Frage an Winfried Hermann von Hechinger Weltladen Monika S. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrter Herr Hermann,
1. Wie wollen Sie als Vertreter der deutschen Bevölkerung konkret dafür sorgen, dass die Welthandelspolitik bei uns demokratischer gestaltet wird?
2. Wie wollen sie dafür sorgen, dass die Entwicklungsländer in den Agrarverhandlungen nicht weiter erpresst werden und ihre Märkte öffnen müssen?
3. Wie wollen Sie verhindern, dass die Entwicklungsländer weiterhin dazu gedrängt werden, ihre global noch nicht wettbewerbsfähigen Industrien dem Wettbewerb zu öffnen?
4. Wie wollen Sie dazu beitragen, dass wichtige Dienstleistungsmärkte des Südens nicht noch weiter unter die Kontrolle der Konzerne des Nordens geraten?
5. Wie wollen Sie sicherstellen, dass Umweltschutzmaßnahmen wie etwa ein Verbot von gentechnisch veränderten Pflanzen von der WTO nicht weiter unterminiert werden?
Ein gerechterer Welthandel und eine Lösung der Schuldenkrise, Reformen in Entwicklungsländern selbst sind wichtige Voraussetzungen für eine sozial und ökologisch tragfähige Entwicklung in vielen Teilen der Welt. Die grüne Fraktion hat sich in diesen Feldern stark engagiert und ich bin mir sicher, dass wir uns auch im kommenden Bundestag für ein gerechteres Welthandelssystem, welches Entwicklungsländern fairere Chancen einräumt, einsetzen werden.
Ich möchte ihre Fragen zur internationalen Handelspolitik zusammenhängend folgendermaßen beantworten: Die Welthandelsrunde (sog. Doha-Entwicklungsrunde) muss ihrem Versprechen gerecht werden und einen Beitrag dazu leisten, dass durch gerechten Handel Millionen von Menschen aus der Armut befreit werden. Die aktuellen Regeln des Welthandelssystems bevorzugen die Industrieländer. Durch hohe Subventionen und Marktzugangsbarrieren für „sensible Produkte“ im Agrarbereich oder bei verarbeiteten Produkten, wird der Marktzugang für Entwicklungsländer häufig erschwert. Der Protektionismus der reichen Industrieländer kostet die Entwicklungsländer nach Schätzungen der Weltbank jährlich rund 100 Mrd. Dollar und damit mehr als die gesamte öffentliche Entwicklungshilfe, die im Jahr 2004 circa 78,5 Mrd. Dollar betrug.
Eine echte Hilfe für die Erreichung der UN- Entwicklungsziele wird also ein fairer Marktzugang zu den Märkten der Industrieländer sein. Im restlosen und unverzüglichen Abbau der Agrarexportsubventionen liegt das größte Potential. Als erstes muss der Export von subventioniertem Zucker eingestellt werden und die Baumwollsubventionen abgebaut werden. Hier sind vor allem die EU und die USA gefordert. Gleichzeitig gilt es die internen Subventionen in den Industrieländern erheblich zu reduzieren und so zu gestalten, dass von ihr keine schädlichen Wirkungen mehr auf die Nahrungsmitteproduktion in Entwicklungsländern ausgehen. Auf Seiten der Entwicklungsländer müssen die legitimen Schutzinteressen der armen Länder vor allem im Bereich der Ernährungssicherung berücksichtigt werden. Weil wir um die besondere Bedeutung von Kleinbauern in Entwicklungsländern wissen, sind wir der Meinung, dass Schutzmassnahmen zur Ernährungssicherung in Entwicklungsländern im Rahmen der WTO und anderer internationaler Handelsabkommen möglich sein müssen. Es gilt den Entwicklungsländern das Recht zu zugestehen, ihren eigenen Agrarsektor schützen und fördern zu können. Dabei sollten jedoch alle Maßnahmen transparent und nachvollziehbar im Sinne der Ernährungssicherung erfolgen.
Das WTO-Ministertreffen in Hongkong sollte im Dezember einen couragierten Durchbruch in Richtung gerechten Handel wagen. Allen Beteiligten an der Welthandelsrunde sollte klar sein: Entwicklungsländer, die mittlerweile mehr als drei Viertel der Mitgliedstaaten ausmachen werden keinen Ergebnissen zustimmen, von denen sie sich keine handfesten wirtschaftlichen Vorteile erhoffen.
Ob es gelingt, die laufende Welthandelsrunde abzuschließen, hängt wesentlich von den Agrarverhandlungen ab. Wir haben in den letzten Jahren eine grundlegende Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik verfolgt und treten auch weiterhin dafür ein. Die europäische Landwirtschaft muss an den Prinzipien der Nachhaltigkeit ausgerichtet werden, kompatibel mit den Standards der WTO sein und sich stärker an den Interessen der Verbraucher orientieren. Durch den Abbau der marktverzerrenden Maßnahmen, wie interne Preisstützung, Exporterstattungen und staatliche Intervention im Falle nicht absetzbarer Überschüsse, sollen die Erzeuger besser auf die Signale des Marktes und die Bedürfnisse der Verbraucher reagieren können. Dies erhöht die WTO-Konformität der gemeinsamen Agrarpolitik und trägt zu fairen Handelschancen insbesondere für die Entwicklungsländer bei.
Die Politik internationaler Finanzinstitutionen wie der Weltbank oder der WTO darf die Ziele globaler Umweltpolitik nicht gefährden oder gar konterkarieren. In der WTO sollte dem umweltpolitischen Vorsorgeprinzip mehr Bedeutung eingeräumt werden. Bezogen auf die Umweltthemen in der laufenden Welthandelsrunde, soll am Ende der Verhandlungen der Wegfall umweltschädlicher Subventionen in der Fischerei und in der Landwirtschaft stehen.
Wir wollen, dass das Umweltprogramm der Vereinen Nationen (UNEP) und die Sekretariate der wichtigen multilateralen Umweltabkommen einen formalen Beobachterstatus bei der WTO bekommen. Vorrangig sind aber die Anerkennung der Gleichrangigkeit und die gegenseitige Unterstützung von Multilateralen Umweltabkommen und WTO-Regeln. Durch entsprechende Ergänzungen in den WTO-Verträgen muss sichergestellt sein, dass Maßnahmen und Standards, die in globalen Umweltschutzabkommen festgelegt sind, nicht durch die Streitschlichtung in der WTO in Frage gestellt werden können.
Wir setzen uns dafür ein, dass Wasser nicht als ein beliebiges Wirtschaftsgut, sondern als ein öffentliches Gut und der Zugang zu Trinkwasser als ein Menschenrecht wahrgenommen und anerkannt wird. Diesen Grundsatz haben wir in unserer bisherigen Politik verfolgt: Die Bundesrepublik ist mit rund 350 Mio. Euro jährlich der größte europäische Geber im Wassersektor in der Entwicklungszusammenarbeit und der zweitgrößte weltweit. Der Wassersektor ist Schwerpunkt der deutschen Zusammenarbeit mit 27 Entwicklungsländern, was mehr als einem Drittel der Staaten entspricht, in denen Deutschland in der Entwicklungszusammenarbeit tätig ist. Rund 42 Prozent der Mittel stehen afrikanischen Partnern und damit der am stärksten betroffenen Region zur Verfügung. Ausschlaggebend für die jeweilige Gewährleistung einer umfassenden Wasserversorgung ist, unter welchen rechtlichen und institutionellen Rahmenbedingungen eine sozial tragbare und ökologisch nachhaltige Versorgung vor allem der ärmsten Bevölkerungsschichten gesichert werden kann. Diese auch im Zusammenhang mit der Beteiligung privater Unternehmen verknüpfte Frage muss für jedes Entwicklungsland, für jede Region und für jede Kommune individuell geklärt werden.
Auf internationaler Ebene hat sich die Bundesrepublik Deutschland auch über die Millenniums-Entwicklungsziele hinaus als bedeutender Akteur in die Wasserpolitik eingebracht, unter anderem durch die Initiierung des so genannten Petersberg-Prozesses sowie der Ausrichtung der Internationalen Süßwasserkonferenz 2001 in Bonn. Unter den G8-Staaten hat Deutschland im Rahmen des „G8-Afrika-Aktionsplans“ die Federführung im Bereich grenzüberschreitendes Wassermanagement übernommen und Schritte zur Vernetzung von Flussgebietskommissionen vorangetrieben. Zum Wasserfonds der Europäischen Union trägt die Bundesregierung rund 23 Prozent (117 Mio. Euro) bei. Die Vereinten Nationen werden von der Bundesrepublik im Wassersektor unterstützt, auch im „UN Advisory Board for Water and Sanitation“ von Generalsekretär Kofi Annan ist Deutschland vertreten.
Mit den besten Grüßen
Ihr Winfried Hermann, MdB