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Winfried Hermann
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Frage von Friedrich S. •

Frage an Winfried Hermann von Friedrich S. bezüglich Soziale Sicherung

Kopfpauschale.

Es ist Herrn Rösler in seinem Gesundheitsreförmchen nicht gelungen die Arzneimittelhersteller im Zaum zu halten.Die Preisgestaltung hängt letztendlich vom Goodwill der Chemiekonzerne ab- wie gehabt.
Was mich als Rentner mächtig ärgert:"Dass ich von meiner Betriebsrente 18% Krankenversicherung incl.Pflegeversicherung bezahlen muss".Einkommensteuer sowieso.
In der ganzen Bundesrepublik ist das einmalig.Die Beamten lachen mich nur aus,denn diese bezahlen nichts.
Ab 2011 kommt die Prämienerhöhung,dann sind es 18,6% + Kopfpauschale.
Wie ist Ihre Meinung zu dieser gnadenlosen Abzockerei der Rentner?

Mit freundlichen Grüßen

F. Stump

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrte Herr Stump,

vielen Dank für Ihre E-Mail zu den Auswirkungen der Gesundheitsreform auf die Höhe Ihrer Krankenversicherungsbeiträge.

Die von Ihnen kritisierte Regelung geht zurück auf die Gesundheitsreform 2004. Damals wurde von Bündnis 90/Die Grünen, der SPD und der CDU/CSU beschlossen, dass auf Arbeitseinkommen von Rentnerinnen und Rentnern aus selbstständiger Tätigkeit und auf Versorgungsbezüge, die im Zusammenhang mit einem früheren Arbeitsverhältnis stehen, statt des halben allgemeinen Beitragssatzes der volle Krankenversicherungsbeitrag gezahlt werden muss. Darüber hinaus wurden die Bezieherinnen und Bezieher von laufenden und einmalig gezahlten Versorgungsbezügen gleichgestellt. Auf einmalig ausgezahlte Versorgungsbezüge, die im Rahmen der betrieblichen Alterssicherung abgeschlossen wurden, waren bis dahin keine Beiträge zu entrichten, wenn die Kapitalabfindung vor Renteneintritt ausgezahlt wurde. Laufende Versorgungsbezüge und Kapitalabfindung nach Renteneintritt wurden dagegen schon bis dahin mit Beiträgen belegt. Diese unterschiedliche Behandlung von laufenden und einmalig gezahlten Versorgungsbezügen war ungerecht. Sie spiegelte nicht die tatsächliche wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Betroffenen wieder, sondern machte die Höhe der Beitragsbelastung vom Auszahlungsmodus abhängig. Beschlossen wurde damals auch, dass bei Auszahlung der Einmalzahlung die Beiträge zur Krankenversicherung nicht auf einen Schlag fällig werden. Sie werden auf zehn Jahre gestreckt.

Auslöser der Gesetzesänderungen war der Umstand, dass der Selbstfinanzierungsanteil der Krankenversicherung der Rentnerinnen und Rentner von 1973 bis 2003 von gut 70 Prozent auf rund 43 Prozent abgesunken war. Rund 57 Prozent mussten über das Beitragsaufkommen der jüngeren Krankenversicherten aufgebracht werden. Vor diesem Hintergrund haben wir und die anderen an der Gesundheitsreform 2004 beteiligten Parteien es für notwendig gehalten, dass sich leistungsfähige Rentnerinnen und Rentner stärker an den Kosten ihrer Krankenversicherung beteiligen als bis dahin.

Zu dieser Neuregelung hat es in den vergangenen Jahren verschiedene Klagen gegeben, die bis vor das Bundessozialgericht (BSG) gegangen sind. In den bisher abgeschlossenen Verfahren hat das BSG jeweils entschieden, dass die Ausweitung der Beitragspflicht rechtens ist.

Rein rechtlich scheinen die geltenden Regelungen zur Verbeitragung von Versorgungsbezügen also in Ordnung zu sein. Wenigstens ebenso wichtig ist aber natürlich die Frage, ob diese Regeln als „gerechter“ als die bis dahin geltenden Regelungen bezeichnet werden können. Wir würden diese Frage auch in der Rückschau grundsätzlich mit einem „Ja“ beantworten. Zum einen, weil die Rechtsänderung zu mehr Beitragsgerechtigkeit zwischen älteren und jüngeren Versicherten geführt hat. Aber auch, weil in der gesetzlichen Krankenversicherung der Grundsatz gilt, dass die Beiträge nach wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit erhoben werden. Zu dieser Leistungsfähigkeit tragen aber auch die Bezüge bei, die Versicherte neben ihren Renteneinkommen erhalten. Dies gilt selbstverständlich auch für einmalig ausgezahlte Geldsummen, die die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Betroffenen auch über den Monat der Auszahlung hinaus verbessern. Trotzdem – da sind wir uns in der Bewertung wahrscheinlich einig – sind die beschlossenen Regelungen natürlich nicht wirklich befriedigend. Dass die zusätzliche Alterssicherung beitragsrechtlich unterschiedlich behandelt wird – je nachdem, ob sie privat oder über den Arbeitgeber abgeschlossen wird – ist auch aus unserer Sicht unbefriedigend.

Wir wären deshalb lieber einen anderen Weg gegangen. Wir setzen uns nach wie vor für eine Bürgerversicherung ein, in die die gesamte Wohnbevölkerung einbezogen und die Beitragsbemessungsgrundlage auf alle Einkunftsarten bis zur Beitragsbemessungsgrenze ausgedehnt wird. Auch eine solche Ausweitung der Beitragsbemessungsgrundlage würde zu höheren Beitragszahlungen für die Versorgungsempfänger führen, die neben ihren Versorgungsbezügen auch eine Altersrente erhalten. Die Mehrbelastungen würden aber deutlich niedriger ausfallen, als mit der nun geltenden Regelung. Allerdings gibt es für solch einen großen Reformschritt noch keine parlamentarischen Mehrheiten.

Die Schwarz-Gelben Pläne zur Gesundheitsreform bedeuten den Einstieg in den Ausstieg aus der Solidarität. Zukünftige Kostensteigerungen müssen über die Zusatzbeiträge allein von den Versicherten getragen. Während die Versicherten zur Kasse gebeten werden, hat die schwarz-gelbe Bundesregierung viele Zugeständnisse an ihre Klientel, z.B. Pharmaindustrie und private Krankenversicherung, gemacht. Dazu gehört auch, dass die von Ihnen kritisierte Preisgestaltung bei Arzneimitteln den Herstellern immer noch sehr viel Spielraum zur Preisfestsetzung lässt. Die Vorschläge zur Bewertung der Wirksamkeit von Arzneimitteln gehen uns nicht weit genug. Wir setzen uns beispielsweise für eine Rückzahlungspflicht der Pharmaindustrie an die Kassen ein, wenn sich ein Medikament bei der sogenannten Kosten-Nutzen-Bewertung als überteuert herausstellt. Darüber hinaus halten wir an einer Positivliste für Arzneimittel fest. Sie kann PatientInnen sowie der Ärzteschaft eine wichtige Orientierungshilfe sein und verhindert den Einsatz unnötiger oder sogar schädlicher Medikamente.

Mit freundlichen Grüßen

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