Frage an Wilhelm Priesmeier von Michael v. bezüglich Landwirtschaft und Ernährung
Sehr geehrter Herr Dr. Priesmeier,
mit der Drucksache 16/4911 vom 21. März 2007 wird von Ihnen ein Antrag abgelehnt, der bei der Vogelgrippeproblematik das Ziel hat: Impfen statt Töten.
Durch diesen Antrag sollte - zumindest langfristig - gesichert werden, dass das Geflügel artgerecht in Freilandhaltung gehalten werden kann. Zugleich wird die Entwicklung von Markerimpfstoffen gefordert, die wir allerdings schon haben. Sie dürfen aber trotz EU-Zulassung in Deutschland nicht prophylaktisch eingesetzt werden. Warum haben Sie dieses sinnvolle Konzept "Impfen für eine artgerechte Haltungsform im Geflügelbereich" abgelehnt, wodurch Sie dem sinnlosen Töten von Geflügel im Ernstfall Vorschub leisten? Neben der Darlegung der Hintergründe für die Ablehnung bitte ich um das Aufzeigen Ihrer Alternative und deren bisherigen Umsetzung. Aus dem Beratungsverlauf zur Drucksache wird ersichtlich, dass die SPD vornehmlich wegen Handelsbeschränkungen ein Impfen verweigert. Wie vereinbart sich eine derartige Einstellung mit dem Tierschutz?
Mit freundlichen Grüßen
Michael v. Lüttwitz
Sehr geehrter Herr v. Lüttwitz,
haben Sie recht herzlichen Dank für Ihre Email vom 23.8. dieses Jahres, die Sie über „abgeordnetenwatch.de“ an mich gerichtet haben. Sie baten mich um eine Stellungnahme bezüglich meines Entscheidungsverhaltens zum Antrag „Impfen statt Töten – Praxisreife Markerimpfstoffe entwickeln und anwenden“ der FDP-Bundestagsfraktion.
Grundsätzlich setze ich mich dafür ein, dass wir auf europäischer Ebene und Deutschland dauerhaft die bisherige „Totschlagstrategie“ bei der Bekämpfung der Vogelgrippe und anderer Tierseuchen beenden.
Ich bin der Meinung, dass wir dazu eine Gesamtstrategie benötigen, die in erster Linie Präventionsmaßnahmen beinhaltet. Zu diesen Maßnahmen kann auch der Einsatz von Markerimpfstoffen gehören.
In den letzten Monaten habe ich vielfältige Gespräche auf allen Ebenen besonders mit Vertretern der Wissenschaft und der Forschung geführt. Aufgrund deren Einschätzung bestehen jedoch Zweifel am Erfolg eines großflächigen prophylaktischen Einsatzes der bisher am Markt verfügbaren Markerimpfstoffe.
Diese Einschätzung stützt sich auf zwei Erkenntnisse: zum einen deuten die bisherigen Ergebnisse unterschiedlicher wissenschaftlicher Versuche darauf hin, dass die untersuchten Impfstoffe nicht sicher genug sind. Dies bedeutet, dass eine eindeutige Identifikation eines verabreichten Impfvirus im Tier und damit eine klare Unterscheidung zum natürlichen Virus zu einem späteren Zeitpunkt nicht in jedem Fall gegeben ist.
Zum anderen verursacht ein großflächiger Einsatz von Markervakzinen erhebliche Kosten. Diese entstehen nicht in erster Linie durch den eigentlichen Einsatz des Impfstoffes, sondern durch die aufwändige Diagnose, die bei den Tieren durchgeführt werden muss, um den Impferfolg nachzuweisen und eine mögliche Infektion mit dem Feldvirus auszuschließen. Die Kosten der Untersuchung stehen zum gegenwärtigen Zeitpunkt in keinem Verhältnis zum wirtschaftlichen Wert der Tiere. Hier erwarte ich jedoch persönlich in naher Zukunft entsprechende Forschungsfortschritte.
Darüber hinaus können den Tieren die im Moment auf dem Markt befindlichen Markervakzine nur einzeln verabreicht und nicht über das Trinkwasser gegeben werden. Dies reicht zwar für Hobbytierhaltungen und Kleinsttierbestände vollkommen aus, aber solche Marker werden wenig Akzeptanz unter den landwirtschaftlichen Geflügelhaltern finden, wie die Erfahrungen aus der Impfstrategie zeigen, die in den Niederlanden umgesetzt wurde.
Zusammengefasst ist eine Notimpfung, wie Sie sie fordern, aus meiner Sicht zum gegenwärtigen Zeitpunkt zwar möglich aber noch nicht effizient genug. Aus diesem Grund habe ich dem o.g. Antrag nicht zugestimmt.
Es geht meinen SPD-Fraktionskolleginnen und –kollegen und mir jetzt
politisch darum, die weitere Entwicklung von Vektorimpfstoffen zu
unterstützen, die
- leicht zu verabreichen sind,
- einen schnellen und einfachen Nachweis des Erregers ermöglichen,
- eine eindeutige Unterscheidung zwischen dem natürlichen Feldvirus und dem verabreichten Impfvirus zulassen,
- kostengünstig und in ausreichender Menge zur Verfügung gestellt werden können.
Bisher wurden Forschungsinvestitionen von mehr als 10 Millionen Euro in diesem Bereich angeschoben, was von uns ausdrücklich begrüßt wird.
Darüber hinaus haben wir zu beachten, dass, wenn wir zukünftig mit entsprechenden Markerimpfstoffen zu einer europäischen Impfpolitik übergehen, dies in enger Abstimmung mit den EU-Partnerländern tun, um einseitige Belastungen der deutschen Landwirtschaft zu vermeiden. Denn nur ein in Europa akzeptiertes Impfprogramm, das auch durch weitere internationale Übereinkünfte (OIE) abgesichert wird, kann dauerhaft die wirtschaftliche Existenz der deutschen Geflügelproduktion im Allgemeinen und damit auch die artgerechten Haltungsformen im Besonderen sichern.
Ich hoffe, dass ich Ihnen mit diesen kurzen Erläuterungen meine Position hinreichend verdeutlichen konnte.
Für etwaige weitere Fragen zum Thema stehen ich und meine Mitarbeiter im Berliner Büro gerne zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen,
Dr. Wilhelm Priesmeier