Frage an Winfried Nachtwei von Sebastian B. bezüglich Recht
Sehr geehrter Herr Nachtwei
Flugverbot über dem Zentrum von Berlin ist doch ein typischer, völlig populistischer und sinnloser Akt. Er impliziert die merkwürdige Vorstellung, dass ein Terrorist sich durch ein unsichtbares Verbotsschild abschrecken lässt. Als könnte man durch Halteverbote vor Banken in den Innenstädten Banküberfälle verhindern?
Ähnlich groteske und nur aktionistische Vollzüge häufen sich derzeit bei den Sport- und Privatfliegern, die sich neuerdings einer wirklich totalen "freiwilligen" Zuverlässigkeitsuntersuchung (§7 LuftSiG) unterziehen müssen, bei der sämtliche Geheimdienste der Welt (auch die alte Stasiakten!) und selbst der Arbeitgeber zur Auskunft einbezogen werden. Als würde sich irgendein Terrorist vorher dieser Untersuchung stellen. Der fliegt nämlich einfach vom Ausland ein oder nimmt einen Lastwagen, der viel mehr Sprengstoff tragen kann als jedes Leichtflugzeug.
Alles bewirkt nur den gläsernen Bürger und eine Menge unsinniger Bürokratie und die Stasi wäre stolz darauf gewesen, hätte sie schon diese Möglichkeiten gehabt. Auch eine künftige radikale Regierung findet solche "Notstandgesetze" bereits vor! Eine schreckliche Vorstellung, dass wir vielleicht denen schon jetzt in die Hand arbeiten!
Mit denselben Argumenten kann auch jeder Führerscheinbesitzer "durchleuchtet" werden und auch jeder Rucksackträger und dies ist sogar noch besser begründbar, da bisher jede Menge Autobomben in den Innenstädten explodiert sind. Es war aber noch niemals ein Sportpilot darunter!! Sind Sie der Meinung, dass hier das rechtsstaatliche Prinzip der Verhältnismäßigkeit gewahrt ist? Sind Sie der Meinung, dass so die Würde des Menschen unangetastet bleibt, wenn solche willkürliche Schnüffelei über die Minderheit der Sportflieger kommt. Wissen Sie, dass die Sportflieger dies "freiwillig" unter Androhung von Lizenzverlust beantragen müssen?
Sind unsere führenden Regierungsvertreter inzwischen nicht mehr beeinflusst von psychisch Kranken (Motorseglerpilot über Frankfurt) und Selbstmördern (Absturz neben dem Reichstag), als von normalen Bürgern (Sportpiloten), die nicht mehr gehört werden?.
Was ist eine freiheitliche Demokratie noch wert, wenn sie so mit ihren Minderheiten umgeht?
Freiheit und Demokratie und Menschenwürde, werden sie dadurch geschützt, dass man sie schleichend abschafft?
Das Bundesverfassungsgericht hat vor ganz kurzer Zeit, eine ähnliche Telefonspionage - ohne jeden Verdacht - als nicht verfassungskonform bezeichnet.
Es gibt bei uns jetzt erneut und aktuell keinerlei Grenze zum Ausspionieren durch jede unkontrollierte Bürokratenwillkür und wir werden wohl demnächst wegen jeder Kleinigkeit vom Himmel geholt. Wir werden sogar genötigt, den Antrag sofort zu stellen. Ansonsten werden wir mit sofortigem Linzensentzug bedroht!
Was werde Sie, als unser künftiger Abgeordneter, dagegen tun?
Wie stehen Sie zu dieser Entwicklung im Orwellschen Sinne?
Können Sie mir als mein Wahlkandidat diese Fragen befriedigend beantworten?
Mit freundlichen Grüßen und in Erwartung Ihrer Antwort
Sebastian Budnik
Sehr geehrter Herr Budnik,
haben Sie Dank für Ihre Anfrage vom 9. August 2005.
Nach den Anschlägen des 11. September 2001 wurde weltweit über neue Maßnahmen für mehr Luftsicherheit diskutiert. Das deutsche Luftsicherheitsgesetz setzt die EU-Verordnung für mehr Sicherheit in der Zivilluftfahrt um, die auch Zuverlässigkeitsüberprüfungen vorsieht. Der Luftzwischenfall in Frankfurt und der absichtliche Absturz vor dem Reichstag in Berlin haben deutlich gemacht, dass auch Kleinflugzeuge ein Bedrohungs- und Gefährdungspotential darstellen können.
Die Innenministerkonferenz ist im Mai 2003 zu dem Ergebnis gekommen, dass der Luftverkehr gegenüber anderen Verkehrsträgern einer besonderen Gefährdung unterliegt. Durch die Nutzung eines Kleinflugzeuges als Tatwaffe können massive Schäden angerichtet werden, wenn diese z. B. mit Sprengstoff beladen werden.
Der Staat hat die Verantwortung, die Bevölkerung vor Gefahren zu schützen. Eine Zuverlässigkeitsüberprüfung halten wir für erforderlich. Wir teilen aber Ihre Auffassung, dass die Regelungen im Luftsicherheitsgesetz zu bürokratisch sind. In den Verhandlungen hatten wir uns dafür eingesetzt, die Zuverlässigkeitsüberprüfung wie in der EU-Verordnung vorgesehen, lediglich alle 5 Jahre zu wiederholen. Eine jährliche Überprüfung ist übertrieben und für die Betroffenen mit nicht verhältnismäßigen Kosten verbunden.
Wir werden uns hier erneut für erträgliche und vermittelbare Regelungen einsetzen.
Piloten sind nicht die einzigen Betroffenen.
Zuverlässigkeitsüberprüfungen gab es bereits vor Inkrafttreten des Luftsicherheitsgesetzes für Personen, die in sicherheitsrelevanten Bereichen arbeiteten (z.B. Kernkraftwerke). Diejenigen Personen, die in beruflichem Zusammenhang regelmäßig in den sicherheitsrelevanten Bereichen der Verkehrsflughäfen tätig waren, z.B. Personal der Flughafenbetreiber und Luftfahrtunternehmen, sowie die Mitarbeiter der Flugsicherung, die einen Einfluss auf die Sicherheit des Luftverkehrs haben, müssen sich einer regelmäßigen Sicherheitsüberprüfung unterziehen. Auch Hobbypiloten haben Zutritt zu den relevanten Sicherheitsbereichen und sind deshalb in die Überprüfung einzubeziehen. Einer der Attentäter des 11.09. war übrigens Inhaber einer Privatpilotenlizenz.
Auch wir sehen, dass Zuverlässigkeitsprüfungen kein Allheilmittel gegen Bedrohungen sind, aber auf sie zu verzichten wäre leichtfertig. Natürlich ist es bedauerlich, dass sich viele rechtschaffene Bürgerinnen und Bürger, die sich nie etwas zuschulden haben kommen lassen, diesem Verfahren unterziehen müssen. Die Bedrohung durch den internationalen Terrorismus hat zu einer Verschärfung der Sicherheitsmaßnahmen geführt. Wir setzen uns dafür ein, dass das, was erforderlich ist, verhältnismäßig angewandt wird. Die Bürgerinnen und Bürger bitten wir um Verständnis und Unterstützung.
Die angeordnete Sperrung des Luftraumes über dem Regierungsviertel halten wir für unsinnig. Hier wird öffentlichkeitswirksam Scheinsicherheit produziert. In wenigen Minuten ist jedes Flugzeug von Berlin-Tegel im Bereich des Regierungsviertels. Ein Terrorist wird sich kaum von einem Flugverbot abschrecken lassen. Die präventive Sicherheit muss am Boden ansetzen.
Geradezu abenteuerlich ist die Forderung des bayrischen Innenministers Beckstein, der auch noch Flugabwehrraketen um Reichstag und Kanzleramt postieren will. Union und SPD wetteifern bereits über weitere Flugverbotszonen zum Weltkirchentag, zur Fußball-WM und wenn das Regierungsviertel von Berlin besonders geschützt wird, braucht München natürlich auch eine Flugverbotszone.
Wir verschließen uns keinen Maßnahmen, die für eine sinnvolle Abwehr von Terroranschlägen erforderlich sind. Die Luftsicherheit muss am Boden gewährleistet werden, bevor ein Flugzeug in die Hände von Terroristen gelangt.
Mit freundlichen Grüßen
Winfried Nachtwei