Frage an Wilhelm Priesmeier von Diana P. bezüglich Landwirtschaft und Ernährung
Sehr geehrter Herr Kollege Dr. Priesmeier,
mit Interesse habe ich Ihre Rede gelesen, in welcher Sie sich neben dem Zirkuszentralregister auch für eine weitere Diskussion und Beratung um Thema betäubungsloses Schlachten äußern. Auch wenn ich Ihre Meinung dazu weitestgehend teilen kann, so vermisse ich konkrete Lösungsvorschläge. Als Tierärzte haben wir die fachliche Kompetenz und die ethische Verpflichtung uns dieses Themas konkreter anzunehmen.
Nun gibt es Meldungen aus verlässlicher Quelle, dass die Bundesregierung nicht nur plant, das Thema vorerst " auf Eis" zu legen, sondern auch, diese Meldung erst verlautbaren zu lassen, wenn die Wahlen in Hessen vorbei sind.
Ein Schlag ins Gesicht für die Mehrheit der Bevölkerung die nach dem eindeutigen Bundesratsbeschluss dachte, dass sich endlich etwas bewegt in dieser Angelegenheit. Verstehen Sie mich bitte nicht falsch. Ich bin auf jeden Fall dafür, dass mit viel Respekt vor den Religionsgemeinschaften eine gemeinsame Lösung gesucht werden muß. Aber die Suche muss eben aktiv vorangetrieben werden und weiter gehen. Als Bürger möchte ich einen zeitlichen Rahmen.
Meine Fragen an Sie als Politiker:
Entspricht obige Meldung der Tatsache? Von wem ging die Initiative aus, die Beratung auf Eis zu legen? welche tatsächlichen Gründe gibt es dafür? ( neben der Aussage es gäbe verfassungsrechtliche Bedenken) Wann ist mit einer Mitarbeiterberatung zu rechnen?
Meine Frage an Sie als tierärztlicher Kollege:
Welches sind Ihre konkreten Vorschläge zur Lösung des Problems?
Mit freundlichem Gruß
Diana Plange
Tierärztin, Berlin
I
Sehr geehrte Kollegin Plange,
vielen Dank für Ihre Anfrage zum Thema betäubungsloses Schlachten. Sie gehen darin auf ein Gerücht ein, die Bundesregierung wolle eine Entscheidung zum Schächten zunächst auf Eis legen, vor allem in Hinblick auf die bevorstehenden Wahlen in Hessen.
Dieses Gerücht kann ich weder bestätigen noch dementieren, da es mir nicht bekannt ist.
Ich möchte jedoch als tierschutzpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion festhalten, dass ich die Verpflichtung, Tiere vor unnötigen Qualen zu bewahren, sehr ernst nehme und mich für einen verfassungsrechtlich tragbaren Gesetzentwurf einsetze.
Um zu einer sinnvollen Güterabwägung zwischen Tierschutz und Religionsfreiheit zu kommen, haben mein Kollege Dr. Peter Jahr, tierschutzpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion, und ich im Oktober einen Runden Tisch zum Thema betäubungsloses Schlachten veranstaltet. Dabei haben Vertreter verschiedener Glaubensrichtungen ihre durchaus unterschiedlichen Vorstellungen zu dem Thema deutlich gemacht.
Nun sind wir in den parlamentarischen Beratungen und die rechtspolitischen Sprecher der SPD und der CDU und die Mitglieder des Rechtsauschusses des Bundestages äußern grundsätzliche Bedenken hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit des Gesetzentwurfes. Der vorliegende Gesetzentwurf sieht vor, dass der Antragsteller glaubhaft macht, dass dem Tier durch das Schächten keine zusätzlichen Schmerzen gegenüber dem Schlachten mit Betäubung entstehen. Zum anderen soll der Antragsteller nachweisen, dass die Vorschriften seiner Religionsgemeinschaft das Schächten von Tieren zwingend voraussetzen.
So sehr dies aus Sicht des Tierschutzes wünschenswert ist, kann diese Formulierung einen Rechtfertigungsdruck beim Antragsteller erzeugen, der bereits als unzulässiger Eingriff in die von der Verfassung garantierte Religionsfreiheit verstanden werden könnte. Hintergrund dafür ist, dass alle Bürgerinnen und Bürger vor dem Zwang zur Offenbarung ihrer Religion durch das Verfassungsgebot der Glaubensfreiheit geschützt sind.
Zur Glaubensfreiheit zählt dabei nicht nur die Freiheit, eine bestimmte Religion zu haben und sie auszuüben (Art. 4 I, II GG), sondern auch die Freiheit, seine religiöse Überzeugung grundsätzlich nicht offenbaren zu müssen. Dieses letztere Freiheitsrecht war bereits in der Weimarer Verfassung von 1919 verankert, ist heute noch Bestandteil des Grundgesetzes und damit geltendes Verfassungsrecht.
Die Glaubens- und Religionsfreiheit gehört zu den ersten zehn Artikeln des Grundgesetzes. Als Menschenrecht steht sie nach Einschätzung unserer Rechtspolitiker in ihrer Wertigkeit höher als das Staatsziel Tierschutz. Ausnahmen von der Freiheit, seine religiöse Überzeugung nicht offenbaren zu müssen, gibt es nur für bestimmte Fälle. So darf die Religionszugehörigkeit beispielsweise auf der Lohnsteuerkarte eingetragen werden. Außerdem ist die Frage nach der Religionszugehörigkeit bei der Anmeldung zur Schule wegen des Religionsunterrichts zulässig.
Das heißt, übertragen auf das Schächten: Bei der Rechtsgüterabwägung zwischen Tierschutz und Glaubens- und Religionsfreiheit ist die Frage nach der Religionszugehörigkeit zulässig. Höchst umstritten ist aber, ob in diesem Zusammenhang nach Glaubensinhalten, Ritualen oder religiösen Praktiken gefragt werden darf und ob diese auf Verlangen zu begründen sind.
Auch wenn diese Sachverhalte aus Sicht des Tierschutzes sicherlich höchst unfriedigend sind, so sind wir doch als Gesetzgeber an das Verfassungsrecht gebunden und haben die Pflicht, dies zur Grundlage jeglicher Gesetzesinitiativen zu machen. Wir müssen jetzt prüfen, wie der Gesetzentwurf zur Neuordnung des § 4a TierSchG im Sinne des Tierschutzes gestaltet werden kann.
Ich versichere Ihnen, dass mir das tierschutzgerechte Schlachten von Tieren bei allen Einschränkungen, denen wir unterworfen sind, sehr am Herzen liegt. Ich werde mich weiterhin auf den Ebenen, die mir zugänglich sind, dafür einsetzen, dass unnötige Qualen von Tieren abgewendet werden.
Ich hoffe, dass ich Ihnen ein wenig Einblick in den Stand der derzeitigen Diskussion verschaffen konnte.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. med. vet. Wilhelm Priesmeier