Frage an Willem Schuth von Friedrich N. bezüglich Landwirtschaft und Ernährung
Wie beabsichtigen Sie die Situation der Milcherzeuger zu verbessern?
Ab wann gibt es endlich einen EU einheitlichen Agrardieselsteuersatz?
Laut einer repräsentativen (infratest) Umfrage sind 61% der deutschen Milcherzeuger für eine flexible, selbstverwaltete Milchmengensteuerung und nur 4% für eine vollständige Liberalisierung. Was sagen Sie dazu?
Sehr geehrter Herr Niehoff,
vielen Dank für Ihre Fragen zu der aktuell problematischen Situation der Milchbauern in Deutschland und der EU.
Die FDP im Europäischen Parlament und ich als ihr agrarpolitischer Sprecher teilen Ihre Sorge um die aktuell niedrigen Milchpreise, die ein immer größeres Problem für immer mehr Milcherzeuger darstellen. Es ist unbestritten, dass jetzt gehandelt werden muss, um den Verlust der Existenz vieler Milchbauern zu vermeiden. Angesichts der Rettungspakete für die Banken und der Konjunkturpakete I und II muss die Bundesregierung den deutschen Milchbauern endlich helfen wo sie es kann.
Zu Beginn möchte ich auf Ihre Frage nach einem einheitlichen Agrardieselsteuersatz antworten. Meine Kollegen und ich fordern schon lange eine Senkung des Steuersatzes, können in diesem Zusammenhang aber nur an die Bundesregierung appellieren, dass sie sich im Ministerrat für ein koordiniertes Vorgehen aller Mitgliedstaaten einsetzt. In diesem Zusammenhang sollten Sie wissen, dass Energiesteuern als Verbrauchsteuern indirekte Steuern darstellen, welche einzig in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten fallen. Gemäß der Richtlinie 2003/96/EG zur Restrukturierung der gemeinschaftlichen Rahmenvorschriften zur Besteuerung von Energieerzeugnissen und elektrischem Strom (Energiebesteuerungsrichtlinie) kann jeder Mitgliedstaat seinen eigenen Steuersatz nach eigenem Ermessen festlegen und muss dabei den Steuersatz in anderen Mitgliedstaaten nicht berücksichtigen. Ferner darf ein Mitgliedstaat, der einen allgemeinen Steuersatz für Dieselkraftstoff eingeführt hat, diesen im Falle von Agrardiesel senken. D.h. Mitgliedstaaten sind ermächtigt, unterschiedliche Steuersätze auf ein und dasselbe Erzeugnis anzuwenden. Solange es keine Einigung zwischen den Mitgliedstaaten im Rat der EU geben wird, kann es nur darum gehen, dass auch in Deutschland der Steuersatz soweit gesenkt wird um die offensichtlichen Wettbewerbsnachteile der deutschen Landwirtschaft abzubauen. Die FDP hat außerdem jüngst auf ihrem Bundesparteitag mit großer Mehrheit einen Antrag des Bundesfachausschusses Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz verabschiedet. Darin fordert die FDP die Abschaffung des Selbstbehalts und der Obergrenze, bis zu welcher der Agrardiesel ermäßigt abgerechnet werden kann. Außerdem fordern wir die Landwirte bei der Ökosteuer zu entlasten.
Bezug nehmend auf Ihre Frage hinsichtlich einer Marktorganisation, die entweder eine "flexible, selbstverwaltete Milchmengensteuerung" oder eine vollständige Liberalisierung vorsieht, müssen Sie wissen, dass die FDP konsequent für eine soziale Marktwirtschaft und gegen Protektionismus sowie Exportsubventionen eintritt. Denn wir leben in Zeiten einer globalisierten Welt, ob uns das nun gefällt oder nicht. Und Deutschland profitiert ja auch ganz besonders von der globalisierten Wirtschaft. Wir erhalten unseren Wohlstand im Wesentlichen daher, dass wir unsere Industriegüter und auch unsere veredelten Lebensmittel in aller Welt verkaufen können. Deshalb müssen wir auch ein Interesse an erfolgreichen WTO-Verhandlungen haben. Dies wiederum bedingt, dass wir auf Dauer keine hohen Zollgrenzen an den EU-Außengrenzen für Agrarprodukte aufrechterhalten können. Solche Zollgrenzen wären aber eine unabdingbare Voraussetzung für das Funktionieren einer Milchmengensteuerung wie es sich z.B. der Bundesverband Deutscher Milchviehhalter (BDM) vorstellt.
Um die Forderungen nach staatlichem Schutz oder planwirtschaftlichen Systemen für Milcherzeuger fundiert bewerten zu können, sollte man aber auch einen Blick in die Vergangenheit werfen. Die Milchquote sollte damals nicht nur Milchseen und Butterberge beseitigen helfen, sondern auch den Milchbauern helfen. Die Erfahrungen der letzten Jahre zeigen aber, dass die Milchquote den Bauern weder einen auskömmlichen Milchpreis garantiert, noch das Höfesterben beendet hat. Interessant ist, dass schon während der letzten großen Koalition (1967) das Landwirtschaftsministerium ausführlich Quotensysteme für die Milch geprüft hat und zu dem Urteil kam, dass sie nicht funktionieren könnten. Nahezu alle Kritikpunkte des Ministeriums haben sich seit Einführung der Milchquote bewahrheitet. Deshalb muss man die Einführung der Milchquote als Fehler bezeichnen. Der FDP wird nun in der ganzen Debatte gerne vom BDM vorgeworfen, wir seien für niedrige Milchpreise und verträten nur die Interessen des Handels und der Verbraucher. Doch wir treten ganz bestimmt nicht für niedrigere Milchpreise ein, sondern im Gegenteil für faire und auskömmliche Milchpreise. Doch solche Preise sind nicht über staatliche Eingriffe oder künstliche Marktregulierungen zu erzielen.
Die FDP hat daraus Konsequenzen in ihrer Programmatik gezogen und tritt bereits seit einigen Jahren für das Ende staatlicher Quotensysteme ein (nicht nur bei der Milch). Unsere Bauern müssen sich auf den Markt einstellen. Dort wo staatliche Vorgaben die Wettbewerbschancen deutscher Bauern verschlechtern, muss allerdings entweder fairer Wettbewerb geschaffen oder durch staatliche Ausgleichszahlungen Nachteile ausgeglichen werden. Dies ist für uns auch die gesellschaftspolitische Rechtfertigung für die Flächenprämie. Im Übrigen gibt es seit Jahren Branchen in der Landwirtschaft, die mit dem freien Markt leben. Die meisten Schweinebauern haben sich auch so gut darauf eingestellt, dass sie selbst während der letzten Preiskrise keine staatlichen Hilfen verlangten, sondern nur dort faire Wettbewerbsbedingungen, wo die deutsche Politik europäische Vorgaben nicht 1:1 umsetzt. Die Hauptursache für den darniederliegenden Milchpreis ist dagegen meiner Meinung nach, dass trotz des laufenden Umstrukturierungsprozesses und der massenhaften Aufgabe von Milchbauern in den letzten Jahrzehnten, immer noch zuviel Milch in Europa produziert wird (denn trotz weniger Milchbauern und Milchkühen, wird durch erfolgreich gezüchtete Milchkühe heute fast ebenso viel Milch produziert wie vor 15 Jahren).
Außerdem plädiere ich dafür, dass Landwirte und Molkereien endlich die Angebotsseite auf dem deutschen Milchmarkt stärken. Wir haben zu viele Molkereien, die wenigen, großen Handelskonzernen gegenüberstehen. Dies kann aufgrund mangelnder Verhandlungsmacht nicht zu den gewünschten Ergebnissen aus Sicht der Landwirte führen. Die deutsche Politik kann unseren Landwirten nur dort helfen, wo die Produktionskosten durch staatliche Vorgaben und Steuern höher sind, als bei unseren europäischen Nachbarn. Das ist auch der Grund, warum die FDP-Bundestagsfraktion seit geraumer Zeit ein stringentes Konzept für die Landwirtschaft und insbesondere für die Milchbauern fordert. Entscheidend ist, die Landwirte auf der Kostenseite zu entlasten. Dies kann durch die angesprochene Entlastung bei der Agrardieselbesteuerung geschehen. Weitere Möglichkeiten zur Entlastung sehen wir im Aufheben der Beschränkungen bei Fütterungsverboten (gentechnisch veränderte Futtermittel sind billiger als herkömmliche und werden bei den meisten unserer Nachbarn verfüttert, in Deutschland gibt es massive Beschränkungen), dem Bürokratieabbau (um die Landwirte bei den Verwaltungskosten zu entlasten) und einem Ende der Übersubventionierung nachwachsender Rohstoffe um damit die Preistreiberei bei den Pachtpreisen einzudämmen.
Hier könnte die Regierung direkt ansetzen, um marktfähige Betriebe zu stärken und deren Marktchancen zu erhöhen. Gleichzeitig kann die Bundesregierung sich in Gesprächen mit der Industrie dafür einsetzen, dass wieder vermehrt Butter und Milch in der Lebensmittelindustrie eingesetzt werden und nicht pflanzliche Fette. Auch das Schulmilchprogramm muss konsequent ausgeschöpft werden. Die aktuelle Preis-Krise ist bitter für die Landwirtschaft und insbesondere für die Milchbauern. Doch der Lebensmitteleinzelhandel hat darin Recht, dass Politik und Verbände keinen Einfluss auf die Milchpreisgestaltung haben sollten. Trotzdem ist Kritik auch am Lebensmitteleinzelhandel berechtigt, denn er ist an seinen eigenen Worten zu messen. Der Discounter Aldi hatte im Juni 2008 mit ganzseitigen Anzeigen geworben, die Milchpreise zu erhöhen, um zur Existenzsicherung der Milchbauern beizutragen. Diesem Lippenbekenntnis hat Aldi keine langfristigen Taten folgen lassen. Auch hier fordere ich Fairness und Verlässlichkeit in der Debatte.
Mit freundlichen Grüssen,
Ihr
Willem Schuth