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Wiebke Esdar
SPD
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Frage von Wilfried M. •

Frage an Wiebke Esdar von Wilfried M. bezüglich Wirtschaft

Sehr geehrte Frau Diversity - Psychologin Dr. Esdar,
auf SPIEGELonline wurde kürzlich die Frage gestellt: "Darf man aber 17-Jährigen das Wahlrecht pauschal verweigern, wenn man zugleich Menschen wählen lässt, die nicht urteilsfähig sind?"(1)
Die Frage wurde natürlich von einem Osnabrücker Juristen beantwortet.

Mich interessiert, wie Sie das sehen.
Wäre es für die Ziele der SPD nicht das Allerbeste, würden alle -ab dem ersten Babyschrei- wählen dürfen?
Was spricht dagegen, allen Kindern oder sonst in der politischen Urteilsbildung eingeschränkten bzw. beeinträchtigten Menschen Diversity- Rechtsanwälte an die Seite zu stellen, damit an den Wahlurnen endlich möglichst viele richtige Diversityentscheidungen getroffen werden?
Ich bitte um vollständige und wahrheitsgemäße Beantwortung.
Hochachtungsvoll
W. M.
1) https://www.spiegel.de/politik/ausland/interview-mit-hermann-heussner-zum-wahlrecht-fuer-17-jaehrige-a-1263557.html

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr M.,

vielen Dank für Ihre Anfrage zum Wahlrecht.

Als SPD setzen wir uns für die Ausweitung des Wahlrechts ein – beispielsweise für dauerhaft ansässige Drittstaatsangehörige auf kommunaler Ebene. Auch eine Absenkung des Wahlalters auf 16 Jahre stärkt unsere Demokratie.

Als Große Koalition werden wir darüber hinaus Wahlausschlüsse von Menschen mit Behinderungen abschaffen. Die Koalition wird daher das inklusive Wahlrecht einführen. Mit dem Gesetzentwurf "Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bundeswahlgesetzes und anderer Gesetze", den der Bundestag kürzlich in erster Lesung beraten hat, soll das Bundeswahlgesetz geändert werden (Drs. 19/9228; Link: http://dipbt.bundestag.de/doc/btd/19/092/1909228.pdf).

Im Koalitionsvertrag hatten wir mit der Union vereinbart, den Wahlrechtsausschluss von Menschen unter Vollbetreuung zu beenden. Denn bisher blieb es beispielsweise rund 84.000 Menschen mit Behinderungen in Deutschland verwehrt, zu wählen oder sich selbst wählen zu lassen.

Das Bundesverfassungsgericht hat mit seiner am 21. Februar 2019 veröffentlichten Entscheidung diese Wahlrechtsausschlüsse für verfassungswidrig erklärt. Der generelle Wahlrechtsausschluss von Menschen unter Vollbetreuung ist demnach mit dem Grundgesetz unvereinbar. Er verstößt gegen den Grundsatz der Allgemeinheit der Wahl und gegen das im Grundgesetz verankerte Verbot der Benachteiligung wegen einer Behinderung. Das Gericht erklärte außerdem den Wahlrechtsausschluss der wegen Schuldunfähigkeit untergebrachten Straftäter für nichtig.

Zudem hatte das Gericht kürzlich entscheiden, dass Menschen mit Behinderungen und Straftäter, die wegen Schuldunfähigkeit in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht sind, schon an der bevorstehenden Europawahl im Mai teilnehmen dürfen. Beide Gerichtsentscheidungen begrüße ich ausdrücklich.

Mit dem nun vorliegenden Gesetzentwurf wollen wir als Regierungskoalition die verfassungswidrigen Wahlrechtsausschlüsse ersatzlos streichen. Darüber hinaus soll die zulässige Assistenz bei der Wahlrechtsausübung sowie deren Grenzen und strafrechtliche Sicherung geregelt werden.

Ihr Vorschlag des zur Seite stellen von "Diversity Anwälte" für "möglichst viele richtige Diversityentscheidungen" verstößt wohl gegen den Grundsatz der Freiheit der Wahl, der besagt, dass niemand in ihrer oder seiner Wahl beeinflusst werden darf.

Freundliche Grüße
Wiebke Esdar

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