Frage an Wiebke Esdar von Thomas H. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Frau Esdar,
am 28.06 hat die GroKo geschlossen gegen die Ausrufung des Klimanotstands gestimmt. Einige Profis der FDP sollen ja nur versehntlich dafür gestimmt haben. :)
Der Permafrost schmilzt viel schneller, als bisher prognostiziert und damit könnte +1,5°C bereits 2030 erreicht werden. Sie wissen, dass die Arktis brennt, dass Teile Indiens verglühen und dass das Wasser in Berlin zum Sommerende sehr knapp werden dürfte. Wenn schon ganz prinzipientreu niemals für Anträge der Opposition gestimmt werden darf (verhält es sich hier wirklich so?), wie will die SPD die nötigen Signale setzen, damit sich Deutschland endlich in angemessener Weise bewegen kann? Was spricht Ihrer Meinung nach gegen die Ausrufung des Klimanotstands? Oder plant die SPD selbst einen ähnlichen Antrag? Wenn ja, worauf wartet sie dann noch?
Noch eine andere Frage: Können Sie sich vorstellen, dass das bisher nachrangige BMU mit ähnlichen Kompetenzen wie Finanz und Justiz ausgetattet wird?
Ich bin sehr enttäuscht, dass die SPD sich doch eigentlich neu erfinden wollte, aber selbst diese massive Bedrohungslage überhaupt nicht für sich zu nutzen weiß. Glauben Sie wirklich, dass mit 'Business as usual', also mit dem Handwerkszeug des letzten Jahrhunderts, immer noch die Zukunft zu gestalten ist? Soziale Verwerfungen sind schon längst vorprogrammiert und Ihrer Wähler dürften wohl zu den ersten Leidtragenden gehören.
Mit fatalistischen Grüßen,
T. H.
Sehr geehrter Herr Höbermann,
vielen Dank für Ihre Nachricht zum Klimanotstand. Ich gebe Ihnen Recht – der Klimawandel ist eines der dringendsten, wenn nicht sogar das dringendste Problem unserer Zeit. Wir haben keine Zeit mehr und müssen so schnell wie möglich handeln.
Deswegen hat unsere Bundesumweltministerin Svenja Schulze schon im Februar dieses Jahres einen möglichen Entwurf für ein nationales Klimaschutzgesetz vorgestellt. Mit diesem Entwurf würden wir einen dauerhaft verbindlichen Rahmen für alle Ministerien setzen, der uns zur Einhaltung des Pariser Klimaschutzabkommens führt.
Da wir jedoch vergeblich auf konstruktive Rückmeldungen von Seiten der Union warten mussten und unser Koalitionspartner immer nur gesagt hat, was er alles nicht haben möchte, hat Svenja Schulze Initiative ergriffen und ihren Entwurf Ende Mai ohne Rückmeldungen der Union in die Ressortabstimmung gegeben, damit wir noch in diesem Kalenderjahr ein Klimaschutzgesetz beschließen können. Das ist alles andere als "Business as usual" - doch die Blockade unseres Koalitionspartners hat uns keine Wahl gelassen.
Und jetzt kommt nochmal einen Monat später Ende Juni die LINKE und fordert von uns, den Klimanotstand auszurufen. Als einzige konkrete Maßnahme fordern sie in ihrem Antrag dazu, „umgehend den Entwurf für ein nationales Klimaschutzgesetz vorzulegen“. Also genau das, was wir schon vor einem halben Jahr getan haben.
Mit solch einer Symbolpolitik, wie sie der Antrag der LINKEN proklamiert, kommen wir nicht vorwärts. Wir beschäftigen uns lieber damit, konstruktive Lösungsvorschläge auszuarbeiten und diese effizient voranzubringen. Denn das Klimaschutzgesetz ist der Rahmen, in dem wir diverse Maßnahmen beschließen wollen.
Der CO2-Preis ist wohl das prominenteste Beispiel dafür. Anfang des Monats wurden dafür wissenschaftliche Gutachten vorgestellt, die zeigen, dass eine solche Bepreisung durchaus sozial verträglich möglich ist (https://www.bmu.de/pressemitteilung/schulze-co2-preis-kann-sozial-gerecht-gestaltet-werden/). Peter Altmaier wollte in seiner Funktion als Wirtschaftsminister von der CDU daraufhin behaupten, dass ein CO2-Preis der deutschen Wirtschaft massiven Schaden zufügen würde. Darum hat er die Wirtschaftsweisen um ein Gutachten gebeten – doch auch die kommen zu dem Ergebnis, dass eine solche Bepreisung eine sinnvolle Maßnahme und historische Chance ist (https://www.tagesspiegel.de/politik/historische-chance-wirtschaftsweise-empfehlen-co2-steuer-zum-klimaschutz/24586396.html).
Einen ausgearbeiteten Vorschlag zu einem solchen Modell hat Svenja Schulze vorgelegt. Wir als SPD sind davon überzeugt, dass dieser Vorschlag einen Beitrag zu einer besseren Klimapolitik leisten kann. Wir sind jedoch nicht auf diesen Entwurf festgenagelt und freuen uns über konstruktive andere Vorschläge, wie ein CO2-Preis aussehen könnte. Es geht an dieser Stelle nicht mehr um Parteipolitik, sondern einzig und allein darum, was für das Klima das Beste ist.
Darum werden wir nach der parlamentarischen Sommerpause unsere ganze Kraft darauf verwenden, unsere umweltpolitischen Anstrengungen voranzutreiben und die Union weiter unter Druck setzen, damit diese Maßnahmen endlich in Gesetzen festgeschrieben werden. Oberstes Ziel ist, wie oben angedeutet, ein vollendetes Klimaschutzgesetz für alle Ressorts bis zum Ende des Jahres.
Wie Sie mit Sicherheit in den letzten Tagen durch die Lokalpresse mitbekommen haben, hat der Bielefelder Stadtrat vor kurzem den Klimanotstand ausgerufen. Die SPD war dabei eine der treibenden Kräfte und ich begrüße das ausdrücklich. Der Unterschied zum Antrag der LINKEN ist, dass der Rat sich verpflichtet hat, mit dem Status „Klimanotstand“ umfassende konkrete Maßnahmen auszuarbeiten und zu diskutieren. Dies wird nun kurzfristig während und nach der Sommerpause passieren.
Denn das ist es, was unsere Verantwortung als Politiker und Politikerinnen in diesen Tagen ausmacht: Lösungen zu präsentieren und nicht bloß lose Parolen zu verbreiten.
Ich hoffe, ich habe Ihnen meine Haltung zum Klimanotstand verständlich darlegen können. Wenn Sie diesbezüglich noch Fragen haben oder dieses Thema mit mir diskutieren möchten, melden Sie sich gerne nochmal bei mir!
Mit herzlichen Grüßen,
Wiebke Esdar