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Winfried Nachtwei
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Karl M. •

Frage an Winfried Nachtwei von Karl M. bezüglich Recht

Hallo Herr Nachtwei,

vor einiger Zeit stellte ich Ihnen eine Frage über Ihre offizielle MDB-Homepage bzgl. der sich androhenden
Einschränkung der informationellen Selbstbestimmung der Bürgerinnen und Bürger durch den sogenannten Bundestrojaner. Leider haben Sie nicht geantwortet, so dass bei mir der Eindruck der Untätigkeit des für mich zuständigen MdB vorliegt. Können Sie dieses Image entkräften, oder laesst Sie Ihr Gewissen trotz der Kenntnis der aktuellen Entwicklung um das "Schaeuble.exe"-Projekt weiterhin ruhig verweilen.

Mit freundlichen Grüßen
Ein (ehemaliger?) Grünen/B90-Wähler

Portrait von Winfried Nachtwei
Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Meier,

anbei sende ich Ihnen eine Stellungnahme der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/ Die Grünen zum Thema Online- Untersuchungen.

Sehr geehrter Herr Meier,

vielen Dank für Ihr Schreiben zum Thema Online-Durchsuchung.

Wie Sie wissen, stehen auch Bündnis90/Die Grünen dieser Methode der Geheimdienste äußerst kritisch gegenüber. Die Durchsuchung einer privaten Festplatte ist ein sehr weit reichender Eingriff in die Grundrechte.

Der heimische PC wird von vielen Menschen nicht nur als Arbeitsgerät, sondern auch für private Zwecke benutzt. Auf fast jeder Festplatte finden sich private Korrespondenz, Fotoalben, Tagebücher und anderes, was eindeutig in den Intimbereich der Privatsphäre fällt. Bei einer heimlichen Durchsuchung mithilfe eines Bundestrojaners ist der besondere Schutz, den dieser Bereich bisher bei allen Formen der Durchsuchung und Überwachung genießt nicht mehr aufrecht zu erhalten.

Bei einer konventionellen Haussuchung ist wegen des Eingriffs in die Grundrechte die Anwesenheit des Wohnungsinhabers vorgeschrieben und es muss ein richterlicher Durchsuchungsbefehl vorliegen. Bei der Telefonüberwachung muss ebenfalls ein Richter zustimmen, und die Betroffenen werden nach Abschluss der Maßnahme informiert. Diese Transparenz fällt bei der geheimen Durchsuchung einer Festplatte weg - es ist ja gerade das erklärte Anliegen von Herrn Schäuble, ohne Kenntnis des Benutzers in private Computer einzudringen.

Vor kurzem hat die Bundesregierung mitgeteilt, dass Online-Durchsuchungen bereits unter Rot-Grün begonnen hätten. Im Juni 2005 wurde eine Dienstvorschrift geändert, um den Geheimdiensten die "offensive Beobachtung des Internet" zu ermöglichen. Diese Vorschrift wurde erst später so ausgelegt, dass sie auch Online-Durchsuchungen erlaubt. Wir halten diese Vorschrift für völlig unzureichend, um einen so weitgehenden Eingriff in die Grundrechte zu rechtfertigen.

Wir werden uns dafür einsetzen, die Online-Durchsuchung privater Festplatten nicht zum Standardinstrument von Geheimdiensten und Polizei wird. Der Bundesinnenminister strebt das an, und die SPD beschränkt sich darauf, eine ausreichende Rechtsgrundlage zu fordern, bis hin zur Grundgesetzänderung. Ob die Online-Durchsuchung überhaupt ein Erfolg versprechendes Mittel ist, bleibt dabei offen. Diese Ausweitung der Ermittlungsmöglichkeiten auf Vorrat geht uns zu weit. Online-Durchsuchungen wären eine weiterer Schritt auf dem Weg zum Generalverdacht. Dass Herr Schäuble gegenüber der "taz" sagt, anständige Menschen hätten ja nichts zu befürchten, zeigt, wie salopp er mit den Grundprinzipien unseres Rechtsstaates umgeht.

Mit freundlichen Grüßen, Winfried Nachtwei