Frage an Wiebke Esdar von Nico B. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Leider verfestigt sich bei mir der Eindruck, das die Politiker aller Parteien nur noch die Erfüllungsgehilfen der Konzerne sind.
Beispiele:
- Transaktionssteuer: trifft nur die Kleinanleger.
- Kassenbonpflicht: die kleinen Geschäftsleute werden drangsaliert, währenddessen die Großkonzene weiterhin ihre Steuervermeidungspolitik ungehindert weiterführen dürfen und Milliarden an Steuern hinterziehen.
- Umweltpolitik: ist für euch nur ein Mittel die Abgaben und Steuern zu erhöhen ohne das etwas für die Umwelt dabei herauskommt.
Autofahren wird zwar teurer, aber zur Arbeit müssen wir trotzdem kommen also kommt keine C02 Ersparnis zustande, da wir nicht auf ein gut ausgebautes öffentliches Verkehrsnetz ausweichen können.
- Umgang mit dem Steuerüberschuss: Anstatt die Mehreinnahmen in den Ausbau der Infrastruktur zu stecken soll das Geld über die Senkung der Unternehmenssteuern an die Industrie verschenkt werden. Später, wenn die Zeiten mal wieder schlechter werden, werden dann die Unternehmenssteuern nicht etwa wieder angehoben , nein dann müssen wieder „alle“ (gemeint sind damit natürlich nur die Bürger) der Gürten enger schnallen.
- Aberkennung der Gemeinnützigkeit von Organisationen wie Change.org, Campact, Attac usw. währenddessen die Lobbyisten der Konzerne von diesen von der Steuer abgesetzt werden können.
- …
Ich könnte so weiter machen!
Frage:
Wie rechtfertigen Sie den von Ihnen vertretenen Anspruch Politik für das Wohl und die Interessen der Wähler bzw. der Bürger dieses Landes zu machen?
Sehr geehrter Herr Brunzel,
haben Sie vielen Dank für Ihre Anfrage. Gerne möchte ich zu den von Ihnen aufgeworfenen Themenbereichen Stellung beziehen.
Finanztransaktionssteuer:
Dass die Finanztransaktonssteuer nur die Kleinanleger treffe, ist ein gern genommenes aber gleichzeitig falsches und vorgeschobenes Argument der Finanzindustrie bzw. Anti-Steuer-Lobby, welche die geplante Steuer gerne vermeiden möchte. Die von Finanzminister Scholz geplante Finanztransaktonssteuer trifft nach einem Gutachten des Kieler Instituts für Weltwirtschaft entgegen einer verbreiteten Auffassung nämlich kaum Kleinanleger und Privathaushaushalte, sondern vor allem große professionelle Investoren wie US-Pensionsfonds (Quelle: https://rp-online.de/politik/deutschland/neues-gutachten-kieler-institut-stuetzt-plaene-von-scholz-fuer-aktiensteuer_aid-48637317 ).
Kassenbonpflicht:
Anders als Sie bin ich nicht der Meinung, dass kleine Geschäftsleute durch die Kassenbonpflicht drangsaliert werden - übrigens auch ein gern genommenes Argument der Anti-Steuer-Lobby. Ganz im Gegenteil: Der Schaden für die Gesellschaft durch Kassenbetrug beziffert sich alljährlich auf 10 Milliarden Euro. Die Wirtschafts Woche bezeichnete diesen Milliardenschaden kürzlich als „Deutschlands größter Steuerskandal“. Es sei eine gigantische illegale Geldverschiebung, mit einem Schaden weit größer als der von […] Cum-Ex und Cum-Cum. Die Bonpflicht ist darum erstens ein sehr sinnvolles und wirksames Mittel gegen diesen Steuerbetrug, da die Finanzverwaltung so schnell und einfach prüfen kann, ob Umsätze korrekt erfasst sind. Zweitens würde die Abschaffung der Bonpflicht die Falschen treffen. Denn fair und korrekt abrechnende Einzelhändler wie Bäcker, Fleischereien, Gemüsehändler, Gaststätten, Kioske und Friseure hatten in der Vergangenheit einen riesigen Wettbewerbsnachteil gegenüber ihren unehrlichen Konkurrenten. Drittens gibt es gar keine Verpflichtung die Kassenbons auf Papier auszudrucken, somit wird auch niemand drangsaliert. Richtig ist: Die Erstellung der Belege kann auch in elektronischer Form erfolgen. Und dass es praxistaugliche Lösungen dafür gibt, zeigen Anbieter, die eine Übertragung des Kassenbons per Nahfeldkommunikation (NFC) oder per QR-Code auf das Handy des Kunden ermöglichen. Das ist schnell, kundenfreundlich und schont die Umwelt.
Umweltpolitik:
Ihr Hinweis auf die neue CO2-Steuer und die in diesem Zusamenhang steigenden Kosten ist richtig. Gerade davon wird aber eine positive Lenkungswirkung hin zu umweltfreundlicheren und effizienteren PKW und anderen Verkehrsmitteln ausgehen. Zudem wurde auch bereits ein umfangreiches Bündel an Maßnahmen zur Erreichung der Klimaziele bei gleichzeitiger finanzieller Entlastung der Bürgerinnen und Bürger beschlossen, beispielsweise durch die erhöhte Pendlerpauschale, der Senkung der Mehrwertsteuer für Bahnfahrten und der Steuervergünstigung für Jobtickets. Ihre Anregung zum ÖPNV ist hier goldrichtig, der Bund handelt aber auch auf diesem Feld bereits: die Bundesmittel zur Unterstützung des öffentlichen Personennahverkehrs wurden zuletzt deutlich aufgestockt. Konkret sollen die sogenannten Regionalisierungsmittel auf ein Rekordniveau aufgestockt werden. In diesem Jahr gibt der Bund dafür bereits rund 8,8 Milliarden Euro aus. Festgelegt ist zugleich, dass die Summe generell jährlich um 1,8 Prozent steigen soll – bis 2031 summiert sich das Plus damit auf insgesamt 5,25 Milliarden Euro für neue Bahn- und Buslinien. Zudem wird der Bund den Ländern und Gemeinden durch das neue Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (GVFG) 4,6 Milliarden Euro zusätzlich für die örtliche Verkehrsinfrastruktur in den kommenden 6 Jahren zur Verfügung stellen.
Umgang mit dem aktuellen Steuerüberschuss von 13,5 Milliarden:
Im Gegensatz zur Union setzen wir uns als SPD-Bundestagsfraktion dafür ein, dass die Steuerüberschüsse den Bürgerinnen und Bürgern direkt zugutekommen: Zum einen wollen wir die teilweise Abschaffung des Solidaritätsbeitrages vom 1. Januar 2021 auf den 1. Juli 2020 vorziehen. Dies würde 90 Prozent der Steuerzahlenden deutlich früher besserstellen. Zum anderen setzen wir uns dafür ein, dass die Investitionen des Staates in die Infrastruktur, also Bildung, Verkehr, Digitalisierung usw. weiter erhöht werden, ähnlich wie Sie es fordern.
Aberkennung der Gemeinnützigkeit:
Den von Ihnen genannten Organisationen wurde der Status der Gemeinnützigkeit nicht durch die Politik sondern durch Gerichte entzogen. Als SPD-Bundestagsfraktion wollen wir dafür sorgen, dass es Rechtssicherheit für gemeinnützige Vereine gibt, dass und wie weit sie sich "politisch" betätigen dürfen. Also z. B. der Umweltschutzverband natürlich für Umweltschutz, aber auch der Fußballverein gegen Rassismus. Und es wird derzeit nach Lösungen gesucht, wie Vereinigungen, die keinen eigentlichen gemeinnützigen Zweck im Sinne der Abgabenordnung (AO) erfüllen, sondern eher ein allgemeinpolitisches Mandat verfolgen (attac, campact usw.), ebenfalls gefördert werden können, gleichzeitig aber in Abgrenzung zu Parteien und trotzdem ähnlich transparent wie Parteien (Organisation, Finanzierung) auftreten müssen.
Für Ihre Nachfragen stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung.
Freundliche Grüße
Wiebke Esdar