5 oder 10 weiteren Kriegsschiffen in einem Gebiet mit der mehrfachen Größe der Bundesrepublik, den Piraten nicht das Handwerk gelegt wird. Das Grundproblem bleibt die katastrophale Situation in Somalia selbst. Wenn die Soldaten nicht in den kommenden zwanzig Jahren das Horn von Afrika bewachen sollen, muss sich die Bundesregierung, die EU und die internationale Staatengemeinschaft Gedanken machen, wie man hier wirksam helfen kann.
Mit freundlichen Grüßen
Winfried Nachtwei