Frage an Wilhelm Priesmeier von Ottmar M. bezüglich Landwirtschaft und Ernährung
Guten Tag Herr Dr. Priesmeier,
in der Dt. Bauernzeitung 07/12 wurden Sie zur Novellierung des § 35 Baugesetzbuch zitiert, nun können Kommunen über Bauvorhaben entscheiden. Wo soll das hinführen? Es ist eine Tatsache, die ich selber erleben muß, daß in den Kommunen landw. Fachkenntnisse über die Beurteilung von Bauvorhaben nicht vorhanden sind. Wie soll sich die Landwirtschaft dem „Markt“ stellen, wenn Bauvorhaben nach Emotionen und Gutdünken, nicht aber unter Wettbewerbsgesichtspunkten beurteilt werden? Rot-Grün hat den Landwirten mit der Agrarwende 2001 erklärt, dass sie sich am Weltmarkt ausrichten sollen und dies nur noch mit (sinkenden) Beihilfen flankiert werde. Die Marktausrichtung hat aber zur Folge, daß der Strukturwandel beschleunigt wird und die Betriebseinheiten immer größer werden. Nicht erwartet wurde wohl, daß die „Agrarindustrie“, die die Grünen ja nicht haben wollten, damit befördert wird. Zur Erzielung eines ausreichenden (Familien-)Einkommens sind inzwischen Bestandsgrößen in der Tierhaltung erforderlich, die größer als im Gesetzentwurf sind. Wir befinden uns aber nicht nur im EU-Binnen- sondern im Weltmarkt, wie von der Politik gefordert. Wie sollen da adäquate Wettbewerbsbedingungen gesichert werden, wenn Kommunen nach Gutdünken über die Entwicklung von Landwirtschaftsbetrieben entscheiden können? Tierhaltung ist nun im Gegensatz zu anderen Gewerben mit Gerüchen verbunden und dadurch automatisch benachteiligt. Es sollte auch in der Politik bekannt sein, daß die Menschheit nicht allein von Ökolandbau ernährt werden kann, insbesondere, wenn wie in Deutschland wertvolle Ackerflächen mit Autobahnen, Flughäfen und Gewerbegebieten bebaut werden. Warum sagt die Politik den Bürgern nicht auch einmal, daß im ländlichen Raum Gerüche in gewissen Umfang hinzunehmen sind? Warum erklärt die Politik den Bürgern nicht, daß gewisse Größenordnungen in der Tierproduktion notwendig sind, wenn der Markt das Regulativ sein soll?
O. Müller
Sehr geehrter Herr Müller,
vielen Dank für ihre Anfrage vom 04.03.2012.
Sie haben vollkommen recht: es gibt ein Vermittlungsproblem in unserer Gesellschaft.
Was leistet die Landwirtschaft heute? Welche Rahmenbedingungen benötigt sie für ihre weitere Entwicklung? Darüber gibt es sehr unterschiedliche Vorstellungen. Und ich sehe, dass nicht alles auf gesellschaftliche Gegenliebe stößt, was betriebswirtschaftlich wünschenswert ist.
Sie sprechen die Nutztierhaltung in Deutschland an. In einem relativ dichtbesiedelten Land wie Deutschland kann sich die Landwirtschaft nur bei ausreichender gesellschaftlicher Akzeptanz weiter entwickeln. Das muss jedem klar sein.
Daher sollten wir die Debatte um die Intensivtierhaltung nicht weiter zuspitzen. Denn das schadet am Ende allen Beteiligten. Die SPD-Bundestagsfraktion hat mit zwei Anträgen im Deutschen Bundestag frühzeitig ihre Positionen dargestellt:
- „Klare Regelungen für Intensivtierhaltung“ (Drucksache 17/6089 vom Juni 2011 - Link: http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/17/060/1706089.pdf)
- „Antibiotika-Einsatz in der Tierhaltung senken und eine wirksame Reduktionsstrategie umsetzen“ (Drucksache 17/8157 vom Dezember 2011 - Link: http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/17/081/1708157.pdf).
Und wir müssen weiter wissenschaftlich forschen, wie die Landwirte die Haltungs- und Managementsysteme so verbessern, dass sie gesellschaftliche Akzeptanz finden und dabei wettbewerbsfähig bleiben. Hierzu ist eine staatliche Förderung notwendig.
Den Ausgleich widersprechender Interessen können wir am besten vor Ort erreichen. Daher wollen wir die kommunale Planungshoheit bei Investitionen im Außenbereich stärken.
Die SPD nimmt die Interessen der Menschen ernst, die im ländlichen Raum leben und arbeiten. Wir wollen die Diskussion konstruktiv begleiten, wie die rechtlichen Rahmenbedingungen der deutschen Landwirtschaft zukünftig aussehen sollen. Als Sozialdemokrat will ich auch die 600 000 Arbeitsplätze in den vor- und nachgelagerten Bereichen sichern. Denn dann können wir die damit verbundene Wertschöpfung im ländlichen Raum erhalten und auch ausbauen.
Es gibt bereits gute Ansätze dafür, wie wir die erforderliche gesellschaftliche Diskussion führen können. Am 13./14. März 2012 treffen sich beispielsweise zahlreiche Wissenschaftler an der Universität Hohenheim zum DAFA Fachforum Nutztiere 2012.
Link: http://www.dafa.de/de/startseite/veranstaltungen/fachforum-nutztiere-2012/programm.html
Die Vertreter werden erörtern, wie die Wissenschaft die Diskussion um die unterschiedlichen Aspekte der Nutztierhaltung konstruktiv begleiten kann.
Und nicht nur die Wissenschaft: Wir alle müssen die dringend erforderliche Diskussion jetzt führen. Und konkrete Ergebnisse erarbeiten, die den investitionswilligen Landwirten, den verunsicherten Verbrauchern und der gestaltenden Politik gleichermaßen weiterhelfen. Am Ende wird dann der Gesetzgeber dem Berufsstand auch die erforderliche Planungssicherheit geben.
Ich sehe den aktuellen Prozess als eine große Chance, die der Berufsstand auch nutzen sollte.
Mit freundlichen Grüßen Ihr
Dr. Wilhelm Priesmeier