Frage an Volker Ullrich von Hans B. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Ulrich,
ich engagiere mich selber derzeit aus beruflichen Gründen leider nur über Social-Media, z.B. change.org und campact. Nachdem - für mich unverständlich - bereits campact die Gemeinnützigkeit aberkannt wurde, soll nun dasselbe für change.org. passieren. Was gedenken Sie, dagegen zu unternehmen? Oder: Wenn Sie selber für die Aberkennung der Gemeinnütizgkeit sind (was ich nicht hoffe): Wie begründen Sie, dass Firmen ihre Lobbyarbeit immer noch steuerlich geltend machen können?
Mit freundlichen Grüßen
H. B., Pfarrer
Sehr geehrter Herr Borchardt,
vielen Dank für Ihre Frage bezüglich der Gemeinnützigkeit von „change.org“ und „Campact“.
Lassen Sie mich vorausschicken, dass ich es grundsätzlich sehr begrüße, wenn Initiativen und Organisationen dazu animieren sich zu engagieren und sich in den politischen Meinungsbildungsprozess einzubringen.
Die Frage nach der steuerlichen Gemeinnützigkeit ist jedoch eine andere. Über Angelegenheiten hinsichtlich der Zu- oder Aberkennung der steuerlichen Gemeinnützigkeit entscheidet die Finanzverwaltung und die Finanzgerichte.
Grundsätzlich ist eine Organisation im steuerrechtlichen Sinne gemeinnützig, wenn sie ausschließlich, unmittelbar und selbstlos steuerbegünstigte Zwecke verfolgt. Welche Zwecke jedoch im steuerlichen Sinne gemeinnützig sind, bestimmt die Abgabenordnung. So enthält der § 52 AO einen abschließenden und verbindlichen Katalog an gemeinnützigen Zwecken. Selbiger umfasst beispielsweise die Förderung von Wissenschaft und Forschung, die Förderung der Religion, die Förderung der Jugend- und Altenhilfe aber eben keine dezidiert politischen Zwecke.
Dabei ist aber auch nicht jede politische Betätigung und Einflussnahme auf die öffentliche Willensbildung per se für die Gemeinnützigkeit schädlich. Politische Äußerungen sind durchaus mit der steuerlichen Gemeinnützigkeit vereinbar, wenn sie anlassbezogen, zur Förderung der satzungsgemäßen steuerbegünstigten Zwecke und in gewissen Grenzen erfolgen. Dabei darf die politische Betätigung allerdings lediglich Nebenzweck eines gemeinnützigen Vereins darstellen. Falls die politische Betätigung zum Selbstzweck wird, ist die Grenze des Zulässigen in Hinblick auf die Zuerkennung der steuerlichen Gemeinnützigkeit überschritten.
Im Koalitionsvertrag haben wir, um die Kultur des zivilgesellschaftlichen Engagements zu fördern, vereinbart, das Gemeinnützigkeitsrecht zu verbessern. Dafür wird aktuell eine Reform der steuerrechtlichen Definition der Gemeinnützigkeit durch den Bundesminister der Finanzen Olaf Scholz vorbereitet.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Volker Ullrich