Frage an Volker Ratzmann von Peter P. bezüglich Recht
Eine wachsende Zahl von Sinti und Roma aus Rumänien und Bulgarien macht in Berlin derzeit durch aufdringliches Betteln auf sich aufmerksam. Eine Gruppe campierte zuletzt im Görlitzer Park, nachdem sie aus ihren früheren Wohnungen herausgeworfen worden waren – u.a. wegen Urinierens im Innenhof und aggressiven Verhaltens gegenüber anderen Mietern und Anwohnern (laut Protokoll der Mieterversammlung). Derzeit ist man bemüht, die Situation der Sinti und Roma zu verbessern, ihnen eine andere Bleibe zu verschaffen. Dies würde meines Erachtens die Situation nur kurzfristig entschärfen. Robbin Juhnke, der innenpolitische Sprecher der CDU im Berliner Abgeordnetenhaus, warnte diesbezüglich, Berlin könnte sich zu einem festen Anlaufpunkt für "Zigeuner" aus Südosteuropa entwickeln. „Wir sollten daher alle rechtlichen Möglichkeiten ausloten, ihnen den Aufenthalt bei uns so unangenehm wie möglich zu gestalten“, forderte Juhnke. Dazu gehören nach Juhnke regelmäßige Kontrollen und das konsequente Erteilen von Platzverweisen. Kai Gersch, der integrationspolitische Sprecher der Berliner FDP-Fraktion, bezeichnete es als „beschämend“, dass man das Problem nicht in den Griff bekomme. Eine Abschiebung erweist sich durch das EU-Recht als problematisch. Mit welchen Maßnahmen würden Sie dieses Problem angehen?
Sehr geehrter Herr Prill,
zunächst möchte ich anmerken, dass ich es beschämend finde, dass der innenpolitische Sprecher der CDU die Bezeichnung "Zigeuner" verwendet, statt Sinti und Roma. Das und seine Vorschläge lässt eine Geisteshaltung erkennen, die ich in der CDU für überwunden gehalten habe. Natürlich geht es nicht, dass die Menschen im Görlitzer Park übernachten. Und es geht auch nicht, das Problem auf Haus- und Mietergemeinschaften abzuschieben. Kurzfristig - und auch das halte ich für wichtig - hilft nur eine andere Bleibe und Betreuung.
Langfristig muss man das Problem über die EU in den Heimatländern lösen. Dazu gehören in den Mittelpunkt der Diskussion meiner Meinung nach die Ursachen für die Migrationsbewegungen ins westliche Europa. Denn die Roma sind in ihren Heimatländern äußerst häufig Opfer von massiver Diskriminierung und Intoleranz. Trotz formeller Initiativen hat sich ihre Lebenssituation in den vergangenen Jahren sogar noch verschlechtert. Nach Angaben von Amnesty International leben beispielsweise in Rumänien etwa drei Viertel der Roma in Armut und häufig unter menschenunwürdigen Umständen. Hinzu kommen systematische Diskriminierungen durch Behörden, keine echte Chance auf Bildung uvm. Wer kann den Betroffenen da verdenken, wenn sie ihr Glück woanders suchen. Dort muss endlich wirksam angesetzt werden. Hier in Berlin ist das kaum zu lösen. Und rechtsstaatlich höchst zweifelhafte Polemik hilft da auch nicht weiter. Wirklich nachhaltig ist es nur, die Ursachen der Migration zu betrachten und die äußerst starken Push-Faktoren in den Herkunftsländern abzuschwächen.
Die bündnisgrüne Bundestagsfraktion hat zuletzt vor wenigen Monaten mit einem Antrag auf diese Thematik aufmerksam gemacht (17/5191). Hier ist vor allem die Bundesregierung gefordert, endlich entsprechend auf Länder wie Bulgarien, Rumänien, Ungarn und die Slowakische Republik einzuwirken.
Mit freundlichen Grüßen
Volker Ratzmann