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Frage von Eike B. •

Frage an Willem Schuth von Eike B. bezüglich Verkehr

Sehr geehrter Herr Schuth,

Der Klimawandel und der Beitrag des Verkehrs dazu sind ein wichtiges Thema. Daher bitte um Ihre Erläuterungen zu den folgenden Fragen:

1) Im Februar wird das Europäische Parlament über seinen Bericht zum Klimawandel „Die Zukunft beginnt heute“ abstimmen. Darin werden die Ziele formuliert, dass die EU bis 2050 80% ihrer Treibhausgase vermindern soll. Auf dem Weg dahin soll sie bis 2020 eine Minderung von 20% verbindlich erreichen.
Wie werden Sie abstimmen?

2) Das Europa-Parlament hat schon früher explizit für den Transportsektor gefordert, dass dieser bis 2020 eine Verminderung seines CO2-Ausstoßes um 20% erreichen müsse. Entschließung vom 12. Juli 2007 zu "Für ein mobiles Europa - Nachhaltige Mobilität für unseren Kontinent".
In diesem Zusammenhang würde ich gerne erfahren, wie Sie sich die
konkreten Maßnahmen im Verkehrssektor vorstellen, und zwar
a) geeignete politische Maßnahmen bis 2020
b) geeignete politische Maßnahmen bis 2050
Die konkreten Beiträge des Straßenverkehrssektor zu dem Ziel „minus 20% bis 2020“ interessieren mich dabei besonders.

3) Die aktuelle Novellierung der Eurovignetten-Richtlinie würde eine
Gelegenheit bieten, Klimakosten für die LKW einzubeziehen. Sie weigern sich aber, Klimakosten anrechnen zu lassen, obwohl LKW eine Menge CO2 ausstoßen. Weil auch die anderen Instrumente auf die lange Bank geschoben werden, passiert beim Straßengüterverkehr also überhaupt nichts zum Klimaschutz. Ich finde das volkswirtschaftlich gesehen äußerst riskant, umweltpolitisch sowieso. Wieso soll die EU trotzdem darauf verzichten?

4) Sie haben viele Änderungsanträge gestellt, um jede Erwähnung von Staukosten aus der RL zu streichen. Aber bei jeder Fahrt auf der Autobahn sehe ich, wie Staus durch LKW gemacht oder verlängert werden. Und für PKW können doch auch Staukosten erhoben werden (siehe London, Stockholm etcetc) Warum sollen die LKW ausgespart werden?

Danke für Ihre Antworten. Freundliche Grüße
Eike Brandström

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Antwort von
FDP

Sehr geehrter Herr Brandström,

ich danke herzlich für Ihr Interesse an meiner Arbeit und für Ihre Anfrage bezüglich des Interessenkonflikts zwischen Mobilität und Klimawandel generell sowie bezüglich der Eurovignette III im Besonderen.

Zu Ihrer ersten Frage, der Frage nach meiner Meinung zum Bericht "Die Zukunft beginnt heute": Die FDP im Europäischen Parlament hat sich geschlossen dazu entscheiden, nicht für diese Resolution des Parlamentes zur Klimapolitik zu stimmen und sich zu enthalten, da unserer Meinung nach hier zu weitreichende Eingriffe in die private Lebensgestaltung der Bürger gefordert wurden. Unser umweltpolitischer Sprecher, Holger Krahmer, meinte dazu: "Umweltschutz ist wichtig. Aber es ist nicht Aufgabe der Politik, Bücher mit Alltagstips für die Bürger zu beschließen." Vor allem Forderungen nach der Reduktion des Fleischverzehrs aus Gründen des Klimaschutzes stießen bei meinen Kollegen und mir auf Ablehnung. Die Bürger müssen solche Entscheidungen selbst treffen, Verbote haben hier keinen Platz. Zwar unterstützen wir natürlich die langfristige Stärkung erneuerbarer Energien, allerdings müssen wir dabei doch die Realität im Auge behalten, denn nach derzeitigem Kenntnisstand kann die erneuerbare Energie noch nicht die fossilen Energieträger ersetzen. Wie die FDP plädiere auch ich für einen breiten und vernünftigen Energie-Mix, zu dem auch die Nutzung der fossilen Rohstoffe und die friedliche Nutzung der sicheren Kerntechnik gehören.

Was die Auswirkungen des Verkehrssektors auf den Klimawandel angeht, stimme ich absolut mit Ihnen überein, dass wir uns mit allen Kräften für eine nachhaltige Mobilität einsetzen müssen. In der europäischen Verkehrspolitik rein ideologisch motiviert zu argumentieren und zu handeln, bringt uns jedoch nicht weiter. Das verkehrspolitische Ziel von uns Liberalen ist die Sicherung einer nachhaltigen Mobilität für alle. Das Mobilitätsbedürfnis der und die Mobilitätserwartungen an die Bürgerinnen und Bürger Europas werden immer größer - nicht nur auf nationaler Ebene, sondern auch auf europäischer. Aufgabe europäischer Verkehrspolitik ist es daher auch, die Grundlage dafür zu schaffen, dass sich die Menschen Mobilität in Europa leisten können, und nicht staatlicherseits immer weiter zu verteuern. Die aktuellen Entwicklungstrends im Bereich der Elektroantriebe haben dabei beispielsweise ein besonderes Leistungspotential für eine bezahlbare, energiesparende und klimaverträgliche Mobilität der Zukunft. Elektrische Antriebe eröffnen die Chance, die CO2-Emissionen des Straßenverkehrs substanziell und im Rahmen eines konsistenten Gesamtkonzepts zu verringern und erneuerbare Energien besser im Verkehr nutzbar zu machen. Auch auf europäischer Ebene muss der Energiespeicherforschung und der Forschung für intelligente Netze (smart grids) deshalb eine noch wichtigere Rolle in der Energieforschung zugewiesen werden. Wir Liberale setzen uns dafür ein, dass Klimaschutz im Straßenverkehr vordringlich durch eine konsequente Nutzung des Emissionshandels und durch eine verlässliche und glaubwürdige Flankierung des technischen Fortschritts angestrebt wird und - wenn überhaupt - dann nur vorübergehend und ergänzend mit Hilfe bürokratischer Grenzwerte und einseitiger Belastungen für die Automobilhersteller. Wenn Elektroantriebe am Markt erfolgreich sind, müssen die Mengenziele für CO2-neutrale Energien im Stromsektor so angehoben werden, dass sie die Zusatznachfrage für die elektrische Mobilität befriedigen können.

Was Ihre Fragen zur Revision der "Eurovignette" genannten Richtlinie "über die Erhebung von Gebühren für die Benutzung bestimmter Verkehrswege durch schwere Nutzfahrzeuge" angeht: Internalisierung externer Kosten ja, aber mit Augenmaß! Ich habe mich immer für die Anlastung der externen Kosten des Schwerlastverkehrs in den Mautgebühren eingesetzt. Allerdings dürfen wir bei aller berechtigter Sorge um die negativen Folgen des (Straßen-)Verkehrs die positiven Effekte der Mobilität nicht aus den Augen verlieren. Die Nachfrage der Verbraucher nach Waren, die einen langen Transportweg benötigen, ist nun mal eben da und wird auch nicht weniger werden. Deswegen dürfen wir nicht verkennen, dass die Straße ein unverzichtbarer Verkehrsträger ist und - zumindest auf absehbare Zeit - leider auch bleiben wird. Denn die Schiene stellt einfach nach wie vor keine verlässliche Alternative für den Gütertransport dar. Und genau darum ist es wichtig, dass wir - solange wir noch auf ihn angewiesen sind - den Straßenverkehr noch etwas nachhaltiger gestalten können. Doch das ohne, dass wir ihn zugrunde richten. Denn solange wir beim Gütertransport keine wirklich verlässlichen Alternativen zur Straße haben, bedeuten immer weitere Preiserhöhungen für den Straßengütertransport keine Verlagerung des Verkehrs, sondern lediglich eine deutliche Erhöhung der Verbraucherpreise!

Eine Anlastung der CO2-Kosten hat die Kommission in Ihrem Vorschlag zur Abänderung der Eurovignette (KOM(2008) 436) bewusst unterlassen. Ich kann der Begründung, die die Kommission für diesen Schritt gegeben hat, vollkommen zustimmen und bin aus eben diesen Gründen gegen eine Einbeziehung der CO2-Kosten:
"Auf globaler Ebene schlagen sich die Auswirkungen von Kraftfahrzeugen im Klimawandel nieder. Die damit verbundenen Kosten hängen nicht vom Ort und der Zeit der Fahrzeugnutzung ab, sondern vom Kraftstoffverbrauch. Deshalb werden Mineralölsteuern unabhängig von etwaigen anderen Maßnahmen zur Verwirklichung des auf Ebene der Europäischen Union vereinbarten Ziels für die Verringerung der CO2-Emissionen in der Regel als einfaches und wirksames Instrument zur Internalisierung dieser Kosten betrachtet. Die Kommission hat diesbezüglich bereits die Anwendung von Artikel 93 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft vorgeschlagen, damit die Besteuerung von Kraftstoffen, u. a. durch Anhebung des Mindeststeuersatzes für gewerblich genutzten Dieselkraftstoff, besser koordiniert werden kann. Daneben wird die Kommission die allgemeine Richtlinie zur Energiebesteuerung überarbeiten, um zu gewährleisten, dass sie den klima- und energiepolitischen Zielen der EU besser entspricht. Falls die bis Ende 2013 erzielten Ergebnisse nicht befriedigend sind, wird die Kommission allerdings prüfen, ob die Richtlinie über die Erhebung von Gebühren für die Benutzung bestimmter Verkehrswege durch schwere Nutzfahrzeuge dahingehend überarbeitet werden sollte, dass sie die Mitgliedstaaten nicht an der Einbeziehung eines CO2-Gebührenbestandteils in Mautgebühren hindert."

Eine Einbeziehung der Staukosten in die Mautgebühren halte ich für weder fair noch zielführend. Denn zum einen sind die Lkws nicht alleiniger Verursacher von Staus. Staus haben viele Ursachen und werden durch Pkws mindestens in gleichem Maße verursacht wie durch Lkws. Zum anderen trifft die Definition "externe Kosten" auf die Kosten, die dem Straßengüterverkehr durch Staus verursacht werden, nicht zu. Denn externe Kosten sind definiert als Kosten, die der Verursacher nicht selbst trägt, sondern die Allgemeinheit. Durch längere Transportdauer und dadurch höhere Transportkosten oder durch eventuelle Verdienstausfälle aufgrund nicht fristgerechter Lieferung beispielsweise trägt der Straßengütertransport die Staukosten selbst. So versuchen die Logistikunternehmer bereits heute, wann immer möglich auf Alternativstrecken oder weniger frequentierte Tageszeiten auszuweichen - und das aus eigenem wirtschaftlichen Antrieb, ohne dass die Politik sie dazu hätte treiben müssen, geschweige denn können. Und dementsprechend glaube ich nicht, dass eine Kostenerhöhung für bestimmte Strecken eine zusätzliche Lenkungsfunktion haben kann. Zudem kann es meiner Meinung nach nicht sein, dass Regierungen für Fehlplanungen ihrer Infrastruktur finanziell belohnt werden, wie dies der Fall wäre bei einer Einbeziehung von Staukosten.

Ich hoffe sehr, Ihre Fragen mit diesen Ausführungen zu Ihrer Zufriedenheit beantwortet zu haben und freue mich über weitere Anregungen Ihrerseits!

Ihr Willem Schuth