Frage an Wiebke Esdar von Heike R. bezüglich Finanzen
Sehr geehrte Frau Dr. Esdar,
"Experten" von Fianzminister Scholz fordern Abschaffung des Ehegattensplittings, weil der Zweitverdiener, meistens die Frau, sowenig Anreiz hat, „das eigene Potential zu steigern“, also z. B. einen Vollzeit-Job anzunehmen.
quelle: https://www.bild.de/politik/inland/politik-inland/scholz-experten-fordern-abschaffung-des-ehegatten-splittings-57516246.bild.html
Sie als Psychologin und Mitglied der SPD sehen dies natürlich ähnlich?
Ganz sicher geht es nicht darum, Steuern einzutreiben, sondern darum die Frau zu emanzipieren? Da "Experten" von Scholz dies herausgefunden haben, möchte ich von Ihnen gerne Wissen, bei wieviel Prozent der Splittingpaare geht die Frau, gegen eigenen Willen, keinem oder nur einen sehr geringen Job nach? Die "Experten" wissen dies sicher? Sehen Sie und die "Experten" den Arbeitsmarkt so aufgestellt, dass er den betroffenen Frauen Vollzeitjobs anbieten kann? Und noch eine letzte Frage. Unsere Tochter ist Single und berufstätig. Wenn die "Experten" den Frauen nur helfen wollen und deshalb das Splitting abschaffen möchten, weshalb haben Sie, die SPD und die "Experten" nicht die horrende Steuerklasse I im Visier? Jeder, der noch im realen Leben verwurzelt ist (was viele Politiker bestimmt nicht mehr sind, so zumindest meine Überzeugung), weiß, dass Singlehaushalte finanziell sehr gebeutelt sind.
Wenn diese "Experten" also schreiben...: Schließlich habe die Ehe an Bedeutung verloren und die Beschäftigung der Frau an Bedeutung gewonnen...,
quelle: Quelle: s.o.
dann stellt sich mir die Frage, wieso in einer Gesellschaft, in der die SPD "erkennt", dass die Ehe an Bedeutung verloren hat, die gleiche SPD nicht erkennen will, dass damit die horrende StKl I der Einzelhaushalte garantiert nicht zur Emanzipation und Teilhabe der Frau beiträgt?
Also, geht es nur um Steuereintreibung durch die SPD?
Sehr geehrte Frau Esdar, bitte nehmen Sie meine Fragen ernst, bitte kein steriles Parteiendeutsch mehr.
Mfg
Dr.med. H. R.
Sehr geehrte Frau Dr. R.,
haben Sie vielen Dank für Ihre Anfrage zum Thema Ehegattensplitting.
Sie beziehen sich in Ihrer Nachricht auf eine Online-Berichterstattung der Bildzeitung vom 27.09.2018. Dort heißt es, das Finanzministerium habe in einem Gutachten festgehalten, das Ehegattensplitting abschaffen zu wollen.
Da das Gutachten nicht veröffentlicht wurde und der Bild-Artikel dazu nicht weiter ins Detail geht, kann Ich Ihnen lediglich meine persönliche Meinung zum Ehegattensplitting mitteilen und Sie auf die bisherige Position der SPD hinweisen. Zu meiner Ansicht: ich bin klar für die Abschaffung der Splittingmöglichkeit in seiner derzeitigen Form. Das Splitting begünstigt bzw. stabilisiert ungleiche Rollenmuster und wirkt dadurch gleichstellungshemmend. Denn die Auswirkung des Splittings ist wegen der Steuerprogression umso größer, je weiter die beiden Ehegatten-Einkommen auseinander liegen. Sie ist am größten, wenn einer der Eheleute überhaupt kein Einkommen bezieht. Dies bewirkt, dass sich eine über eine geringfügige Beschäftigung hinausgehende Arbeitsaufnahme für einen Ehepartner kaum lohnt, wenn der andere Ehepartner gut verdient. Dies führt in der Realität häufig zur Nichtteilhabe am Arbeitsmarkt und zu einem immer größeren Qualifikationsverlust des einkommensschwächeren Partners, somit mit zunehmender Zeit zu seiner dauerhaften Ausgrenzung aus der Berufstätigkeit, also letztendlich zur Abhängigkeit vom besser verdienenden Partner. Das sind mögliche Entwicklungen, Frau Dr. R., die ich persönlich nicht unterstützen kann. Die Aussagen des zitierten Gutachtens unterstütze ich somit.
Die SPD fordert den sogenannten Familientarif und damit eine Reform des Ehegattensplittings. Der Familientarif würde ermöglichen, dass alle heute bereits bestehenden Ehen auch in Zukunft das Ehegattensplitting nutzen können. Für die Zukunft wollen wir aber einen Familientarif mit Kinderbonus einführen. Von dem Kinderbonus des Familientarifs würden verheiratete und unverheiratete Eltern mit Kindern, wie auch Alleinerziehende profitieren. Jedes Elternteil soll so künftig 150 Euro pro Kind von seiner Steuerlast abziehen können. Ein Paar mit drei Kindern könnte allein mit dem Kinderbonus 900 Euro im Jahr sparen. Im Familientarif können Ehepartner Einkommensanteile von höchstens 20.000 Euro untereinander übertragen. Dadurch wird auch künftig der sich aus der verfassungsrechtlich gebotenen Freistellung der gegenseitigen Unterhaltsverpflichtung ergebende Splittingvorteil gewahrt. Heutige Ehen könnten im Familientarif zwischen dem bisherigen System des Ehegattensplittings und unserem neuen Familientarif mit Kinderbonus frei wählen. Das Ziel der SPD ist es in diesem Zusammenhang, die Steuerlast bei unterschiedlich hohen Einkommen gerecht zwischen den Eheleuten zu verteilen.
Sehr geehrte Frau Dr. R., Sie haben sich über Ihre Anfrage zum Ehegattensplitting hinaus zu Entlastungen für Alleinstehende erkundigt. Gemeinsam mit der Union haben wir hier tatsächlich einiges geplant: Anfang Oktober wird zunächst das sogenannte Familienentlastungsgesetz in den Bundestag eingebracht und im Laufe des Jahres beschlossen werden. Anders als der Name vermuten lässt, werden auch Singles bessergestellt. Zum einen wird der Grundfreibetrag der Einkommensteuer in zwei Schritten deutlich von jetzt 9.000 € auf 9.408 € angehoben. Zum anderen wird der gesamte Einkommensteuertarif nach rechts verschoben, zum Ausgleich der kalten Progression. D.h., dass die individuellen Steuersätze zukünftig erst bei einem höheren Einkommensbeitrag greifen. Zudem wissen Sie sicherlich, dass die Koalitionsfraktionen vereinbart haben, den Solidaritätszuschlag für 90% aller Zahlerinnen und Zahler abzuschaffen. Darüber hinaus - hier sollte man nicht nur auf die Steuern schauen - ist vorgesehen, den Beitrag zur Arbeitslosenversicherung zu senken. Zudem ist bereits beschlossen, dass ab dem 1. Januar 2019 eine Rückkehr zur paritätischen Finanzierung der Krankenkassenbeiträge stattfinden wird. Bisher hatten die Arbeitgeber einen geringeren Anteil zahlen müssen. Arbeitnehmer und Arbeitgeber zahlen zukünftig wieder gleich viel.
Sie sehen also, es wird einiges passieren im Hinblick auf Alleinstehende. Ihre Tochter wird zukünftig spürbar mehr Geld im Portemonnaie haben.
Freundliche Grüße
Wiebke Esdar